aus Schulen entführt. Aus Rache an Dörfern, deren Einwohner sie verdächtigten, LRA-Überläufern zu helfen, plünderten sie Schulen und brannten diese nieder.
»Wir raten dir, schnellstmöglich deine Stelle als Lehrerin zu kündigen. Andernfalls werden wir deine Kinder köpfen und deine Tochter verbrennen«, lautete ein Drohbrief von Taliban-Rebellen in Afghanistan. Zwischen März und Oktober 2010 wurden dort 20 Schulen unter Einsatz von Sprengstoff oder durch Brandstiftung angegriffen, Rebellen töteten 126 Schüler.
Die brutalen Bilder von Angriffen auf Schulen in Afghanistan stehen der internationalen Öffentlichkeit lebhaft vor Augen: Männer auf Motorrädern nehmen Schüler unter Beschuss, Mädchen werden mit Säure übergossen. Zielgerichte Angriffe auf die Bildung sind jedoch so weitreichende wie wenig beachtete Phänomene. Sie beschränken sich nicht auf einzelne Länder, sondern stellen ein verbreitetes Problem in weltweiten bewaffneten Konflikten dar. Experten von Human Rights Watch haben Angriffe auf Schüler, Lehrer und Schulen - und deren Folgen für die Bildung - in Afghanistan, Kolumbien, der DRK, Indien, Nepal, Burma, Pakistan, den Philippinen und Thailand dokumentiert. Die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) berichtet, dass Angriffe zwischen 2007 und 2009 in mindestens 31 Staaten stattfanden.
Nur wenige nichtstaatliche bewaffnete Truppen befürworten solche Angriffe öffentlich. Gleichzeitig wird wenig dafür getan, sie zu dokumentieren, ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken und zu unterbinden.
Genauso wenig ist das volle Ausmaß der negativen Folgen von Langzeitbesetzungen von Schulen durch das Militär bekannt. Der Zugang zu Bildung wird zunehmend als wichtiger Teil des humanitären Katastrophenschutzes verstanden, insbesondere bei Massenvertreibungen und Naturkatastrophen. Dass Schulen, Lehrer und Schüler in Konfliktregionen vor mutwilligen Angriffen geschützt werden müssen, rückt erst seit kurzem in das Blickfeld internationaler Akteure. Organisationen für humanitäre Hilfe äußern sich zunehmend besorgt über den Schaden und die Folgeschäden solcher Angriffe. Auch Menschenrechtsgruppen haben begonnen, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, meist im Zusammenhang mit dem Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten und der Förderung wirtschaftlicher und sozialer Rechte, einschließlich des Rechts auf Bildung.
Effektive Maßnahmen gegen Angriffe auf die Bildung erfordern spezifische politische Strategien, ein beherztes Vorgehen der betreffenden Regierung und viel größere internationale Anstrengungen. Damit Schüler, Lehrer und Schulen verbotene Zonen für bewaffnete Nichtregierungsgruppen und reguläre Armeen werden, müssen Regierungen, oppositionelle Gruppen und andere Organisationen wirkungsvolle Maßnahmen ergreifen. Zu ihnen zählen strenge Überwachungsmechanismen, präventive Interventionen, schnelle Reaktionen auf Vorfälle und die Verurteilung von Angreifern durch nationale und internationale Gerichte.
Warum Schulen, Lehrer und Schüler angegriffen werden
Nichtstaatliche bewaffnete Gruppen wählen Schulen, Lehrer und Schüler aus vielfältigen Gründen als Angriffsziel aus. Rebellengruppen betrachten Schulen und Lehrer oft als Symbole des Staates. Tatsächlich sind Schulen in ländlichen Regionen häufig die einzig sichtbaren Regierungsstrukturen, die verschiedene Aufgaben übernehmen. So haben bewaffnete Oppositionsgruppen Schulen in Indien, Pakistan und Afghanistan angegriffen, die auch als Wahllokale genutzt wurden.
Lehrer und Schulen sind gut sichtbare, »weiche« Ziele. Sie können einfacher angegriffen werden als staatliche Sicherheitskräfte, und Angriffe verschaffen den Mördern und ihren politischen Anliegen schnell mediale Aufmerksamkeit. Gleichzeitig unterminieren sie das Vertrauen in die Schutzkraft der Regierung. Manche Oppositionsgruppen betrachten Schulen und Lehrer als Symbole eines repressiven Bildungssystems.
Ein Lehrer aus Thailand berichtete Human Rights Watch, wie er in die Schusslinie beider Parteien des dortigen separatistischen Konflikts geriet. Muslimische Aufständische setzten ihn unter Druck, weil er als Muslim an einer staatlichen Schule unterrichtete. Später wurde er von den lokalen, paramilitärischen Truppen der Regierung bedroht, weil er angeblich die Aufständischen unterstützte. Kurz nach dem Gespräch wurde er auf dem Heimweg von seiner Moschee von unbekannten Tätern angeschossen und schwer verletzt.
Manchmal werden Schulen angegriffen, weil die bewaffneten Gruppen die in ihnen vermittelten Bildungsinhalte ablehnen, oder wegen der Schüler, die in ihnen unterrichtet werden. In manchen Staaten gerieten Schulen ins Fadenkreuz, weil ihre Lehrpläne als säkular oder »westlich« betrachtet wurden, oder einfach, weil dort Mädchen unterrichtet werden. Dabei ist nicht alle Gewalt ideologisch motiviert. Kriminelle haben oft ein Interesse daran, konkurrierende Quellen von Autorität auszuschalten, und manche Angriffe fußen in lokalen Konflikten, die nicht immer etwas mit dem Bildungswesen zu tun haben.
Für Rebellen, paramilitärische und andere Gruppen stellen Schulen und Schulwege lohnenswerte Ziele dar, um Kinder als Soldaten zu rekrutieren, zu indoktrinieren oder sexuell zu missbrauchen. Etwa beobachtete Human Rights Watch, dass maoistische Rebellen während des anhaltenden Bürgerkriegs in Nepal Kinder mit unterschiedlichen Methoden zu rekrutieren versuchen. Insbesondere entführten sie große Gruppen von Kindern, häufig aus Schulen, um sie zu indoktrinieren.
Die Folgen von Angriffen
Die Auswirkungen von Angriffen können verheerend sein. Zahllose Lehrer und Schüler können verletzt und traumatisiert, in einigen Fällen getötet werden. Auch führen Angriffe häufig dazu, dass die Zahl der Kinder, die regelmäßig die Schule besuchen, dramatisch zurückgeht. Besuchen über einen längeren Zeitraum nur wenige Kinder eine Schule, so wirkt dies negativ auf die Wirtschaft und auf Schlüsselindikatoren für Entwicklung wie die Gesundheit von Müttern und Kindern.
Im schlimmsten Fall werden Hunderte Schulen geschlossen. So berichtete das afghanische Bildungsministerium im März 2009, dass schätzungsweise 570 Schulen nach Angriffen der Taliban oder anderen Aufständischen dauerhaft geschlossen wurden. So wird Tausenden Schülern ihr Recht auf Bildung verwehrt.
Darüber hinaus können Angriffe Gebäude und Lehrmaterialien beschädigen. Bevor die Schule wieder öffnen kann, sind unter Umständen umfangreiche Reparaturen und kostspielige Neuanschaffungen erforderlich. Sofern die Einrichtung nicht vollständig geschlossen wird, fällt der Unterricht tage- oder wochenlang, manchmal sogar länger aus. Findet er wieder statt, dann häufig in gefährlichen, teilweise zerstörten Gebäuden oder unter freiem Himmel. Auch andere für die ansässige Gemeinschaft bedeutende Dienstleistungen, die in Schulgebäuden angeboten werden, etwa Erwachsenenbildung oder Gesundheitsdienste, können verloren gehen.
Wenn Regierungen versäumen, zerstörte Schulgebäude nach einem Angriff wiederaufzubauen, sind die negativen Folgen noch größer. In Indien hat keine einzige von maoistischen Rebellen (sog. Naxaliten) angegriffene Schule, die Human Rights Watch 2009 besuchte, Regierungsunterstützung bei den Reparaturen oder dem Wiederaufbau erhalten. Die Angriffe hatten zwischen zwei und sechs Monate vor den Besuchen stattgefunden, und die Regierung hatte bekannt gegeben, dass die für den Wiederaufbau erforderlichen Mittel vorhanden seien.
Angriffe auf Schulen und Lehrer traumatisieren Schüler und beeinträchtigen die Arbeitsleistung von Lehrern. Selbst wenn die Schulgebäude keinen Schaden nehmen oder die nötige Infrastruktur wiederhergestellt wurde, kehren Lehrer und Schüler manchmal aus Angst nicht zurück. Auch lehnen manche hochqualifizierten Lehrer ab, in der betreffenden Region zu arbeiten, so dass die verbliebenen Lehrer stark überlastet sind.
So berichteten Einwohner des ländlich geprägten Bundesstaates Bihar in Indien gegenüber Human Rights Watch, wie eine große Gruppe Maoisten die Mittelschule in ihrer Stadt sprengte. Als Reaktion darauf richtete die örtliche paramilitärische Polizei ein Lager in den intakten Gebäudeteilen ein. Der Schulunterricht wird nun in einem Zelt abgehalten, in dem die Kinder teilweise der Witterung ausgesetzt sind, es keine Toiletten gibt und es unmöglich ist, das von der Regierung vorgeschriebene Mittagessen anzubieten. »Wenn die Leute von diesen Problemen hören, nehmen sie ihre Kinder [aus der Schule] raus«, sagte eine Mutter zu Human Rights Watch.
Weiterhin können Angriffe sich spürbar auf andere Schulen