Florian C. Booktian

Milten & Percy - Der Tod des Florian C. Booktian


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und Beine. Irgendwie musste er in seinen Gedanken ein Mittelding zwischen seiner spießigen Art und einem Milten finden, dem alles egal war. Sozusagen einen Middelton. Er musste einen lockeren, geduldigen Milten ins Leben rufen, der auch mal einfach Ja sagte, ohne sich allzu viele Gedanken zu machen.

      Percy startete den Motor. „Du hast wieder darüber nachgedacht, dass Trixi zu freizügig rumläuft, stimmts?“

      „Woher weißt du das?“

      „Weil du es mir jedes Mal erzählst, wenn wir sie sehen, und weil ich dich gut kenne, Milten Greenbutton. Stell dich nicht so an, werd ein bisschen locker.“

      Und da war der Spruch auch schon, wie bestellt.

      „Wahre Schönheit kann auch bedeckt bleiben.“

      „Verdeckt, Milten. Das richtige Wort ist verdeckt. Bedeckt sind nur Frauen, die sich von oben bis unten mit Stoff überziehen, als erwartete sie, demnächst in der Antarktis ausgesetzt zu werden, um mit den Pinguinen um den Fisch zu rangeln.“

      Percy startete den Motor.

      Er hat doch recht, dachte Milten. Ich muss einfach lockerer werden. Vielleicht finde ich dann jemand Neues. Vielleicht nimmt mich dann sogar Melody zurück, wenn ich ihr zeige, was für ein toller lockerer Typ ich geworden bin. Er schaute zu Percy hinüber und bemerkte, dass sein Partner ihn mit gestutzten Augenbrauen und einem finsteren Blick anschaute.

      „Was ist denn?“

      „Du denkst drüber nach, dich zu ändern und dann Melody zurückzuerobern. Stimmts?“

      „Woher ...?“

      „Gestehe!“, rief das Erdmännchen und zeigte auf Milten.

      „Ja, schon gut“, sagte Milten und schüttelte den Kopf. Die beiden verbrachten wirklich fast jede wache Minute miteinander, das war wohl das Ergebnis davon: erlerntes gegenseitiges Gedanken- und Vermutungsdeuten.

      „Vielleicht ist es ja noch nicht zu spät, vielleicht ...“

      „Milten, Freund, Partner, Mitbewohner, der seit Monaten auf meiner Couch pennt und mich nachts mit seinem Duft und gelegentlich mit seinem Geheul aufweckt: LASS ES BLEIBEN!“

      „Aber warum denn?“

      „Damit du weißt, dass du es kannst.“ Percy lenkte den Wagen auf die Straße. Milten machte schon den Mund auf, um drauflos zu reden, aber nachdem Percys Worte durch seinen Gehirnkasten gewandert waren, trafen sie auf die Loyalität, die er Melody gegenüber pflegte. Percys Worte stellten seiner unerschütterlichen Treue Melody gegenüber einige unangenehme Fragen und sie löste sich vor Verzweiflung in Luft auf. Percy hatte recht. Er musste sich selbst beweisen, dass er noch die Kontrolle hatte.

      Das Funkgerät rauschte und knackte, dann ertönte eine Stimme: „Wagen 25, bitte kommen.“

      Milten nahm auf Autopilot den Funkspruch entgegen. „Hier Wagen 25, hören“, antwortete Milten und ließ die Sprecher-Taste los.

      „Eure Unterstützung wird erbeten. 27th Mountain Drive. Ein 140er. Keglin und Mook haben um eure Anwesenheit gebeten.“

      „Wir machen uns auf den Weg“, gab Milten durch und hängte das Funkgerät wieder auf.

      „Na klasse“, sagte Percy, „eine Leiche zum Frühstück. Was die beiden wohl mit uns wollen?“

      „Wer waren noch mal Keglin und Mook?“

      „Die zwei in die Jahre gekommenen Detectives, in den in die Jahre gekommenen Anzügen in ihrem in die Jahre gekommenen Auto, die gerne darüber reden, wie viele Tage sie noch davon entfernt sind, endlich in den Ruhestand zu gehen.“

      „Ach die!“, sagte Milten und lachte kurz auf. „Die beiden sind doch ganz lustig. Waren wir nicht bei der Geburtstagsfeier von Keglins Frau? Ja doch, jetzt erinnere ich mich. Du hast dich geweigert, mitzukommen, und auf der Heimfahrt hast du mir dann erzählt, wie sehr es dir doch gefallen hat, und dass du gerne öfters weggehen würdest.“

      „Beim großen Papper, behalt das bitte für dich, ja? Mein Bedarf an sozialem Umgang ist gering. Und die Geburtstagsfeier hat ihn nicht nur gedeckt, sondern geradezu vollgestopft.“ Percy seufzte. „Aber es war ein netter Abend. Und ich hab noch immer die Nummer von Mooks Nichte, vielleicht sollte ich da endlich mal durchklingeln. Jetzt wo ich bald einen neuen Mitbewohner brauche.“

      „Ziehe ich etwa aus?“, fragte Milten verdattert.

      „Früher oder später, Milten, früher oder später.“

      In der 27th Mountain Drive stand ein alter Ford und dagegen lehnten zwei alte Beamte. Der eine in einem braunen, der andere in einem blauen Anzug. Zwischen den beiden war nicht der geringste Hauch von farblichem Gleichgewicht zu spüren. Der eine, Keglin, war ein Mensch, der andre, Mook, ein Moschusochse. Unter seinem Anzug steckte ein üppiges Fell und seine Hufe in zwei spezial angefertigten Schuhen.

      Keglin hatte lange weiße Haare und einen dicken Bauch, auf dem er locker eine Tasse abstellen konnte.

      Mook hingegen war fast schon ungesund schlank und sein schwarzes Fell war von grauen Strähnen durchzogen. Percy fuhr bis zu den beiden vor und deutete Milten an, das Fenster herunterzukurbeln. „Guten Morgen. Wir sind auf der Suche nach zwei kompetenten Kollegen, die um unsere verehrte Anwesenheit gebeten haben. Sind diese zwei Kollegen etwa Sie?“

      Mook beugte sich langsam zum Fenster herunter. Sein Mund bewegte sich von einer Seite zur anderen, er kaute einen Kaugummi und seine Augen starrten mit halb geschlossenen Lidern in den Mustang. „Morgen, Percy“, sagte er und nickte ihm zu. „Milten“, sagte er und nickte dem Erfinder zu.

      „Morgen, Mook, wie geht es dir?“

      Der Moschusochse ignorierte die Frage und kam gleich zum Punkt. „Parken. Aussteigen. Herkommen.“

      „Natürlich, Schatz“, sagte Percy, rollte langsam davon. Mook ging kopfschüttelnd zu seinem Partner zurück. Keglin goss etwas Kaffee in den Deckel seiner Thermoskanne und bot dem Moschusochsen einen Schluck an.

      „Weißt du, Milten, Mook ist eine rare Gattung.“

      „Ich weiß, es gibt nicht mehr so viele Moschusochsen, die Anzüge tragen.“

      „Das meine ich gar nicht. Es wird so viel unnötiger Mist geredet. Aber Mook hier, den hab ich noch nie ein unnötiges Wort reden hören. Du vielleicht?“

      „Jetzt, wo du es sagst ...“

      Percy parkte den Wagen sauber vor dem alten Ford und setzte so weit zurück, dass es ihren Kollegen unmöglich war, ohne umständliches Vor- und Zurückgekurbel auszuparken. Die beiden Detectives stiegen aus und liefen zu ihren Kollegen.

      Keglin trank seinen Kaffee, Mook kaute seinen Kaugummi. Hinter den beiden befand sich eines der Wohnhäuser, in dem zu viele Familien auf zu wenig Platz untergebracht waren. Der Betonklotz ragte weit in den Himmel, und es war nicht das erste Mal, das hier die Polizei vor dem Haus stand. Das Dach des Gebäudes war in der ganzen Stadt beliebt, wenn es darum ging, ein schnelles Ende zu finden.

      In der Regel waren es die Polizisten aus der Akademie, die dann aufräumen durften. Milten hielt Ausschau, aber er konnte keinen jungen Polizisten entdecken, der eine zerfetzte Leiche auf eine Trage sortierte. Er wollte schon entspannt seufzen, da kam ein junger Beamter aus dem Gebäude. Seine Uniform war aufwendig gepresst und prahlte mit jeder Bügelfalte. Miltens Augen suchten sofort wieder den Boden ab.

      „Wie geht es dir, Mook?“, fragte Percy.

      „Gut.“

      „Und deiner Frau?“

      „Gut.“

      „Und was macht der Ruhestand?“

      „Noch 438 Tage.“ Der Moschusochse lächelte, wodurch seine gelben Zähne unter der Oberlippe hervorrutschten. Sein Atem roch nach Grünzeug und Pfefferminz.

      „Und dann ist Schichtende, und zwar für immer“, fügte Keglin hinzu.

      „Was