Christine Rödl

Die Jagd


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ihr wollte einfach nichts einfallen. Mitten in ihren Überlegungen fielen ihr schließlich die Augen zu und sie schlief endlich ein.

       Die Geländestrecke

      Noch bevor sie zum Frühstück gingen, bat Madeleine ihre Freundinnen darum, niemanden von der Sache mit dem eigenen Pferd zu erzählen. Etwas verwundert versprachen Nina, Iris und Lisa darüber zu schweigen. Wieso sie es geheim halten wollte, verriet sie ihnen jedoch nicht.

      Als sie ein wenig später das Klassenzimmer betraten, saß Helene bereits auf ihrem Platz. Sie lächelte den Mädchen triumphierend entgegen, doch Madeleine ignorierte sie vollkommen. Sie unterhielt sich einfach wie sonst auch mit ihren Freundinnen, bis Frau Buchholz, die Klassenleiterin, herein kam.

      Die Lehrerin startete direkt mit dem Mathe-Unterricht und erinnerte die Schüler an die bevorstehende Schulaufgabe. „Damit ihr für übermorgen gut gerüstet seid, werden wir heute nochmal den Stoff wiederholen und morgen ein wenig üben. Dann bekommt ihr das sicherlich alle hin“, erklärte sie.

      Nina, die in ihrem letzten Zeugnis eine Vier in Mathe gehabt hatte, arbeitete konzentriert mit. Wann immer es ihr zu schnell ging, meldete sie sich sofort und ließ es sich von Frau Buchholz nochmals erklären. Allzu oft war das jedoch nicht nötig. Während der Herbstferien hatte sie jeden Tag zusammen mit Iris gebüffelt. Denn Iris war nicht nur eine grandiose Reiterin, sie war auch in der Schule meistens eine der Besten.

      Als die Doppelstunde herum war, freuten sich die Schülerinnen über die Pause, die nun folgte. Ihre Köpfe hatten während des Unterrichts ganz schön geraucht und konnten die Erholung gut gebrauchen. Daher war es kein Wunder, dass die gesamte Klasse nach draußen an die frische Luft strömte.

      Als Helene gerade an den vier Freundinnen vorbei ging, fragte Madeleine plötzlich: „Sag mal Iris, wie hieß nochmal das Mix-Pony, mit dem du Helene im Sommer am Turnier besiegt hast?“ Helene fuhr augenblicklich zusammen. Sie hatte versucht, diese Niederlage so gut sie konnte zu vergessen. Wütend funkelte sie Madeleine an, doch die schenkte ihr keine Beachtung.

      „Der Wallach heißt Figaro“, antwortete Iris. „Wieso fragst du?“, wollte sie nun wissen.

      „Na jetzt wo ich dank Helene ein eigenes Pferd bekommen soll, dachte ich mir, es muss auf alle Fälle eines sein, mit dem ich auf jedem Turnier auftauchen kann und dann vor ihr platziert werde“, erklärte Madeleine seelenruhig, während Helene beinahe vor Wut platzte.

      „Das eine Mal war ein Glückstreffer!“, zischte sie, machte auf dem Absatz kehrt und eilte davon.

      Als Helene weit genug entfernt war, brach Madeleine in heiteres Gelächter aus, in das ihre Freundinnen schnell mit einstimmten.

      „Das ist mir heute Morgen eingefallen. Damit wollte ich sie unbedingt ein wenig ärgern“, erklärte sie nun noch immer kichernd. „Euren Figaro will ich euch natürlich nicht abkaufen, aber so ein Helene-auf-die-Palme-bring-Pony wäre schon toll.“

      „Er steht außerdem nicht zum Verkauf, immerhin ist er eines unserer besten Schulpferde. Allerdings kann ich Papa gerne mal fragen, ob er nicht etwas für dich hat. Donny hat er damals auch für Nina gefunden“, antwortete Iris.

      „Rolf findet immer die tollsten Ponys. Und er ist richtig gut darin, die Eltern von einem Tier zu überzeugen“, rief Nina und nickte begeistert. Den Rest der Pause verbrachten sie damit, über Madeleines zukünftiges Pferd zu sprechen.

      Kaum war der Unterricht zu Ende, beeilten sich die Mädchen in ihre Zimmer zukommen, um sich umzuziehen. Die erste Reitstunde nach den Ferien stand an.

      Frau Graf erwartete sie bereits vor den Stallungen. In dieser Gruppe ritten die vier Freundinnen zusammen mit Samantha, Nathalie und Heike. Die anderen Klassenkameraden waren in zwei weitere Einheiten aufgeteilt.

      „Heute möchte ich euch zum ersten Mal in dem Schuljahr mit auf die Geländestrecke nehmen“, verkündete die Reitlehrerin. Allgemeiner Jubel brach aus. Nur Nina beteiligte sich nicht daran und sah verunsichert zu Frau Graf. Diese schien das jedoch nicht zu bemerken.

      „Denkt bitte an die Gamaschen der Pferde und an eure Schutzwesten oder Rückenprotektoren. Nathalie, du nimmst Löwenherz, Heike du reitest Babsi und Madeleine darf heute mal unseren Neuzugang Primadonna ausprobieren. Wir treffen uns in 20 Minuten an der Bahn!“, rief Frau Graf und machte sich bereits auf den Weg. Wie vom Donner gerührt starrte Madeleine ihr nach. Ausgerechnet Primadonna! Ausgerechnet das Pferd, das jetzt in Neptuns Box stand und seinen Platz als Schulpferd eingenommen hatte! Widerwillig trottete sie den anderen Schulpferdereitern hinterher. Sie holte die Ausrüstung des Rappen aus der Sattelkammer und machte sich dann daran die Stute zu putzen. Nach kurzer Zeit glänzte Primadonnas Fell lackschwarz.

      Nachdem sie alle gesattelt und getrenst hatten, führten sie die Pferde aus dem Stall, wo sie gemeinsam aufsaßen. Als jede bereit war, ritten sie hintereinander am langen Zügel zu der Geländestrecke, an der die Reitlehrerin schon auf sie wartete.

      Die Mädchen wärmten ihre Pferde selbstständig auf, während Frau Graf ihnen erklärte, auf was sie achten mussten. Iris und Nina, die zuvor noch nie auf einerm solchen Trainingsgelände gewesen waren, bekamen extra Einweisungen. Dann ging es endlich los!

      Lisa auf ihrer Stute Cornet machte den Anfang. Zuerst sollte sie einen kleinen, aber steilen Hügel hinauf traben. Oben angekommen musste sie zum Schritt durchparieren und auf der anderen Seite wieder hinunter reiten. Danach folgten zwei Sprünge über Baumstämme und dann ging es durch die extra dafür angelegte Wasserstelle. Direkt hinter dem Mini-Gewässer, das Cornet bis zu den Karpalgelenken reichte, befand sich ein Hindernis, das es leicht bergauf zu nehmen galt. Der letzte Sprung bestand aus mehreren kleinen Büschen, die nebeneinander gepflanzt worden war.

      Frau Graf analysierte nun mit den Schülerinnen gemeinsam, was gut an Lisas Ritt gewesen war und was sie verbessern konnte. Dann kam Iris an die Reihe. Obwohl diese bis jetzt noch nie auf einer solchen Strecke geritten war, meisterten sie und ihr Pony die Runde grandios. Lediglich den letzten Sprung über die Büsche musste sie zweimal anreiten, denn Hilde verweigerte beim ersten Mal.

      „Das ist ganz normal“, erklärte Frau Graf. „Pferde, die derartige Hindernisse nicht kennen, stutzen oft erstmal. Ansonsten ward ihr zwei richtig gut“, lobte sie. Als Nächstes war Samantha mit ihrem Wallach Sandro an der Reihe. Die beiden lieferten eine wahre Glanzvorstellung ab.

      „Kein Wunder, sie reiten hauptsächlich Vielseitigkeitsturniere“, erklärte Lisa. „Für die ist das viel zu einfach.“

      Nina wollte gerade etwas erwidern, da rief Frau Graf sie auf. Mit einem Schlag war ihre Nervosität wieder da. Natürlich bemerkte die Lehrerin das.

      „Nicht darüber nachdenken. Trab an und los!“, riet sie ihrer Schülerin und diese gehorchte mit einem mulmigen Gefühl im Magen.

      Nina trieb Donny an und der Wallach setzte sich freudig schnaubend in Bewegung. Von Ninas Unsicherheit ließ er sich kein bisschen anstecken. Im gleichmäßigen Tempo trabte er den Hügel hinauf und seine Reiterin hatte Mühe ihn oben durchzuparieren. Am Liebsten wäre der Haflinger weiter gestürmt. Sie schaffte es trotzdem und im Schritt ging es nun wieder hinunter. Dann durfte der Wallach erneut traben und schließlich sogar angaloppieren. Als der erste Baumstamm auf sie zukam, begann Nina abermals zu zögern, doch Donny beschleunigte von alleine und setzte problemlos darüber hinweg. Langsam gewann seine Reiterin ihre Sicherheit zurück und trieb ihm vor dem zweiten Hindernis an. Auch dieses überwanden sie ohne Probleme.

      Als sie durch das Wasser ritten, musste Nina kräftig treiben, denn ansonsten hätten sie im Trab an Tempo verloren. Der Sprung, der sie aus der Wasserstelle hinaus führte, zauberte ihr ein Lächeln aufs Gesicht. Donny war einfach ein geniales Pferd!

      Der anschließende Satz über die Büsche brachte sie schließlich zum Strahlen. Warum nochmal war sie so unsicher gewesen? Und wieso hatte sie solche Angst gehabt? Sie konnte es beim besten Willen nicht sagen. Das Springen auf der Geländestrecke machte ihr deutlich mehr Spaß, als auf dem Springplatz. Und Donny schien das genauso zu sehen.