Gerstäcker Friedrich

Mississippi-Bilder


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zu untersuchen.

       Der Indianer war noch ein junger, rüstiger Mann, etwa 30 Jahre alt und schlank, aber kräftig gebaut, wenigstens verriet der nackte Arm, den er aus seiner wollenen Decke hervorstreckte, um den anderen das Zeichen zu geben, außerordentlich starke Sehnen und Muskeln.

       Seine Beine waren mit ledernen Leggins, seine Füße mit Mokassins aus eben dem Stoff bekleidet, sein Jagdhemd aber, aus dünnem, buntfarbigem Kattun leicht zusammengeheftet, wurde eigentlich nur noch durch den Gürtel gehalten, denn in Streifen hing es ihm von den Schultern herunter; beide Arme waren nackt, doch hatte er seine wollene Decke mit einem dünnen Riemen von Hirschfell um die Hüften befestigt, dass sie ihn wie ein Mantel umhüllte. Sein Kopf war bloß, und die schwarzen, langen Haare hingen ihm über Stirn und Schläfe herab, auch zeigte sein Gesicht keine der sonst bei seinem Volke so gebräuchlichen, entstellenden Farben, sondern seinen eigenen, dunklen, kupferfarbenen Teint, aus dem ein Paar feurige Augen kühn und unternehmend hervor blitzten.

       Auf der linken Schulter lag ihm die lange Büchse, und sein Gürtel hielt unter der Decke das Messer, den Tomahawk und einen Blechbecher.

       Seine beiden Gefährten waren auf ähnliche Art wie er gekleidet, nur trugen sie lederne Jagdhemden, die Decken fest zusammengerollt auf dem Rücken, und der eine von ihnen, ein schlanker, hoch gewachsener Mann, dessen blondes Haar den Nordländer verriet, hatte eine rauhaarige, aus dem Fell eines Waschbären roh zusammengeheftete Mütze tief in die Stirn gedrückt, während sein Kamerad, dem eine kurze, deutsche Büchse an einem Riemen über die Schulter hing, eine wollene, gewebte Mütze als Kopfbedeckung führte.

       An den rauen Weg gewöhnt, sprangen sie mit Leichtigkeit den steilen Abhang, von Fels zu Fels, hinunter, und waren bald an des Indianers Seite, der, als er sah, dass seinem Ruf Folge geleistet wurde, sich fest in seine Decke einhüllend sie erwartete. Als sie aber den Platz, wo er stand, erreichten, streckte er wieder seine eine Hand aus der Umhüllung hervor und rief, auf den Boden um sich herum, und viele abgebissene kleine Büsche zeigend:

       „Der Bär liebt den Sassafras, denn er macht ein weiches Lager – wenn das Wetter warm wird, möchte eine Fährte von hier aus zu dem Bach hinunter gefunden werden.“

       „Wenn wir’s nicht unter der Zeit vereiteln, Tessakeh!“, rief der schlanke Jäger, indem er aufmerksam die Zeichen, die den nahen Aufenthaltsort eines Bären verrieten, musterte. „Wo steckt aber der schwarze Bursche? Er muss seinen Eingang hier irgendwo in der Nähe haben, und doch sehe ich keine Höhle.“

       „Wah!“, sagte der Indianer, als er auf ein Loch zeigte, das gerade da, wo er stand, senkrecht in den Boden hinein lief und kaum groß genug war, einem starken Mann den Eingang zu verstatten.

       „Und wie kämen wir da hinunter?“ fragte der Deutsche, indem er seinen Kopf dicht an die Öffnung hielt und hinabzuschauen versuchte. „Hol’s der Henker, es scheint tief zu sein und ist stockfinster drunten.“ Mit diesen Worten warf er einen kleinen Stein hinein, und dessen hohles Klatschen und Plätschern verriet, dass er in Wasser gefallen sei.

       „Wasser unten?“, rief der Engländer, indem er sich vorbeugte und lauschte. „Wasser unten, und etwa 20 Fuß tief? – Hol mich der Böse, wenn ich da einsteige, und läge das fetteste Bärenfleisch dort, das je in den Wäldern von Arkansas sich von Eicheln nährte. Da wird aber auch kein Bär sein, denn so dumm sind die alten Burschen doch nicht, sich ein nasses Lager zu wählen, wo es so viele trockene im Überfluss gibt.“

       „Der Bär ist schlau“, erwiderte Tessakeh, indem er nochmals einen Stein hinab warf, und dabei dem Laute horchte. „Sehr schlau; er weiß den Platz zu finden, wo er sicher und trocken liegt, aber der weiße Mann hängt mit seinen Augen an den Wolken, wenn er seine Füße betrachten sollte – hat er den Zweig abgetreten, auf dem er steht?“

       „Wahrhaftig“, rief Redham, indem er einen kleinen, verdorrten Sassafraszweig, der dicht am Rande der Öffnung lag, aufhob und betrachtete. „Den muss der Bär hergeschleppt haben, und das ist ein ziemlich sicherer Beweis, dass er darin steckt; aber verdammt will ich sein, wenn ich selbst folge, denn mein Leben ist mir doch lieber, als ein Stück fettes Fleisch, und ich begreife überhaupt nicht, wie wir ihn herausbekommen wollten, wenn wir ihn wirklich schössen.“

       „Wenn die Krieger auf der Spur der Feinde sind, gehen sie nicht in Scharen neben einander, aber der Letzte tritt in die Fußstapfen des Ersten“, erwiderte Tessakeh.

       „Ja, ja“, sprach der Deutsche, indem er mit dem Kopf nickte, „Stück für Stück müssen wir ihn herausschaffen, aber ich glaube auch, dass wir selbst nur auf dieselbe Art hinunter könnten, und das wäre denn doch weniger angenehm.“

       Ohne weiter etwas zu erwidern, schaute Tessakeh einen Augenblick scharf umher, und stieg dann zu einem jungen, schlanken Hickory-Stamm hinauf, der, einige 50 Schritt über ihnen am Berge, gerade und schlank, wohl 40 Fuß hoch und nur einige Zoll stark, in die Höhe stieg, fällte denselben mit wenigen Schlägen seines Tomahawks, dass er dicht neben den zwei anderen Jägern niederschlug, befreite ihn von den Ästen, die er jedoch noch einige Zoll vom Stamm daran ließ, um einen Haltpunkt für die Füße zu bilden, und hob dann mit des Deutschen Hilfe, der bald begriff, zu welchem Zweck der junge Stamm benutzt werden sollte, die schnell fabrizierte L e i t e r in die Höhle hinab.

       Da der Stamm länger als nötig war, nahmen sie ihn noch einmal heraus, schlugen etwa 8 Fuß von dem unteren, glatten und astlosen Ende ab, und hatten sich nun, wenigstens in diesen Schacht, einen Eingang gebildet.

       „Nun, Redham, wollt Ihr nicht mit hinunter?“, fragte der Deutsche, als er seine Decke und Kugeltasche abwarf und das Pulverhorn mit einem kleinen Riemen dicht an seinem Körper befestigte – wir werden viel Spaß unten haben, und es wäre wirklich schade, wenn Ihr hier so ganz allein…“

       „Ich gönne Euch all den Spaß, Werner, den Ihr Euch da unten machen könnt, ich gönne ihn Euch von ganzem Herzen“, unterbrach ihn Redham, indem er Feuer anschlug14, „geht nur hinab und bringt mir wenigstens noch vor Abend ein Stück von dem Bären herauf, denn ich bin wirklich hungrig, und wir haben unser letztes Fleisch schon heute Morgen verzehrt; ich will indessen ein gutes Feuer unterhalten und den Eingang bewachen.“

       Tessakeh hatte ebenfalls seine Decke abgeworfen und ein kurzes, dickes Stück Wachslicht, roh aus den gelben Zellen eines wilden Bienenstockes zusammengeknetet, aus seiner Kugeltasche genommen, während Werner ein ähnliches, aber bedeutend längeres aus seiner Decke heraus wickelte. Der Indianer gürtete dann sein langes Jagdmesser fester, und legte die Büchse nahe zum Feuer nieder, das schon, von Redhams geschickter Hand geweckt, hoch emporloderte.

       „So soll ich allein meine Büchse mitnehmen?“, sprach Werner, als er sah, wie sich Tessakeh bereit machte, ohne die seinige den Weg anzutreten.

       „Tessakeh hat ein langes Rohr, und wenn der Ladestock herausgezogen wird, ist sie 4 Fuß länger“, erwiderte der Indianer.

       „Nun, wenn diese Höhle so eng ist als die vorige, in die wir zusammen hineinkrochen“, lachte Werner, „so möchte die meinige zum Wiederladen ebenfalls zu lang sein, aber vorwärts, Tessakeh, vorwärts! Wir wollen diesem guten Mann hier oben zeigen, dass wir uns nicht vor einem tiefen Loch, und Wasser im Grunde, fürchten – ist ein Bär darin, so haben wir heut Abend Fleisch, und das ist ein Gegenstand, den wir höchst nötig brauchen.“

       Mit diesen Worten wollte er, die Büchse auf den Rücken gehangen, zuerst hinab. Tessakeh hielt aber zurück und sprach, auf die Mündung der Waffe zeigend:

       „Es ist gefährlich, in den Lauf eines Gewehres hinab zu sehen; ginge die Büchse zu früh los, so möchten die beiden Weißen heute Abend allein am Feuer liegen – ich will voransteigen und sind wir unten, so mag der Fremde sein Wachslicht dem Bären zuerst zeigen.“

       Ohne weiter eine Antwort abzuwarten, ließ er sich dann in die Öffnung hinab, und war in wenigen Augenblicken verschwunden, während Werner schnell seinem Beispiele folgte, und Redham hatte nur noch Zeit, ihm zuzurufen:

       „Habt Acht, Werner, habt Acht, schießt nicht, wenn Ihr nicht Eurer Sache gewiss seid, und bedenkt, dass die Kugel in solcher Höhle außerordentlich