Hugo Berger

Baker Island


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fuck. Komm schon du widerspenstiger schwacher Körper. Nur ein paar Meter nach oben. Die Wellen werden dich nicht kriegen, auch im Traum nicht, Bullshit. Der Boden schwankt, aber ich bewege mich kriechend, Stück für Stück, come on. In welches verdammte Nirgendwo hat mich mein Traum verschleppt?

      Was ist das hinter mir? Büsche, Gestrüpp, Dickicht und … nein, das ist nicht okay Leute. Welcher Wahnsinnige hat das Drehbuch für diesen beschissenen Traum ohne Ende geschrieben. Was soll diese Monster-Mauer? Das ist nicht gut, wirklich nicht. Dieses Ding ist zu hoch, ich bin kein Kletterer, und ich werde auch nie einer sein. Und wo bitte ist das Ende dieser ungeheuren Anhäufung von meterhohen Steinen, dass ich wenigstens außenherum vorbei komme? Das ist nicht das, von was ich sonst träum, oh no. Ich will jetzt wach werden, ich steig aus diesem Traum aus, yes, game over. Irgendjemand soll mich aufwecken, sofort. Das ist alles nur ein Hirngespinst meiner schizophrenen Gedanken, die mir dieser Traum vorspielt, oder mein Unterbewusstsein will mich auf eine alternativlose Probe stellen mit einem unter mir tosenden Monster aus Wasser und einer vor mir unüberwindbaren Mauer. Im Moment bin ich nicht mehr als ein erbärmliches willenloses Stück Treibholz, angespült auf einem Streifen Festland, das weder zurück ins Wasser kann noch über die Mauer fliegen gelernt hat.

      Ich muss mich erst ausrasten, auch wenn es nur im Traum ist. Wo soll ich hin? Ich bin orientierungslos, aber da ist ein Trampelpfad an der Mauer entlang. Ich muss zum Ende dieser Mauer kommen, egal in welcher Richtung. Dann muss es zwangsläufig ein Ende oder einen Durchlass geben. Ich werde rechts gehen, rechts ist gut, alright, wenn ich Kraft habe und diese kotzige Übelkeit nachlässt. Vielleicht habe ich auch sagenhaftes Glück und bin am Ende des Albtraumes angekommen, bevor ich mich weiter träumend auf diesem miserabel anmutenden und völlig überwuchertem Pfad vorwärtsquäle.

      Der Schlaf kann dein Freund sein, wenn er dich erholsam dahin-schlummern lässt und den täglichen Gedankenmüll unter einem unsichtbaren Berg von anregenden Phantasien vergräbt. In diesem Moment ist er nicht mein Freund. Im Gegenteil, er versucht mich zu unterwerfen, er füttert mich mit morbiden Gedanken, die sich im Labyrinth meiner Wahrnehmung ausbreiten wie ein hochansteckendes Virus. Ich hab im Traum schon gelacht und geweint, dass mein Kopfkissen nass war. Ich hab geschrien und ich hatte einen Orgasmus, der sich so absolut live anfühlte. Doch nie hatte ich im Traum so derartig intensive Schmerzen, die der Realität so nahe waren wie das jetzt. Es sind nicht nur die Magenkrämpfe und die penetrante Übelkeit. Mir ist heiß, und gleichzeitig sind meine Hände eiskalt, sie zittern. Meine Beine, sie schmerzen und doch sehen sie unversehrt aus. Was ist das? Ich fühl mich, als ob ich in eine Art Zwischenwelt geraten wäre. Ich träume und schlafe doch nicht, oder ich wache einfach nicht auf. Ist es ein Schockzustand? Was ist, wenn das alles kein Traum ist, wenn das alles was ich gerade wahrnehmen kann Realität ist? Wer bin ich dann, warum bin ich hier und wie bin ich überhaupt hierher gekommen? Ich hab keine Antwort darauf, no.

      Ich seh mich selbst so dasitzen, fragend und philosophierend aber antriebslos und von gemeinen Schmerzen geplagt. Die Sonne steht jetzt ziemlich senkrecht over me. Sie scheint mich anzugrinsen, auszulachen, bloody Bastard. Ich werd versuchen mich aufzurappeln, muss mich zusammenreißen, fuck. Irgendwie schein ich auf die Füße zu kommen, okay. Dann also rechts entlang, soweit die Füße mich tragen. Langsam, aber es geht. Schritt für Schritt, muss ja keinen Wettlauf machen. Ich denke einfach nicht mehr nach, ich lass es geschehen. Es sieht alles so gleichartig eintönig aus. Nach einer Biegung kommt die nächste. Dazwischen Gestrüpp, davon flüchtende Krabben, Steinbrocken, die vermutlich im Lauf der Jahre aus dem Mauerwerk herausgefallen sind, dann wieder ein Stück Pfad und seitlich ein teuflisch herrlicher smaragdgrüner Ozean, der seinen Strand mit messerscharfen Korallensteinen vermint hat. Wenngleich sich ein anmutender Blick auf diese tosende Gewässer auftut, so ist es doch alles andere als ein Spaziergang. Diese Mauer scheint kein Ende nehmen zu wollen. Sie grenzt mich aus wie einen Aussät-zigen, sie zwingt mich diesen Weg weiterzulaufen ohne dass ich weiß wohin er überhaupt führen soll.

      Ein Spiel, es ist ein verdammtes Spiel, und ich bin der Hamster der in irgendein Türchen laufen soll am Ende dieser widrigen Show. Es dämmert in meinem Oberstübchen. Okay meine Konstitution ist really bescheiden, I know. Das ist eine dieser Nummern, wo sie dir einen strammen Cocktail mit einem k.o.-Hammer verpassen und dich anschließend in eine Reality-Show schicken, bei der sich vermutlich ein Millionen-Publikum vor dem Fernsehschirm für jedes Missgeschick die Hände reibt und auf die Schenkel klopft. Und meine Wenigkeit hechelt wie ein streunender Hund ohne Nahrung einer vermeintlichen Spur nach, um endlich an den Knochen zu kommen, der „Ziel erreicht“ heißt. Wie bin ich da nur hineingeraten, ich hab nicht die geringste Vorstellung. Dieser Cocktail ist es, der mich fertig gemacht hat. Klar, die Übelkeit, der Kater, der Schwindel. Das sind alles die Nachwirkungen eines special heavy Drinks. „Haaaaallo, haaaaallo, es ist gelaufen, ich gebe mich geschlagen, ich geb auf, damned. Holt mich hier raus. Haaaallo. Wo seid ihr, wie heißt das Stichwort Leute? Seht ihr, ich gebe auf, yes. Ich erkläre mich hier und jetzt geschlagen, es ist over.“ Warum tut sich nichts? „Hallo, hallo, game over! Habt ihr gehört, habt ihr mich verstanden, game over and out, es ist gelaufen Leute!“ Sie scheinen mich nicht zu hören, oder sie wollen mich nicht hören? Sie wollen es spannend machen, sie wollen Action, noch mehr Action. Okay, das können sie gerne haben. Ich werfe Steine über diese Kulissenmauer, sind ja genügend da. Mal sehen, ob ich jemanden auf sein versnobtes feines eingebildetes Näschen treffe. Yes, das macht mal Spaß. Es ist der kleine unartige Junge in mir, der diese eingebildete hinter-den-Kulissen-Gesellschaft auf der anderen Seite dieser gruseligen Mauer mit von Vogelex-krementen vollgekackten Muschelkalksteinen beballert. „Hey noch einer, und der ist für den Showmaster, und der für die Jury, und dieser für den Herrn Programmdirektor….und noch ein paar für die Einschaltquoten-Heinis. Was ist, niemand getroffen? Alle verpasst, oder hockt ihr alle zu Hause vor der Fernsehkiste in sicherem Abstand?“ Keine Fanfare, keine Lautsprecheransage, kein Applaus, nicht einmal Buhrufe…Verflucht, was muss ich denn noch tun, damit mich endlich jemand hier rausholt? Es ist meine bedingungslose Kapitulation, sure.

      Die Sonne am Himmel ist bereits ein Stück weiter gewandert, mein Zeitgefühl ist out of order. Welcher Tag ist heute? Phantasiere ich, ist das alles eine Halluzination? Ich kann das nicht differenzieren. Mein Kopf ist leer, nur das krasse Summen der Hummeln begleitet mich auf Schritt und Tritt. Der Schweinehund in mir möchte einfach auf der Stelle verharren, aber sein Feind setzt sich wieder in Bewegung und stapft gedankenlos dem Weg der Sonne folgend dahin. Längst habe ich die folternden Schmerzen als unabwendbaren Bestandteil meiner menschlichen Hülle hingenommen. Einzig überraschen mich meine schuhlosen nackten Fußsohlen, die dem teilweise steinigen Weg nahezu schmerzfrei trotzen. War mein Blick zuerst auf den majestätisch weiten Ozean gefallen, suchen meine Augen nun diese Mauer vergeblich nach Möglichkeiten ab sie zu überwinden oder eine Schwachstelle ausfindig zu machen. Mein Hoffnung dagegen, Teil einer Live-Show zu sein, ist kümmerlich klein geworden, ebenso wie noch daran glauben zu wollen, plötzlich aus einem vermeintlichen Traum zu erwachen.

      Die Sonne wandert weiter vor mir her, immer tiefer fallend dem Meeresspiegel entgegen. Auch diese strutzige Mauer scheint mich feindlich begleiten zu wollen. Was wird sich hinter diesem mächtigen Bollwerk wohl verbergen? Möglicherweise macht es sogar Sinn, dass mir der Zutritt verwehrt bleibt. Und doch fühl ich mich hier am Fuße des Bauwerks dem unvermeidbaren Verderben ausgesetzt. Aber wie weit soll ich diesem Mammut-Bauwerk noch folgen? Zumindest fällt mir auf, dass die Sträucher allmählich zu Bäumchen werden und die Steine, die den Zutritt zum offenen Meer verwehren, an Größe und Mächtigkeit zunehmen. Auch beginnt der Pfad nun etwas anzusteigen, leider auch diese alles überragende Steinwand. Wer mag sie wohl erbaut haben, und zu welchem Zweck? Ich mag es nicht erahnen. Da vorne, was ist das? Noch zu weit entfernt, aber ich kann keine Mauer mehr erkennen. Ist dort endlich das ersehnte Ende? Ich will es hoffen, nur so kann ich Energie aufbringen um nicht einfach stehenzubleiben. Let`s go, ich will es wissen, come on. Die Hoffnung ist ein unheimlich stark wirkendes Dopingmittel, es verleiht Kräfte, die einem unmöglich erscheinen. Aus den Bäumchen sind jetzt kräftige Bäume geworden, die sich geschmeidig im Westwind biegen, der vom Meer her zunimmt. Es geht weiter immer leicht bergan, die Felsen unterhalb des Pfades haben sich in steil abfallende Klippen verwandelt. Mein Blick ist stur nach vorne gerichtet auf diesen Punkt, an dem die Mauer mit dem Fels verschmilzt, der sich steil vom Meer heraufzieht, senkrecht abfallend. Ich ahne es fast schon, was mich