Gert Podszun

Bauchweh und Wetter


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Nächte, proklamiert die Rettung der obdachlosen Fixer, provoziert weitere Zuwanderungen von Arbeit- und Hilfe-Suchenden und pumpt sich Kapital für die nächste Legislaturperiode.

      Stille wohnt in der Stadt. Sie sitzt in der Haut des alten Mannes. Dessen Zorn sitzt hinter einer dieser vielen Hausmauern. Er hat seine Augen auf das Fensterkreuz vor sich fixiert. Er lebt seit seiner Geburt in dieser Stadt. Wurde hier gesäugt. Hat gespielt, gelernt, gearbeitet, gezeugt und ist nun alleine und gekreuzigt an einen Stuhl. Das Grau der Straßen und Häuser, der Gardinen vor dem Fensterkreuz nagen an dem Mann. Seine Stimme ist in den Lärmnebeln entwichen. Seine Augen verlieren sich in dem blühenden Grau. Er hört Stimmen in den Träumen, die Tage und Nächte begleiten. Die Zeit der Antworten ist erstickt. Die Hände greifen lahm nach Nahrung. Und die Haut atmet einen matten schleifenden Geruch aus. Der Zorn will diese Zeit nicht, die man nicht haben kann. Vielmehr besetzt die Zeit Hoffnung und Zorn. Setzt einen da oben in das graue Zimmer mit dem grauen Ausblick.

      Laut kreischen die Farben der kurzberockten Tänzerinnen über die breite Straße. Lippenstiftrote Lackröcke, leichte Lässigkeit tanzt in die Zeit der Stadt. Ein Wimpernschlag aus Glück fährt durch den Leib des jungen Weibes und fällt zwischen torkelnden Plastikfetzen in die Abflussrinne neben dem Trottoir.

      Es kreißt und modert, lockt und vertreibt, leuchtet und blendet in der Stadt. Aus den Flugzeugen, Bahnen, U-Bahn-Schächten und der Kanalisation, von den Türmen der Gotteshäuser fallen Nachrichten in die Straßenschluchten auf die Treibenden und Getriebenen. Mehr steht da, noch mehr. Und nicht immer genau hinsehen. Lieber auf die Karte des Restaurants. Diese halte ich in der Hand und entscheide mich für ein letztes Glas Rotwein.

      Ich werde zum Hotel gehen und den grauen Bettler und seine Bündel nicht beachten. Die Stadt hat irgendwo ein Bett für ihn.

      Ich denke an das Ziel von morgen.

      Die kurzen Träume ähneln einem Abreißkalender. Aus den hohen Hallen der Fabrik dröhnen die Maschinen nach Aufträgen, die Bildschirme der Computer zeigen Handlungsbedarf, die Heckleuchten der Fahrzeuge auf der nächtlichen Autobahn bilden eine Nabelschnur von einer Stadt zur nächsten, die Zufahrtstraße wölbt sich auf, bildet bald eine Röhre, über mir die Bürgersteige. Die Lichter der Häuser fallen unter mich. Das Gesicht eines wichtigen Kunden schwebt vor mir wie ein Luftballon und verbindet sich mit dem dunkler werdenden Grün der Alleebäume. Blitze zischen aus den Zweigen und erleuchten knallrote Münder am Straßenrand. Riesige Müllautos schlucken den Straßenzug und ich fliege mit in ein abstürzendes Dunkel.

      Zum Frühstück nehme ich die Akte des Kunden aus Rostock mit und blättere sie neben dem Kaffee durch. Die Träume habe ich weg geschoben und konzentriere mich auf meine Aufgabe. Planmäßig starte ich den Leihwagen in der Tiefgarage. Schnell werde ich in ihm ein Teil dieser Blechschlange, die sich durch die Strassen von Berlin zieht. Ich folge dem Plan des Navigators wie immer. Sicher finde ich die richtige Autobahnauffahrt. Nach etwa zwanzig Minuten sehe ich schon das Hinweisschild zur Autobahn nach Rostock.

      Ich habe mich richtig eingeordnet, kurz mit der Firma telefoniert, damit man weiß, dass alles plangemäß läuft. Wenn es keine besonders großen Unfälle auf der Strecke geben wird, werde ich pünktlich beim Kunden sein.

      Vor mir öffnet sich ein Tunnel auf dem Autobahnzubringer. Mit Richtgeschwindigkeit fahre ich hinein.

      Es fährt mich. Nie und nimmer könnte ich aussteigen. Die beplankte Straße lenkt mich. Ich bin in einer Kette, gezogen, kenne deren Anfang nicht. Eine Autokette, von der ein Glied schon in Rostock ist und ein anderes aus den Räderwerken Berlins hinausgleitet. Oder geschoben wird. Oder ausgestoßen, weil das Gesicht von gestern am neuen Tag nicht mehr gebraucht wird. Es gibt genug Gesichter. Bis auf die auf den Litfasssäulen, den Leinwänden, den Reklametafeln, den großen Bühnen, in den Stadien. Die werden digitalisiert und gezoomt und gedruckt und gesendet. Bis sie von der einen Stadt in die nächste gespuckt werden und irgendwann nicht mehr nach ihnen gefragt wird.

      Ob das Hütchen sich an mich erinnern wird?

      Morgen werde ich den Leihwagen zurückgeben.

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