Michael Stuhr

MICHAEL STUHRS FANTASY-DOPPELBAND


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ihnen überhaupt nicht auf.

      Als die beiden sich müde geredet hatten und erschöpft und schläfrig auf ihren Bänken saßen, bemerkte Tees eine Bewegung im Eingang. "Tana?", fragte er erstaunt, als er die junge Frau erkannte, die zögernd eintrat. "Was tust du hier im Brennerfelsen? Warum bist du nicht bei der Arbeit?"

      "Wir - wir wollen mit euch reden." Tana trat unsicher in den Lichtschein. Nun war hinter ihr eine weitere Gestalt zu erkennen. "Gerit!", stellte Raban mit schwerer Zunge fest.

      Gerit, ein unscheinbarer Mann aus der Zunft der Brenner, trat neben Tana und grüßte höflich.

      "Dürfen wir uns zu euch setzen?" Die Besucher waren an den Tisch getreten.

      "Setzt euch nur", forderte Raban, der Hausherr, die beiden leutselig auf. "Nehmt euch Wein."

      "Genau!", pflichtete Tees ihm bei und griff selbst nach dem Krug. Auch Gerit schenkte sich ein und trank mit durstigen Zügen.

      "Wir wollten euch einen Vorschlag machen." Abwesend nahm sich auch Tana einen Becher und goß sich etwas ein. "Es geht um die neuen Techniken der Tiganer." Sie zeigte mit der freien Hand auf die im Raum herumstehenden Musterstücke, die im Feuerschein des Brennofens vielfarbig glänzten.

      "Ach!" Tees winkte ab. "Was wollt ihr da bereden? Wir haben alles versucht und nichts erreicht. Es liegt am Material."

      "Genau." brummelte Raban. "Die Tiganer haben besseren Ton."

      "Genau." Tees nickte trübsinnig. "Besseren Ton haben sie. - Wenn nur Geron da wäre. Ein guter Zauber über unseren Ton gesprochen ..."

      "Genau!" Raban war ganz der Meinung seines Kollegen. Dann verfielen beide Zunftmeister wieder in dumpfes Schweigen.

      "Jetzt hört uns doch wenigstens an." Tana war es offensichtlich leid, sich das wehleidige Gestammel der beiden Betrunkenen anzuhören. "Bis Geron zurückkommt können Jahre vergehen. Er ist ein alter Mann. Wer weiß, ob das verbotene Haus jemals wieder bewohnt sein wird? - Wir haben eine bessere Lösung für unser Problem."

      "Genau!", stimmte ihr Gerit mit dem Weinbecher in der Hand zu und fing sich sofort einen heftigen Rippenstoß ein.

      "Gerit und ich haben einen Plan, wie wir den Geheimnissen der Tiganer auf die Spur kommen können."

      Gerit holte Luft, um Tanas Worte zu bestätigen, sagte dann aber doch nichts. Kopfschüttelnd nahm er noch ein wenig Wein.

      Da keiner der Obleute reagierte, fuhr Tana in ihren Ausführungen fort: Gerit und ich haben die Absicht, nach Tigan zu reisen und dort zu versuchen, die Arbeitsweise der Tiganer auszuforschen. Man wird uns in die Stadt lassen, soviel haben wir bereits erfahren können. - Die Former und Brenner arbeiten alle außerhalb der Stadtmauern.

      Wir werden uns als Kaufmannsfamilie ausgeben, die auf der Durchreise ist. Einen Kapitän, der unser Spiel mitspielt, hat Gerit auch schon gefunden. Es ist ein Löwenbootmann, der schon oft in Tigan vor Anker lag. Er wird einen Schaden vortäuschen und wenigstens fünfzehn Tage im Hafen bleiben. In dieser Zeit können wir uns in aller Ruhe umsehen. In vierzig Tagen sollen wir ihn in der Kaiserstadt treffen." Erschöpft hielt Tana inne und sah ihren Gefährten hilfesuchend an.

      Gerit schwieg verlegen. Es war ihm deutlich anzumerken, dass ihm die Sache doch nicht ganz geheuer war. Lieber nahm er noch einen großen Schluck aus seinem Becher.

      "Und was haben wir damit zu tun?" Raban wirkte verärgert. "Meint ihr, wir hätten nicht selbst schon lange ..."

      "Euch gehört das Geheimnis der farbigen Glasuren. Bezahlt uns die Passage und wir werden versuchen ..."

      "Aha!" Raban richtete sich auf seinem Platz auf. "Geld wollt ihr! Das habe ich mir doch gleich gedacht. - Und was ist, wenn ihr mit leeren Händen zurückkehrt?"

      "Genau! Pläne machen ist billig - bezahlen ist teuer!", flocht Tees schnell ein thedranisches Sprichwort ein.

      "Nein! Daraus wird nichts! Für solch unsichere Pläne geben die Zünfte kein Geld. Die Tiganer werden euch erkennen und gefangennehmen, und es wird so enden, dass sie euch die thedranischen Geheimnisse abpressen. Geht jetzt wieder an eure Arbeit und mischt euch nicht in unsere Belange."

      "Genau", brabbelte Tees, wobei er den Kopf leicht anhob, der vor seiner Brust baumelte.

      "Wir werden fahren!" Tana war aufgestanden und sprach laut und schnell. Wir werden auf eigene Kosten reisen. Gerit und ich werden das Rätsel um die bunten Glasuren lösen! Haltet eure Kassen gefüllt, Zunftmeister - denn bei unserer Rückkehr gibt es unser Wissen nicht umsonst!"

      Wieder hob Tees seinen Kopf an und schielte von unten in Tanas Richtung. "Ihr seid den Zünften verantwortlich, ihr könnt nicht nach Belieben reisen."

      Raban stand mühsam auf. "Genau!"

      "Ihr habt es nicht anders gewollt! - Ich sage mich los von Zunft und Stadt!", sprach Tana die Formel und war damit ab sofort nicht mehr den Weisungen ihres Obmanns unterworfen.

      "Isch ssage misch los von Ssunft und Sdatt! Genau!" - Breitbeinig hatte Gerit sich neben Tana aufgebaut. Auch er war nun frei in all seinen Entscheidungen.

      "In zwei Tagen mit der Abendflut werden wir zur Kaiserstadt aufbrechen", gab Tana bekannt. "Mögen die Götter euch beschützen. - Und Weisheit verleihen", konnte sie sich eine kleine Ergänzung nicht verkneifen.

      Erstaunt sahen die Obleute den beiden nach, wie sie ohne weiteren Gruß in den Gang hinaustraten.

      "Feiner Kerl, dieser Gerit", stellte Tees fest. "Guter Plan."

      "Genau!" Raban war völlig seiner Meinung. - Mutig! - Sehr mutig! - Aber diese Frau - unmöglich!"

      "Genau!", bekräftigte Tees und goß die Becher noch einmal voll.

      Seit Tagen schon saß Teri neben ihrem gepackten Bündel und wartete darauf, dass es endlich losging. Von Anfang an hatte ihre Stiefmutter sie in alle ihre Pläne eingeweiht, und es war selbstverständlich, dass die zehnjährige Teri sie und Gerit auf der Reise begleiten würde.

      "Die Zunftmeister sind ein Haufen trunkener Narren!" Wütend kam Tana in die Höhle gestürmt und setzte sich steif auf ihr Lager. "Kein Geld für unsere Reise. Und keine Genehmigung! Das ist un-glaub-lich!"

      Gerit war im Eingang stehengeblieben und machte beruhigende Zeichen zu Teri hinüber, die bei den ersten Worten Tanas erschreckt aufgesprungen war.

      Tana deutete seine Gesten falsch. "Du warst mir auch keine große Hilfe!", ging sie auf ihren Gefährten los. "Einfach dasitzen und kein Wort sagen. Haben wir dafür nächtelang zusammengesessen und an unserem Plan gearbeitet, nur damit du dich von zwei Trunkenbolden mundtot machen läßt?"

      Langsam, mit tapsigen Schritten ging Gerit auf Tana zu. "Wir werden fahren!", sagte er mit fester Stimme und legte Tana eine Hand auf die Schulter.

      "Ach, lass mich doch in Ruhe", forderte Tana ihn leise auf, wobei sie ihn neben sich auf ihre Liege zog. Ein paar Augenblicke lang saßen die beiden dort stumm nebeneinander, dann fing Tana leise an zu lachen. "Hast du gesehen? Tees wäre fast vom Stuhl gekippt."

      Jetzt mußte auch Gerit lächeln. "Und Raban konnte kaum noch stehen."

      "Ge-nau!", bestätigte Tana, und plötzlich entlud sich ihre ganze Anspannung in brüllendem Gelächter.

      Teri saß auf ihrem Bett und sah dem Treiben verständnislos zu. Erst stritten sich die Erwachsenen und dann lachten sie zusammen. Wußten sie eigentlich selbst, was sie taten?

      "Wir werden fahren", hatte Gerit gesagt. Teri konnte nur hoffen, dass das auch stimmte. Höflich wartete sie ab, bis die Erwachsenen sich ausgealbert hatten, dann fragte sie Tana: "Wir fahren doch wirklich nach Tigan, oder?"

      "Ja, Teri!" Tana konnte sich kaum beruhigen. Aber dann nahm sie sich zusammen. "Ja, Teri, wir werden auf die Reise gehen. - Auf eine große Reise. Ganz auf die andere Seite des Kontinents."

      Gerit saß neben Tana und nickte ernst. "Wir werden bis zur Abreise in das Fremdenhaus ziehen müssen", stellte er fest. "Eine Lossagung von Zunft