Gerstäcker Friedrich

In Mexiko Bd. 1


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hart, und nicht wie ein Soldat, nein, fast wie selber ein Fürst durchschritt er den Saal, die ihm schuldigen Huldigungen entgegennehmend.

      Bazaine war in der That in Mexiko weit mehr gefürchtet als geliebt, denn wenn ihn auch die Partei herbeigesehnt, ja selber mit allen Kräften theils offen, theils heimlich unterstützt haben mochte, so kannte und haßte man in ihm doch den Fremden, der hier überhaupt viel mehr Macht gewonnen oder sich angemaßt, als man je für möglich gehalten oder vorausgesehen hatte. Bazaine spielte gewissermaßen hier den Teufel, den der Zauberlehrling gerufen und nun nicht wieder bannen konnte. Und trotzdem brauchte man ihn, denn Juarez war weder todt, noch wirklich außer Landes getrieben, und die Mexikaner, während sich ihr Stolz gegen den Druck sträubte, fühlten doch, daß sie ihn noch nicht entbehren konnten. So erhofften sie denn allein durch ein selbstständiges Kaiserthum, in dem aber nur Jeder seine eigenen Wünsche verwirklicht sah, einen doppelten Schutz; einestheils gegen das Schreckbild der Liberalen, und andererseits selbst gegen den Mann, der ihnen für jetzt doch wenigstens diese in weiter Ferne hielt.

      In Miramon's Haus waren heute fast alle Repräsentanten jener beiden mächtigen Parteien vertreten, die den Liberalen entgegenstanden und deshalb vereint einen Kaiser herbeigerufen, wenn sie auch beide sehr verschiedene Interessen verfolgten: die Aristokratie oder, besser gesagt, die /10/ Conservativen, und die Geistlichkeit. Viele der Aristokratie gehörten aber auch der letzteren an, während es die Conservativen, obgleich sie die Herrschaft der Liberalen nicht dulden wollten, doch nicht ungern gesehen hätten, daß Juarez, der rücksichtslose indianische Advocat, die Macht der stets intriguirenden Priester gebrochen. Natürlich erwarteten sie aber auch von einem Kaiserreich, daß die Gewalt in ihren Händen bleibe, denn ihrer ganzen gesellschaftlichen Stellung und ihrem Reichthum nach gebührte sie ihnen. Daß sich der Kaiser den Liberalen zuwenden könne, ließ sich natürlich nicht denken.

      Die Geistlichkeit dagegen glaubte vollständig sicher zu sein, daß der neue Kaiser, der Prinz eines streng katholischen Reiches, das selber eins der für die Kirche günstigsten Concordate mit Rom abgeschlossen, auch hier den Gewaltmaßregeln gegen die Religion und ihre Priester entschieden entgegentreten würde. Er mußte deshalb dem Zustand, den die Franzosen allerdings nicht geschaffen, aber doch geduldet, ein Ende machen, er mußte mit ihnen gehen, und das konnte nur durch den Widerruf jenes Decrets geschehen, das der Kirche ihre Güter nahm und in profane Hände übertrug - es war das ja doch überhaupt Gotteslästerung.

      Miramon, früher selber einmal Präsident des Staates, gehörte seiner Stellung nach allerdings den Conservativen an, stand aber im Herzen doch auf Seiten der Geistlichkeit - im Herzen? - vielleicht glaubte er auch seine eigenen Interessen am besten bei denselben vertreten, denn er kannte sein Vaterland zu gut, um nicht zu wissen, daß es nur zwei Wege gab, um darüber zu herrschen: entweder mit den Liberalen - d. h. mit dem Volke - oder mit der Geistlichkeit. - Ein Bündniß mit den ersteren widerstrebte aber seiner aristokratischen Natur, und es blieb ihm deshalb nichts übrig, als es - vorläufig wenigstens - mit den Priestern zu halten.

      Spaltungen herrschten übrigens unter allen Parteien, und wie die Liberalen den Conservativen und der Geistlichkeit entgegenstanden, und die beiden letzteren nur auf eine Gelegenheit warteten, um einander wieder in die Haare zu gerathen, so waren sich der französische General Bazaine und der Erzbischof Labastida eben so feindlich gesinnt. Bazaine hatte /11/ allerdings manche von Juarez gegebene und für die Geistlichkeit drückende Gesetze aufgehoben; so unter anderen das Verbot, daß die Geistlichkeit nicht in ihrem Ornat auf der Straße erscheinen dürfe, wie er ebenso die öffentlichen Processionen wieder gestattete; aber trotzdem sah er sich doch nicht im Stande, Alles zu thun, was man von ihm, als Vertreter des „allerchristlichsten" Kaisers, verlangte. Er konnte und wollte nämlich den Verkauf der Kirchengüter, von denen sich die meisten schon in fremden Händen befanden, nicht wieder rückgängig machen; und als sich Labastida, der Erzbischof, in dem Gefühl seiner Unfehl- und Unantastbarkeit so weit vergaß, die französischen Soldaten einiger Uebergriffe wegen zu excommuniciren, zeigte ihm General Bazaine bald, wer eigentlich Herr im Lande sei. Er befand sich allerdings gerade im Norden des Reiches, um die Armee der noch bestehenden Liberalen aufzureiben und zu vernichten, kehrte aber augenblicklich nach der Hauptstadt zurück und zwang dort ohne Weiteres den rebellischen Erzbischof, den eben noch von ihm excommunicirten französischen Soldaten eigenhändig und auf offenem Platze vor der Kathedrale den verweigerten Segen zu ertheilen.

      Welchen Grimm der Geistliche dafür im Herzen gegen den allmächtigen General trug, läßt sich denken, aber was schadet das in einer großen Gesellschaft unter gebildeten Leuten! Als sich Labastida umwandte, um mit anderen Freunden zu verkehren, traf es sich, daß ihn Bazaine gerade passiren wollte. Beide Herren konnten einander nicht mehr ausweichen, ohne auffällig zu werden, und daran war allen beiden in der jetzigen Zeit, wo man einer Entscheidung fast täglich entgegensah, nichts gelegen. Außerdem durfte selbst Bazaine dem Erzbischof nicht schroff entgegentreten, denn der schlaue Priester hatte sich an die rechte Quelle gewandt. Die Kaiserin Eugenie - die Beschützerin aller Pfaffen - war auch die seine geworden, und die letzten Briefe, die der General aus Paris erhielt, versäumten nicht, ihm die höchste Rücksicht für das „Haupt der Kirche in Meriko" aufzuerlegen.

      Und Labastida? Es gab vielleicht keinen Menschen auf der Welt - den Indianer Juarez ausgenommen - den der Erzbischof aufrichtiger und ehrlicher haßte, als den französischen /12/

      General Bazaine, aber Niemand würde in diesem Augenblick auch nur die Spur eines solchen Gefühls in seinen Zügen gelesen haben. Mit einem freundlich milden Lächeln wandte er sich gegen den Franzosen, und ihm die Hand zustreckend, sagte er:

      „Nun, General, keine Neuigkeiten von unserem Freunde in Monterey oder da oben irgendwo im Norden?"

      „Von Juarez?" lachte der General, die gebotene Hand nehmend, „es wird lange dauern, ehe wir von ihm wieder etwas erfahren, denn wir haben ihn das letzte Mal gründlich auf den Trab gebracht. Ich glaube kaum, daß seine jetzige Armee viel stärker ist, als unsere Gesellschaft heut Abend."

      „Unser Freund Miramon hat Geschmack," nickte der Erzbischof, „aber was ich Sie fragen wollte, ist keine Depesche von Vera-Cruz eingetroffen?"

      „Von Vera-Cruz? nein, außer daß vor wenigen Tagen ein heftiger Norder dort geweht und einige unserer Schiffe gefährdet hat."

      „Also vom „Kaiser" noch keine Nachricht?"

      „Kein Wort; aber ich glaube, daß wir ihn jeden Tag erwarten dürfen."

      Der Erzbischof neigte sein Haupt, bis sein Kinn die Brust berührte, und schritt dann zu der andern Seite des Saales hinüber, wo er Miramon selber mit General Marquez und einem der höheren Geistlichen im Gespräch bemerkte.

      Marquez war einer der erbittertsten Gegner der Liberalen, aber weniger des Systems, als der gerade am Ruder befindlichen Personen. Selber nur aus einer unbemittelten und niedrigen Familie entsprossen, hatte er sich, mehr durch sein rücksichtsloses Vorgehen auf ein bestimmtes Ziel, als durch besondere Bildung oder andere Fähigkeiten, einen Namen in der mexikanischen Geschichte gemacht. Welche Mittel er dabei gebrauchte, um seinen Zweck zu erreichen, war ihm völlig gleich, und er begrüßte deshalb den Einmarsch der Franzosen, die ihm halfen, den Indianer Juarez aus dem Felde zu schlagen, mit derselben Freude und Bereitwilligkeit, wie er /13/ sich den Nordamerikanern oder irgend einem andern Volksstamme zur Unterdrückung des Landes würde angeboten haben, sobald er dadurch für sich selber etwas zu erreichen hoffte. Vaterland? den Begriff kannte er nicht, und in seiner eigenen Heimath war er der gefürchtetste der Bandenführer. Ja die Mexikaner hatten damals, als Forey4 gegen die Hauptstadt anrückte, und Marquez ihm mit seinen Schwärmen vorauseilen wollte - selber den französischen Befehlshaber gebeten, die Hauptstadt zuerst von Franzosen besetzen zu lassen. Es waren das allerdings nur Fremde, aber die Bewohner von Mexiko wollten sich doch lieber diesen, als ihrem eigenen Landsmann Marquez anvertrauen.

      Uebrigens gehörte er, ebenso wie Miramon, der Partei der Geistlichkeit an, war aber trotzdem bis jetzt den Franzosen eine treue Stütze gewesen und hatte sich auch bei vielen Angriffen so tollkühn der Gefahr ausgesetzt, daß er für einen der tapfersten, wie auch begabtesten Generale galt, - so weit sich eben das Wort Begabung auf diese Kriege anwenden ließ. Sein großer Vorzug bestand darin, daß er eine außerordentliche Terrainkenntniß