Peter Urban

Adler und Leopard Teil 3


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der Ärztestab und Pater Robertson mit seinen Spionen zu ihrer Lagebesprechung in Wellesleys Quartier ein. Mackenzie erhielt den Befehl, bereits bei Tagesanbruch nach Lissabon zu marschieren. Das restliche Expeditionskorps würde gleichzeitig aus Leyria und Alcobaço an der Küstenstraße entlang bis Coimbra ziehen. Nur Rowland Hill und sein Adjutant Lord March brachen bereits in der Nacht zurück nach Figuera de la Foz auf, um bei Tagesanbruch mit der Anlandung von Hills Division zu beginnen. Jack Robertson schickte seine Agenten los, um vor Oporto für Wellesley Informationen über Soults wirkliche Truppenstärke und die französischen, militärischen Dispositionen zu sammeln. Kurz vor Mitternacht löste Arthur die Besprechung auf und schickte alle schlafen. Dann zog er die Jacke aus, holte sich eine Tasse heißen Kaffees in der Küche, setzte sich in den bequemsten Sessel des Zimmers und legte die Beine auf den Tisch. Robertsons Worte vom Nachmittag gingen ihm durch den Kopf. Er wusste, dass Jack Recht hatte. Er war verbittert und enttäuscht, er war in seinem Stolz gekränkt und er ließ sich in diesem Augenblick zu sehr von seinem Hass auf das Establishment in den Horse Guards und den Herzog von York leiten. Wenn es ihm nicht gelang, seine Gefühle wieder unter Kontrolle zu bringen, dann würde er im Kampf gegen die Franzosen versagen. Der General atmete tief durch und schloss die Augen. So konnte er sich die Gegend um Oporto besser vorstellen. Vor seinem inneren Auge konnte er die Truppen des französischen Marschalls bereits sehen. Und er sah die Stellungen seiner Männer. Im Jahre 1808 hatte er sich alles genau eingeprägt. Die Hügel würden ihnen Schutz bieten. Soult erwartete wahrscheinlich einen britischen Vorstoß durch die Ebene von Tras dos Montes, nachdem sie den Agueda überquert hatten. So würde ein französischer Kommandeur handeln. Wenn man wenige Zugtiere hatte, war es einfacher durch eine Ebene zu marschieren, anstatt schweren Geschütze über eine Bergkette zu transportieren. Arthur vertraute darauf, dass die Franzosen ihn trotz Rolica und Vimeiro nur schwer einschätzen konnten. Er hatte nur zwei Mal auf einem europäischen Kriegsschauplatz gedient; einmal während des unglücklichen Flandernfeldzugs 1794, wo er als unbedeutender Offizier niemandem aufgefallen war, das andere Mal während der Dänemark-Expedition. Dieser Faktor, für seinen Gegner immer noch ein Unbekannter zu sein, spielte ihm hier und heute in die Hand. Er würde gemeinsam mit Hill einen Teil des Feldheeres an der Küste entlang, über Aveiro, und Oliveira führen und dort über den Douro setzen. Beresford sollte durch die Ebene von Beira bis zum Douro-Tal marschieren, ihnen den Rücken frei halten und gleichzeitig Soults Kommunikationslinien mit Victor unterbrechen. Sobald sie Oporto genommen hatten, würden sie was noch von Soults Truppen übrig war über Braga, Amarante und Villa Real nach Spanien vertreiben. Arthurs nächstes Ziel lag im Osten, jenseits der Grenze; Mérida. Doch zuerst wollte er sein Feldheer neu organisieren und schlagkräftiger machen. Er träumte vor sich hin und hatte nicht bemerkt, dass jemand ins Zimmer getreten war. Erst als Sarah ihre Arme um Arthurs Schultern legte, öffnete er die Augen. “Ich mache mir Sorgen um Dich.“ Sagte sie ruhig. „Was ist nur in England geschehen, das Dich so bitter gemacht hat. Möchtest Du mir nicht einfach alles erzählen. “ Arthurs Hände schlossen sich um die von Sarah. Er hielt sie fest, doch er drehte sich nicht zu ihr um, als er anfing zu spreche. Seine Stimme hatte einen zynischen, fast bösen Klang. „Es ist nur der verletzte Stolz eines hochmütigen und arroganten Iren, dem es einfach nicht gelingen will, sein Knie zu beugen, wenn es sein muss. Diesmal hätte es mich beinahe das Leben gekostet. Henry Paget hat mich gewarnt, aber ich musste meinen verdammten Dickkopf wieder einmal durchsetzen und schweigen, während alle anderen ihre Hände in Unschuld wuschen.“

      “ Und nun, Arthur.” Der Soldat zuckte nur mit den Schultern. „Nun habe ich gelernt, dass mein Stolz ein gefährlicher Ratgeber ist, Sarah.”

      “ Willst Du jetzt mit den Wölfen in den Horse Guards heulen.”

      “ Nein. Natürlich nicht. Ich bin ein dickköpfiger Ire und kann aus meiner Haut nicht heraus, nur um dem fetten Freddy und seinen Hofschranzen einen Gefallen zu tun. Ich werde mir in Zukunft nur sehr genau überlegen, was London erfährt und was ich für mich behalte. Vielleicht wird ja der Tag kommen, an dem die Fakten dann für mich sprechen. Lasse uns zuerst sehen, ob wir in Oporto mit Soult fertig werden. Der ganze Rest steht in den Sternen. Vielleicht schlagen wir die Franzosen, vielleicht schlagen sie uns. Auf jeden Fall werde ich mich bemühen, Bonaparte hier auf der Iberischen Halbinsel die größtmöglichen Probleme zu bereiten. Und sollte mir dies nicht gelingen...” Arthur nahm die Beine vom Tisch und stand auf. Dann wandte er sich zu Sarah um. Nun endlich gestattete er ihr, in ihn hineinzublicken und in seiner Seele zu lesen. Das Feuer, das früher einmal in seinen graublauen Augen so unbändig gebrannt hatte, war erloschen. Sie sah nur noch eine undurchdringliche, eisige Kälte und Hass. Arthurs Blick ließ sie erschauern, denn er erklärte ihr - ohne Worte - dass sein Leben für ihn selbst jede Bedeutung verloren hatte. Nur einen kurzen Augenblick lang hatte der Schleier sich gehoben. Einige wenige Sekunden hatte er ihr seine dunkle Seite gezeigt. Sarah hatte in diesem Moment begriffen, warum Arthur nie vom Krieg erzählen wollte und sie in den Stunden nach seinen Siegen von Rolica und Vimeiro gemieden hatte. “ Der Tod macht Dir nichts aus, nicht wahr Arthur. Dein eigenes Leben ist Dir schon seit langem völlig gleichgültig.”

      “ Du weißt nun, worauf Du Dich einlässt, Sarah.“ Er nahm sie vorsichtig in seine Arme. „Wenn ich die Franzosen nicht schlagen kann, dann werde ich aus diesem Krieg ganz gewiss nicht zurückkommen.” Resignation lag in seiner Stimme. “Niemand und nichts kann Dich von diesem Entschluss abbringen.” Arthur schüttelte den Kopf und zog Sarah fester an sich.“ Der Herzog von York hat mich während des Kriegsgerichtsverfahrens in London zu sich beordert. Er wollte den Skandal um die Konvention von Cintra schnell und schmerzlos für seine Freunde Dalrymple und Burrard beenden, denn er hatte geplant, Sir Hew wieder zurück nach Portugal zu schicken.” Er atmete schwer. Er hatte niemandem je von diesem Vorfall erzählt und es kostete ihn einige Überwindung. “York legte eine geladene Pistole auf den Tisch und empfahl mir, diesen Weg zu wählen, um England und der Krone Probleme zu ersparen.” Arthur stockte und biss sich auf die Lippen. „Sprich weiter.” Sarah strich ihm beruhigend über die Stirn. „Ich habe diese Pistole nächtelang angestarrt. John Dunn muss irgendetwas gemerkt haben. Als ich...John hatte heimlich die Kugel aus dem Lauf entfernt.” Arthur wendete den Kopf. Vorsichtig schob Sarah sein Haar zur Seite. An der Schläfe sah sie eine vernarbte Brandwunde. “Einen Monat später hat ein Hinterbänkler aus Lord Ponsonbys Unterhausfraktion den Mary-Ann Clarke-Skandal zum Ausbruch gebracht. Drei Tage danach musste der Herzog von York von seinem Posten als Oberkommandierender der Streitkräfte zurücktreten. Die Regierung Portland und Sir David Dundas übten brutalen Druck auf fetten Freddie aus, das Verfahren wegen der Konvention von Cintra sofort einzustellen.” Arthur ließ seinen Kopf auf Sarahs Schulter fallen. Sie spürte, wie der Stoff ihrer Bluse von seinen Tränen feucht wurde. Sie bewegte sich nicht, sondern hielt in nur ganz fest in ihren Armen. Langsam beruhigte sich sein Herzschlag wieder.“ Jetzt ist es endlich heraus“, murmelte die junge Frau beruhigend und wischte ihm mit der Hand die Tränen aus dem Gesicht, “und jetzt lasse uns schlafen gehen.“ Sie zog Arthur mit sanfter Gewalt hinter sich die Treppe hinauf und verschloss die Tür des Zimmers sorgfältig. Dann löschte sie die Kerze und schob ihn auf das Bett. Ihr zierlicher Körper fühlte sich warm und weich an. Sie küssten sich. Es war ein langer, leidenschaftlicher und verzweifelter Kuss, inniger als je zuvor. Eine köstliche Wärme durchflutete ihre Körper, eine Wärme, die den Schmerz der letzten Stunde in Leidenschaft verwandelte und die beiden Sicherheit gab. Arthur zog Sarah enger an sich, fragte sich, wie in einem so zierlichen Körper eine derart konzentrierte Kraft wohnen konnte. Als ihre Lippen sich wieder berührten, wurde sein Denken von einem betäubenden Gefühl des Verlangens weggespült. Die Kleidungsstücke fielen zu Boden. Sie sprachen nie viel miteinander, wenn sie zusammen waren. Doch in dieser Nacht war alles Schweigen. Sarah glitt vorsichtig auf seinen Körper. Sie streichelte seine Schultern, ihre Finger fuhren über seinen Brustkorb, über seinen flachen Bauch, bis sie kurz vor seinen Lenden innehielten. Langsam spreizte sie ihre Knie über seinen Hüften. Die beiden Körper waren nur noch durch ihre weichen Hände auf seinen Lenden miteinander verbunden. Dann senkte sich ihr schlanker, leichter Körper langsam auf ihn hinunter.

      Kapitel 3 Der Krieg im Dunkeln

      Das gesamte Expeditionskorps stand um Coimbra. General Hills Division war ohne Probleme angelandet worden und Wellesley verfügte nunmehr über siebzehntausend britische