Julie Bloom

Die eiskalte Verführung des Dukes


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Stock.

      Als Lucy später neu geordnet und wieder einigermaßen gefasst zurück in den Ballsaal kam, war Alexander nicht mehr da. Enttäuschung machte sich in ihr breit.

      Eine Woche später fand der Ball ihrer Eltern in ihrem eigenen Zuhause statt. Lucy war sehr aufgeregt und wurde wenige Stunden davor von ihrem Vater noch einmal daran erinnert, tunlichst Ausschau nach einem geeigneten Ehemann zu halten. In zwei Monaten würde sie bereits vierundzwanzig Jahre alt werden, und danach bliebe ihr nicht mehr allzu viel Zeit, um ihr Erbe zu sichern.

      Als ihr Vater Lucys Zimmer wieder verlassen hatte, war sie wütend und trommelte mit den Fäusten auf ihr Kissen ein. Ihre Wut verwandelte sich in Verzweiflung und Traurigkeit und Lucy ließ ihren Tränen freien Lauf. So saß sie eine Weile da und schluchzte in ihr Kissen. Was war das für eine Wahl? Entweder ihren Körper und ihre Seele an einen rücksichtslosen Mann zu verschenken oder ein Leben in ärmeren Verhältnissen zu wählen und lediglich die Zofe oder Gesellschafterin von irgendjemandem zu werden. Denn ohne angemessene Mitgift würde sie später sicherlich keinen passablen Ehemann mehr finden können. Und aus Liebe heiraten? Wer heiratete schon aus Liebe? Wer würde sie nur aus Liebe heiraten?

      Erneut vergrub Lucy ihr Gesicht in ihrem Kissen und versuchte, sich zu beruhigen. Als es ihr schließlich gelungen war, stand sie auf und setzte die Vorbereitungen für die heutige Ballnacht fort.

      Nun kam auch ihre Zofe Bella ins Zimmer und begann, sie für den Ball fertigzumachen. Die Zofe wählte ein wunderschönes, aber schlichtes, hellblaues Seidenkleid mit zierlichen weiß-blauen Stickereien an Saum und Mieder für Lucy aus. Sie würde darin himmlisch aussehen und ihre schönen blauen Augen kämen dadurch besonders gut zur Geltung. Lucy ließ es geschehen, ebenso wie eine wunderschöne, prachtvolle Hochsteckfrisur. Dazu trug sie eine zarte Kette mit einem winzigen, glitzernden Diamanten in einer Fassung in Tropfenform. Wie passend - dachte sich Lucy - angesichts ihrer kürzlich vergossenen Tränen.

      Als sie endlich fertig war, machte sie sich etwas widerwillig auf den Weg zum Ballsaal. Doch plötzlich verspürte sie eine unerwartete Vorfreude. Lucy vernahm ein freudiges Kribbeln in ihrem Bauch, wenn sie daran dachte, in Kürze vielleicht Alexander Spencer gegenüber zu stehen. Einerseits fühlte sie zwar ein Gefühl der Glückseligkeit, andererseits bekam sie furchtbare Angst davor, denn es würde auch bedeuten, wieder enttäuscht werden zu können.

      Das gute Gefühl siegte für den Moment, als sie Alexander, den Duke of Kintbury, am Eingang zum Ballsaal stehen sah. Ihr Herz setzte für einen Schlag aus und sie konnte gar nicht mehr denken. Grazil ging sie an ihm vorbei - ohne ihn anzusehen, sich seiner Gegenwart aber sehr intensiv bewusst. Auch er hatte sie bemerkt, denn sie spürte seinen Blick warm und versengend in ihrem Rücken.

      Eine Weile später kam Alexander auf sie zu und bat sie um einen Tanz. Er blickte sie ernst, aber freundlich an. Da Lucy gerade mit ein paar Freundinnen zusammenstand und plauderte, hatte er keine Gelegenheit, ein intimeres, womöglich verräterisches Gespräch mit ihr zu beginnen und ging weiter seiner Wege.

      Sie begegneten sich erst wieder für ihren gemeinsamen Walzer, den sie wortlos zu tanzen begannen. Wie gerne hätte Lucy etwas zu Alexander gesagt. Schön dich wiederzusehen, ich denke viel zu oft an dich. Es tut mir sehr leid, dass ich dich einfach, ohne ein Wort zu sagen, verführt habe. Kannst du mir verzeihen? Magst du mich? Was denkst du?

      Sie konnte aber nichts dergleichen sagen. Also kam ihr gar nichts über die Lippen. Über das Wetter oder die stickige Luft im Ballsaal zu sprechen, erschien ihr ebenso unsinnig.

      Auch Alexander sagte kein Wort. Zweimal versuchte er, Blickkontakt herzustellen, Lucy wich aber aus, um nicht in die Verlegenheit eines klärenden Gesprächs zu geraten. Wie verrückt das war. Zwei Menschen, die bereits zum wiederholten Male miteinander intim gewesen waren, aber nicht miteinander sprechen konnten. Lucy hatte einfach zu viel Angst. Zuviel Angst davor, wieder enttäuscht und abgewiesen zu werden, und der Wahrheit und den Konsequenzen ihres Handelns ins Gesicht blicken zu müssen.

      Der Walzer endete und Lucy bekam Panik. Also tat sie, was sie inzwischen am besten konnte. Sie packte Alexander am Arm und zog ihn mit sich aus dem Ballsaal und ziemlich unüberlegt, aber sehr entschlossen hinauf in ihr Zimmer. Sie schloss die Tür hinter ihnen ab, wunderte sich kurz, dass Alexander keine Einsprüche erhob, und stürzte sich wieder auf ihn.

      5. Kapitel

      Zurück in der Gegenwart

      Alex hatte noch immer ihren Geruch in der Nase, obwohl das alles doch wieder recht unpersönlich war. Er hätte sie auch gerne noch länger im Arm gehalten und getröstet. Oder sie beschützt vor dem, was auch immer ihr Angst machte oder wovor sie auf der Flucht war. Denn so erschien es ihm.

      Machte sie sich keine Sorgen um ihren Ruf? Er konnte nur hoffen, dass ihn niemand aus ihrem Zimmer kommen sehen hatte. Oder sonst irgendetwas bemerkt hatte. Der Vorteil an den Londoner Bällen war, dass sich so gut wie jeder im Ballsaal aufhielt, einschließlich der gesamten Dienerschaft. Die Wahrscheinlichkeit war also tatsächlich hoch, dass ihr erneutes Intermezzo unbemerkt geblieben war. Jedenfalls konnte sich Alexander diesmal nicht dazu durchringen, einfach zu gehen oder zuzulassen, dass Miss Winford ihn den restlichen Abend ignorieren würde. Im Ballsaal würde es später so gut wie keine Gelegenheit mehr geben, um alleine und in Ruhe mit ihr zu sprechen.

      Also machte Alex mitten auf der Treppe kehrt und ging die wenigen Stufen zurück in den ersten Stock. Dort platzierte er sich an der obersten Stufe und beschloss zu warten, bis Miss Winford ihr Zimmer verließ. Er wollte ein klärendes Gespräch.

      Nachdem sich Lucy nun endlich aus dem Bett begeben hatte, fing sie an, ihr Aussehen wieder in Ordnung zu bringen und sich im Spiegel neuen Mut zuzusprechen. Dann beschloss sie, zurück in den Ballsaal zu gehen und sich den Tatsachen zu stellen. Wie sie Alexander, den Duke of Kintbury, soeben aus ihrem Zimmer geschickt hatte, als wäre er einer ihrer Bediensteten, konnte sie nicht einfach so auf sich beruhen lassen. Sie musste sich zumindest bei ihm entschuldigen. Wie sie ihre missliche Lage allerdings erklären sollte, war Lucy nach wie vor nicht klar. Jedoch, irgendetwas musste sie nun tun, das wusste sie. Also atmete sie einmal tief durch und öffnete die Zimmertür.

      Lucy erblickte Alexander Spencer. Hatte er tatsächlich so lange hier auf sie gewartet? Er stand mit vor der Brust verschränkten Armen ans Geländer gelehnt. Als er sie hörte, blickte er vom Boden auf und schaute ihr etwas grimmig entgegen. Lucy konnte es ihm nicht verdenken. Sie selbst hätte sich momentan genauso angesehen. Sie blieb kurz stehen, atmete noch einmal tief durch und straffte die Schultern. Langsam ging sie auf diesen unfassbar attraktiven Mann zu. Und wenn sie nur einen Augenblick daran dachte, was sie soeben mit ihm getan hatte, stockte ihr der Atem. Jetzt heißt es stark sein, sagte sie in Gedanken zu sich selbst.

      Lucy kam auf ihn, Alex, zu und er war einmal mehr sprachlos aufgrund ihrer Schönheit. Sie hatte sich wieder perfekt zurechtgemacht. Nichts verriet mehr etwas davon, was in der letzten Stunde zwischen ihnen geschehen war.

      Doch nun war Alex noch sprachloser, denn Lucy ergriff nicht, wie er zuvor befürchtet hatte, erneut die Flucht, sondern sah ihm direkt in die Augen und kam langsam auf ihn zu. Es waren sehr schöne Augen, in die er da blicken durfte. Sie waren blau wie das tiefe, geheimnisvolle Meer.

      Lucy blieb ein paar Fuß vor ihm stehen und senkte den Blick. Unruhig begann sie, an den Röcken ihres Ballkleides herumzuzupfen, und suchte sichtlich nach den passenden Worten.

      „Ich mag dich“, entfuhr es Alex da plötzlich völlig unbedacht.

      Abrupt sah Lucy ihn genauso erschrocken und verblüfft an, wie er sich fühlte. Wie konnte ihm so etwas nur derart unüberlegt über die Lippen kommen? Wenn das die großen Dichter der Vergangenheit gehört hätten, sie würden sich nun im Grabe umdrehen.

      Keiner von ihnen brachte ein weiteres Wort heraus und Lucy sah verlegen zur Seite. Alex suchte dennoch erneut ihren Blick. Als er es schaffte, ihr endlich wieder in die Augen zu sehen, glitzerten darin Tränen. Plötzlich raffte Lucy ihre Röcke und lief die Treppe hinunter. Impulsiv machte Alex auf dem Absatz kehrt und eilte ihr hinterher.

      „Lucy, Miss Winford!“, rief