Michael Schenk

Die Pferdelords 05 - Die Korsaren von Umbriel


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      »Ja, das ist keine disziplinierte Doppellinie von Schwertmännern«, stieß

      Garodem grimmig hervor. »So sehen einberufene Pferdelords an ihrem ersten

      Übungstag aus. Aber das dort sind keine einfachen Pferdelords, das sind

      meine Schwertmänner.«

      Garodem schätzte die beherrschte Disziplin der Schwertmänner. Sie

      hielten ihre enge, fast Knie an Knie gefügte Formation auch unter dem

      Pfeilhagel des Gegners aufrecht und schlossen die Lücken, die entstanden, bis

      sie mit massierter Wucht in den Feind prallten. So schufen sie jene tödlichen

      Breschen, durch welche die anderen Pferdelords nachstoßen konnten. Doch

      was er dort unten sah, erregte seinen Unmut, zumal die Ordnung des Beritts

      immer weiter zerfiel, bis der Scharführer an der Spitze schließlich die Lanze

      quer hielt und die Reiter anhalten ließ. Unverwechselbar war es Scharführer

      Kormund, der nun mit einem der Reiter erregte Worte wechselte.

      Garodem ahnte, wer dieser Reiter war, und sah Larwyn stirnrunzelnd an.

      »Ich werde den Männern ein wenig bei der Übung zusehen, Larwyn. Gib du

      bitte Tasmund Bescheid, dass ich ihn später in meinem Arbeitsraum sprechen

      will.«

      Die Hohe Dame wäre ihrem Gemahl lieber gefolgt, aber sie wusste, dass

      Garodem allein klären wollte, was dort auf dem Übungsfeld geschehen war,

      und sie kannte auch den Grund dafür. »Er ist noch jung und unerfahren«,

      sagte sie leise.

      »Er ist ein Pferdelord«, erwiderte Garodem entschieden. »Und wie ein

      solcher hat er sich auch zu benehmen.«

      Sie stiegen über die Leiter ins Haupthaus hinunter, und der Schwertmann

      der Wache, der hier gewartet hatte, kletterte wieder auf die Plattform hinauf.

      Im Obergeschoss des Haupthauses befanden sich die privaten Gemächer des

      Pferdefürsten und ihres Sohnes Garwin. Einst hatten hier auch die Scharführer

      und der Erste Schwertmann ihre Kammern gehabt, doch die Scharführer

      wohnten nun in den neuen Häusern im Norden des Übungsfeldes, während

      die alte Unterkunft der Schwertmänner mittlerweile dem Ersten Schwertmann

      Tasmund und seiner Frau, der Heilerin Meowyn, als Wohnstatt dienten. Über

      den Amtsraum des Pferdefürsten erreichten Garodem und Larwyn die Treppe,

      die in die große Versammlungshalle der Burg von Eternas hinunterführte.

      Sie durchquerten die Halle und erreichten das Hauptportal, an dem zwei

      voll gerüstete Schwertmänner als Ehrenwache standen. Über die breite

      Vortreppe traten Garodem und Larwyn auf den vorderen Burghof, wo sie sich

      schließlich trennten. Die beiden Pferdelords sahen einander kurz an.

      »Mir scheint, unseren Herrn Garodem plagen unfreundliche Gedanken«,

      meinte einer von ihnen.

      »Und ich kann mir denken, warum«, stimmte der andere zu. »Garwin übt

      gerade mit Kormunds Beritt.«

      Sein Kamerad spuckte aus. »Ich möchte nicht Garwins Scharführer sein.«

      »Ja«, seufzte der andere. »Und ich nicht sein Vater.«

      Beide Männer beneideten Garodem nicht um dessen Sohn. Die anfängliche

      Sympathie der Männer für den Sprössling des Pferdefürsten war zunehmender

      Skepsis gewichen. Garwin war durchaus freundlich, aber er beharrte zu oft

      und zu unnachgiebig auf seiner Meinung und ließ die anderer, meist weitaus

      erfahrenerer Männer kaum gelten.

      Es waren nur wenige Hundertlängen bis zum Übungsfeld, aber als

      Pferdelord wäre es Garodem niemals in den Sinn gekommen, die Strecke zu

      Fuß zurückzulegen. Er schritt durch eines der drei Tore, durch die man vom

      vorderen in den hinteren Burghof gelangte, und gab dort einem der

      Stallburschen einen Wink. Wenig später ritt er durch das Tor der Burg zum

      Übungsplatz hinüber. Schon aus einiger Entfernung hörte er erregte Stimmen

      aus einer Gruppe herüberdringen, die sich um Kormunds Wimpel versammelt

      hatte.

      »Es mag ja Tradition sein«, hörte Garodem besorgt die Stimme seines

      Sohnes, »aber welchen Zweck soll eine Tradition haben, die uns die Kraft

      unserer Arme und die Schnelligkeit unserer Pferde nimmt?«

      »In der Schlacht, Hoher Herr Garwin, reiten wir gegen eine Legion der

      Orks, die in Kampfformation steht. Vorne Lanzen und Spieße, dahinter die

      Schlagschwerter – durchweg kraftvolle und gut gepanzerte Rundohren, Hoher

      Herr. Dahinter befinden sich die kleineren Spitzohren, die ihre Pfeile auf uns

      lösen.«

      Kormunds Stimme klang mühsam beherrscht.

      »Genau darum geht es doch«, erwiderte Garwin ärgerlich. »Viele von uns

      haben schnellere und stärkere Pferde. Warum sollen sie sich dem Pfeilhagel

      länger als nötig wehrlos aussetzen, wo sie doch viel rascher am Feind sein

      könnten?«

      »Weil der einzelne Reiter oder eine kleine Gruppe die Linien des Feindes

      nicht durchbrechen kann«, stieß Kormund hervor. Man hörte den Ärger in

      seiner Stimme, und Garodem sah an dem Wimpel, der sich über die Köpfe

      erhob, dass der sonst so gefasste und ruhige Scharführer den Arm hektisch

      bewegte. »Die Orks würden ihre Reihen etwas öffnen, die wenigen Reiter

      aufnehmen und die Formation wieder schließen. Die so isolierten Männer

      müssten nach allen Seiten hin kämpfen und hätten keine Chance.« Kormunds

      Stimme wurde eindringlich. »Aber wenn ein Beritt seine Reihen eng

      geschlossen hält, dann treffen alle Männer gleichzeitig auf den Feind und

      durchbrechen seine Linie.«

      »Wenn die Starken vorwegreiten, dann wäre die Linie längst gebrochen.«

      Garwins Stimme duldete keinen Widerspruch.

      »Die Stärke des Pferdevolkes liegt in seiner Einheit«, rief Garodem

      dazwischen. Er hatte sein Pferd nach vorne gedrängt, und die Männer

      machten ihm rasch Platz, als sie ihn erkannten.

      Kormund