Anja Kirsten Klein

DNA-Genealogie - ein praktischer Ratgeber


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Wahrscheinlichkeit, überhaupt gemeinsame DNA zu haben, sinkt mit dem Abstand der Generationen. Sie beträgt z.B. bei Cousins fünften Grades lt. Übersichtstabelle der ISOGG nur noch zwischen etwa 10% und 32%.

      Vom Elternteil werden ja nur rund 50% der DNA und diese auch noch nach dem Zufallsprinzip aufs Kind vererbt. So können also z.B. auch bei vollen Geschwistern die jeweiligen genetischen Familienbäume ganz unterschiedlich voneinander ausfallen. Die genealogischen Vorfahrenbäume wären in dem Fall jedoch identisch.

      2.2 Ein wachsender Markt

      Der Markt für genealogische DNA-Tests hat sich seit den ersten Tests für Endverbraucher im Jahre 2000 rasant entwickelt. Und in den nächsten Jahren wird die Entwicklung ebenso dynamisch weitergehen. Es läßt sich kaum erahnen, welche neuen Möglichkeiten sich für uns Forscher noch eröffnen werden.

      Ist es nicht ein faszinierender Gedanke, daß uns "normalen" Ahnenforschern mit den modernen genealogischen DNA-Testverfahren inzwischen Werkzeuge an die Hand gegeben werden, die noch vor einigen Jahren undenkbar waren? Generationen von Familienforschern vor uns hatten diese Chancen nicht.

      3. Was habe ich davon einen DNA-Test zu machen?

      Wenn Du anfängst, Dich mit der DNA-Genealogie zu beschäftigen, kann das ganze Thema wie ein undurchdringlicher Dschungel erscheinen. Und bevor Du Dich auf den Weg machst, stellst Du Dir sicherlich die Frage: Was bringt mir das eigentlich?

      Darum geht es in diesem Kapitel. Du erfährst, was für Testergebnisse Du erwarten kannst. Und was für Möglichkeiten sich Dir durch die DNA-Genealogie eröffnen und welche Bedenken und Risiken zu beachten sind.

      3.1 Ergebnisse von DNA-Tests

      Alle DNA-Tests der in diesem Ratgeber vorgestellten Anbieter liefern grundsätzlich zwei Arten von Ergebnissen:

       DNA-Matches

       Herkunftsschätzungen

      3.1.1 DNA-Matches

      Sogenannte DNA-Matches sind Personen, die sich in der Datenbank des Testanbieters befinden (durch eigene Tests dort oder durch das Hochladen von Rohdaten anderer Testanbieter) und mit der getesteten Person zu einem gewissen Anteil gemeinsame DNA teilen. Die Länge dieser identischen Abschnitte der DNA (DNA-Segmente) wird in der Maßeinheit Centimorgan (Abk. cM) angegeben.

      Als Faustregel gilt dabei:

       Je größer die cM-Zahl, desto länger ist das gemeinsame Segment.

       Je länger die übereinstimmenden Abschnitte zweier oder mehrerer Testpersonen sind, desto weniger Generationen ist der gemeinsame Vorfahre (engl. Most Recent Common Ancestor, MRCA) bzw. das gemeinsame Vorfahrenpaar entfernt.

      Anhand der cM kann der Verwandtschaftsgrad zwischen zwei Menschen geschätzt werden.

      DNA-Matches stellen also Verbindungen zu Personen dar.

      3.1.2 Herkunftsschätzungen

      Die sogenannten Herkunftsschätzungen, auch Ethnizitätsschätzungen oder Abstammungsmix genannt, sind Prozentwerte, die die genetische Ähnlichkeit der Testperson im Vergleich zum Erbgut von Menschen bestimmter Regionen abbilden. Sie geben Hinweise auf die jüngere ethnische Herkunft.

      Anhand zahlreicher sogenannter Referenzgruppen, die in ihrer genetischen Zusammensetzung typisch für bestimmte Regionen sind, werden diese Werte für jede getestete Person ermittelt.

      Die Anzahl verschiedener Referenzgruppen sowie die Zusammensetzung der Referenzpopulationen sind von Anbieter zu Anbieter sehr unterschiedlich. Das liegt vor allem daran, daß die zugrundeliegenden Referenzpopulationen regional ganz unterschiedlich abgegrenzt und auch zahlenmäßig unterschiedlich groß sein können.

      Sie werden durch fortschreitende Forschung außerdem kontinuierlich weiterentwickelt. So kann sich die Darstellung der Testergebnisse immer weiter verändern. Die Testergebnisse selbst verändern sich natürlich nicht.

      Herkunftsschätzungen stellen also Verbindungen zu Orten dar.

      Welche Anteile der einzelnen ethnischen Gruppen von der mütterlichen oder väterlichen Seite kommen und aus welchen Generationen diese stammen, kann dabei nicht bestimmt werden.

      Und bitte denk immer daran:

      Herkunftsschätzungen sind Schätzungen.

      Bitte nimm sie nicht für bare Münze, sondern betrachte sie als Annäherung an die Realität mit groben Richtwerten.

      3.2 Ziele und Chancen

      Nun, wo wir uns angeschaut haben, welche Arten von Erkenntnissen Dir genealogische DNA-Tests überhaupt liefern können, stellt sich die Frage: Was willst Du eigentlich erreichen? Welches Ziel verfolgst Du damit, einen DNA-Test zu machen?

      Ganz allgemein lassen sich fünf zentrale Anwendungsmöglichkeiten für Deine Familiengeschichtsforschung identifizieren:

      1 Direkte Vorfahren: Papierforschung verifizieren und "Tote Punkte" überwinden

      2 (Entfernte) Verwandte entdecken

      3 Leibliche Eltern und weitere Verwandte identifizieren

      4 Herkunftsschätzungen

      5 Medizinische Auswertungen

      3.2.1 Direkte Vorfahren: Papierforschung verifizieren und "Tote Punkte" überwinden

      Mit "Papierforschung" ist die traditionelle Ahnenforschung gemeint, also das, was Du bisher auf der Grundlage schriftlicher und mündlicher Quellen gemacht hast. Sozusagen mit Papieren als Quelle.

      Dieses Ziel ist vermutlich für die meisten Ahnenforscher das wichtigste. Denn hier geht es zunächst darum, mit Hilfe der Quelle DNA Deine direkten Vorfahrenlinien zu bestätigen. (Oder natürlich auch unerwartet zu widerlegen, wenn die DNA eine andere Sprache spricht als die herkömmlichen überlieferten Quellen. Doch dazu mehr im folgenden Abschnitt.)

      Daß Du in jeder früheren Generation ein Vorfahrenpaar hast, steht definitiv fest :-)

      Je nachdem, wie weit Du mit Deiner genealogischen Forschung bisher gekommen bist: Es geht darum, mit Hilfe der DNA bisher identifizierte Ahnen zu verifizieren sowie weitere zu finden und zu belegen.

      Die Primärquelle DNA hilft Dir also in diesem Fall zum einen beim Auffinden früherer Vorfahren, nach denen Du einfach noch nicht geforscht hast. Zum anderen hilft sie Dir bei kniffligen Fällen, bei denen Du anderweitig noch nicht weitergekommen bist - die berüchtigten "Toten Punkte" (englisch: "brickwalls").

      Letztere ergeben sich z.B., wenn die Quellenlage - aus welchen Gründen auch immer - dünn ist. Das ist leider so, wenn Personen nicht erfaßt wurden (z.B. bei einer unehelichen Geburt der Vater nicht angegeben wurde), Quellen nicht zugänglich sind oder gar vernichtet wurden.

      Mit DNA-Genealogie kannst Du also:

       die Identität von Vorfahren und die genealogische Verwandtschaft zu ihnen verifizieren

       Tote Punkte überwinden

      Beispiele für Forschungsfragen, die sich in diesem Zusammenhang beantworten lassen:

       Wer von zwei Brüdern ist der Vater?

       Wer war die Mutter von Urgroßmutter Hedwig?

       Stammen alle Träger eines Familiennamens