dem Gast die Bombilla."
Das angeredete Mädchen, auf dem Diego's Blick schon so oft geruht hatte, als das unbemerkt geschehen konnte, nahm das kleine Gefäß mit der Röhre, und es dem Gast reichend, sagte sie mit einer gar lieben und weichen Stimme:
„Ist es Euch gefällig, Seňor?"
Die Sprache, die sie gebrauchte, war die des Landes, in dem sie sich befanden: Spanisch, und doch verrieth wieder ein leiser fremder Ton, daß die Sprechende dem Boden eigentlich nicht angehöre. Auch ihr Aussehen zeigte, daß in ihren /15/ Adern kein „castilianisches" Blut rolle, denn unter den kastanienbraunen Locken leuchteten ihm ein paar seelenvolle blaue Augen entgegen. Aber um die feingeschnittenen Lippen lag ein bitterer Zug von Schmerz und Leid, ja selbst ihr Lächeln hatte etwas unbeschreiblich Rührendes und Wehmüthiges, wie auch ihr Gewand die dunkle Farbe der Trauer zeigte.
Diego, wie ihr Blick sich zu ihm hob, vergaß in dem Moment fast die Mateh-Calabasse, die sie ihm entgegenhielt.
„Nehmen Sie, Seňor."
„Oh, tausend Dank, Senňrita - aber caramba, Sie sind keine Argentinerin - nicht in den Pampas wenigstens geboren."
„Nein, Seňor," sagte die Dame schüchtern, „ich -"
„Es ist eine junge Dame," unterbrach sie hier plötzlich der Officier - „die Tochter eines Cringo7 zwar, die aber unter meinem Schutze steht."
„Ah, wahrscheinlich Französin!" sagte der junge Fremde. Er war selber in Montevideo genug mit Franzosen zusammengekommen, sogar ihre Sprache fließend zu reden, ohne daß er es für zweckmäßig hielt, dem argentinischen Soldaten gegenüber mit einer solchen Kenntniß zu prahlen, die diesem jedenfalls verdächtig gewesen wäre.
Die junge Dame neigte leicht das Haupt, und sich zurückziehend, nahm sie den kaum verlassenen Platz wieder ein, auf dem sich ihre Nachbarin flüsternd zu ihr hinüberbog. Diego aber, die Matehschale ergreifend und die Bombilla, die eben noch von der Jungfrau Lippen berührt worden, an sich ziehend, sog den süßen und heißen Trank ein, und sah dabei wie träumend vor sich nieder.
Der Officier, dem dies Zwischenspiel anfing unangenehm zu werden, hatte die Guitarre wieder aufgegriffen und fiel nach einigen Accorden in einen der beliebten Tänze jener Gegenden, den er ziemlich geläufig ausführte.
Diego hatte eine ganze Weile diesen Klängen gelauscht, und erst der Wirth, der eine Anzahl Gläser und Becher hereinbrachte, störte ihn aus seinem Brüten auf. /16/
„Zum Henker auch," rief er da aus, „wir sitzen hier, während der Regen draußen niederpeitscht, allerdings trocken, aber zu trocken dürfen wir's auch nicht treiben. Ihr Name, Seňor?"
„Pasquale Herrero," sagte der Officier.
„Buono denn, Don Pasquale, hier ist Ihr Becher; füllen Sie ihn bis zum Rand und lassen Sie ihn uns auf das Wohl jener jungen Dame leeren. Seňorita, darf ich erfahren, wie Sie sich nennen?"
„Ich weiß nicht," unterbrach ihn der Argentiner, während das junge Mädchen erröthend vor sich nieder sah, , „ob Donna Josefa diese Artigkeit liebt, und in diesem Fall -"
„Schönen Augen dürfen wir zutrinken, Seňor," unterbrach ihn aber der Fremde, „Gott hat sie wie die Blumen auf unsern Weg gestreut, sie anzuschauen und an ihrem Glanz uns zu ergötzen. Ihr Lächeln ist der Duft der Blume, und so rauh wir Männer auch sein mögen, die Erinnerung an solch ein holdes Bild muß manche trübe Nacht, die wir draußen in Sturm und Wetter dann verleben, wieder erhellen und erwärmen. - Donna Josefa soll leben!"
Er leerte das gehobene Glas auf Einen Zug, und der Argentiner mußte sich wohl oder übel seinem Beispiel fügen. Don Diego ließ ihm aber nicht Zeit, sich zu besinnen. Auch den übrigen jungen Damen schob er Gläser hin, Andere der Gauchos rief er herbei zum Tisch, und auf seinen Wink brachte der Wirth neuen Vorrath, die rasch geleerten Flaschen zu ersetzen.
Das Gespräch wurde jetzt bald allgemein. Don Diego erfuhr, daß eins der jungen Mädchen die Tochter des Wirthes selber, das zweite aber eine Verwandte sei. Donna Josefa war dagegen erst vor kurzer Zeit von Buenos Ayres „als Gast" zu ihnen gekommen.
„Und um wen trauert sie?"
Der Wirth, der sich an seine Seite gesetzt hatte, bog sich zu ihm hinüber und flüsterte ihm in's Ohr:
„Bst, Seňor - reden wir lieber nicht davon. Rosas, den Gott erhalten möge, hat scharfe Ohren, und ihr Vater und Bruder" - die Worte wurden so leise gesprochen, daß /17/ sie der Fremde kaum verstehen konnte - „waren Verräther an der Konföderation."
Diego preßte das Glas, das er in der Hand hielt, so fest zusammen, daß es in Stücken sprang und der Wein ihm über die Hand und zu Boden lief.
„Caramba, Compaňero," rief er lachend aus, „Ihr führt schwaches Geschirr - ein anderes Glas für einen Toast."
„Bravo!" stimmte der Officier ein - „da seid Ihr mein Mann. So recht: füllt es bis zum Rande. Viva la confederacion – mueran – “8
„Los Unitarios!“ rief rasch Diego, sein Glas erhebend - „Tod allen Feinden."
Alles sprang von den Sitzen auf, dem Toast die nöthige Ehrfurcht zu erweisen, nur Josefa, das Gesicht in der linken Hand bergend, blieb sitzen.
„Seňorita, wir trinken der Federation," sagte der Officier.
Diego bog sich zu ihr und flüsterte:
„Meinen Toast dürft Ihr trinken."
Josefa richtete sich auf; sie war den Zwang der Republik gewohnt, und ihr Glas ergreifend, neigte sie es gegen den Fremden und nippte daran. Ihre Blicke begegneten sich dabei, und Diego sah in dem Glühen ihrer Wangen, dem Brennen ihres Auges den furchtbaren Haß, dessen Erfüllung sie von dem Schicksal brünstig erbat, als sie den Becher an die Lippen brachte.
„Ihr aber, Compaňero," wandte sich der Officier, dem das Betragen der Beiden nicht recht gefiel, plötzlich an den Fremden - „habt bei Eurem Toast die üblichen Beiworte weggelassen – salvajes, immundos asquerosos Unitatrios, die Devise unserer Bänder - doch ich sehe nicht einmal eins bei Euch? wo ist das?"
„Fragt den Pampero," lachte Don Diego, „in welchen Winkel der Pampas er es gefegt hat, wenn er es nicht in diesem Augenblick selber nach Buenos Ayres hinüberträgt. /18/ Außerdem bin ich ein freier Gaucho und kann tragen was ich will."
„Die Montevideer und die verdammten Unitarier nennen sich auch Gauchos," rief der Officier, emporfahrend, „ich hoffe nicht, daß -"
„Musik, Seňorcs, Musik," fiel hier der Wirth ängstlich in das Gespräch, denn den Officier durfte er nicht beleidigen, und den freigebigen Fremden hätte er um Alles nicht an seinem Tische missen mögen - „Ihr vergeßt ganz die Hauptsache. Die Seňoritas sitzen da und warten mit Schmerzen auf die versprochenen Lieder, und die Guitarre liegt stumm und todt auf dem Tisch. Das ist nicht Sitte in den Pampas, wenn Ihr's auch so vielleicht in Buenos Ayres haltet."
„Wahr, wahr, Amigo!" rief der Fremde, dem selber daran lag, dem Gespräch eine andere Wendung zu geben. „Wir dürfen die Seňoritas nicht kränken und langweilen. Gebt uns ein Lied, Seňor, Ihr spieltet so meisterhaft, als ich das Haus betrat, daß Ihr es mir nicht übel nehmen dürft, wenn ich mehr davon verlange."
„Dann haben wir nachher einen Rundgesang," rief der Wirth, dem fröhlich beistimmend, „ich hole alle Guitarren zusammen, die zu haben sind. Caramba, das soll ein fröhlicher Abend werden!"
Der Officier, durch das Lob des Fremden geschmeichelt, hatte die Guitarre aufgenommen, und ohne seine vorige Frage zu wiederholen, griff er einige Accorde und schien seine Gedanken zu dem bevorstehenden geistigen Wettkampf zu sammeln; Don Diego aber war aufgestanden und zur Thür getreten, zu sehen, ob der Sturm nachgelassen hätte. Der Pampero war auch in der That vorübergebraust; ein ziemlich frischer Südwind strich über die Ebene, und hell und klar funkelten die Sterne am Himmel. Nur fern im Norden lag noch eine düstere Wolkenschicht, und das Wetterleuchten dort drüben verrieth den Weg, den die furchtbaren Gewitter genommen hatten.