könnte ich die Tatsachen und die Schlussfolgerung aus dem Actio-Reactio-Prinzip einfach akzeptieren, könnte mich als einen vom Geist Berührten rühmen, doch bleibt dieser stachelige Rest von nervender Unzufriedenheit, dem lästigen Essensrest zwischen den Zähnen ähnlich, der mich aufwühlte.
Ich wollte das Warum ergründen. Fortan notierte ich meine Beobachtungen und analysierte diese. Zahllose Stunden wälzend im Bett, bei Meetings abwesend wirkend, familieninterne Botschaften überhörend oder in Radarfallen tappend, dominierte mich das Thema Tag und Nacht. Kurz, ich übte mich in von wissenschaftlicher Neugier getriebener Selbstzerfleischung, deren Maß jeden Opus Dei Anhänger vor Neid hätte erblassen lassen.
Manchmal glaubte ich, ich hab's, erlebte berauschende Heureka-Momente, um gleich wieder ins bodenlose Nichts zurückzufallen. Ich saß fest wie Tom Hanks in Cast Away.
Naheliegend schien, dass weil der Mann darauf konditioniert ist, nächtelang das Mammut zu hetzen, um es schließlich mit siegestrunkenem Geschrei heldengleich mit Speeren aus heimischer Nutzpflanzung über die Klippe zu stoßen, für langweiligen Shoppingkram keine Begeisterung entwickeln kann.
Einen anderen glaubhaften Ansatz bot auch die unterschiedliche Erziehung von Mädchen und Knaben, weiß ich doch, dass Erziehung ein anderes Wort für gesellschaftlich akzeptierte Irreführung von Kindern ist.
So attraktiv die beiden Theorien auch schienen, sie waren leicht widerlegbar.
Männer können auch gut mit Sammeln. Leere Bierflaschen im Keller, ausgequetschte Duschmitteldosen in der überfüllten Seifenschale. Ich kenne Kerle, die Ferientage beziehen, von St. Gallen nach Zürich fahren, um einer Tauschbörse für Paninibildchen beizuwohnen. Selbstredend ausschließlich zum Wohle des Sohnes, damit dieser in der Schule, nur weil ihm der Mehmedi oder der Shaqiri noch fehlen, nicht gemobbt wird.
Andersrum ist der Frau die Jagd nicht unbekannt. Steinzeitmänner mit blutverschmiertem Kinn auf dem Mammutherz herumkauend würden sich in windendes Gewürm verwandeln, bekämen sie eine Frau auf Schnäppchenjagd oder am Wühltisch zu Gesicht.
Und wäre die Erziehung die Ursache, müssten sich nicht überbrückbare Abgründe zwischen meiner und der jungen Generation auftun. Wir wurden damals zum Fußballspielen, Scheiben einschmeißen, Nielen rauchen und helmfrei Velofahren angehalten. Reflektion, Abwägen und Auswählen konnten wir noch nicht mal buchstabieren und weinen war weibisch.
Wir wussten, dass Eltern nie mit uns spielen würden und nebenschulische Kurse gab's nur für Secondos, die Deutsch nachbüffeln mussten. Es hieß stets 'selbst ist der Mann' und Fragen beim Hausaufgabenmachen wurden stets mit einem abschätzigen Lächeln und der Bemerkung 'also, wenn du das nicht weißt…' abgeblockt.
Die Männer der jungen Generation dürften demnach keine Berührungsängste zum Shoppen haben. Gewaltfreie Erziehung, 'du-darfst-weinen-mein-Sohn', vitaminreiche Ernährung, fürsorgliche fast an Stalking grenzende Elternbegleitung bei sämtlichen in- und outdoor-Aktivitäten, eng gestaffelte und durchgetaktete Planung der Freizeit müssten einen positiven Einfluss auf deren Beziehung zum Shoppen haben.
Ich gebe zu, dass ich die Erziehungstheorie lange favorisierte, bemerkte ich während meinen Feldbeobachtungen junge Pärchen, wo sich der männliche Part geradezu glücksbeseelt einbrachte.
Dann offenbarte sich mein Denkfehler: ich erinnerte mich, dass das bei meiner Frau und mir ganz am Anfang genauso war. Das vorauseilende, positive Verhalten im Kaufhaus ist nicht der Erziehung, sondern wallender Biochemie zuzuschreiben. Das ist vorbei, wenn das erste Kind da ist.
Ich schlussfolgerte, dass, wenn es nichts von außen ist, beim Mann wohl was grundsätzlich daneben liegt. Etwas, worin sich Frau und Mann unabdingbar unterscheiden.
Und ich fand's heraus!
Im letzten menschlichen Chromosomenpaar haben die Frauen X-X, wir Männer nur X-Y. Ich halte jede Wette, dass auf dem winzigen Rest, der dem 'Y' zum 'X' fehlt, all diese Gene hocken, die Shoppen erträglich machen. Außerdem verorte ich auf diesem Bruchstück auch die Gene für Wäsche machen, die Freude am Staubsaugen und den Klodeckel nach dem Spülen runterklappen.
Mit dieser Erkenntnis kann ich leben. Die Ursache für meine Konsumverweigerung liegt außerhalb meines Einflussbereiches.
Aber ich kann dazu beitragen, den Millionen von Leidensgenossen da draußen die Sache zu vereinfachen. So lege ich meine Beobachtungen offen und ergänze sie mit berührenden Feldnotizen.
Noch einige kurze, abschließende Bemerkungen zur Beziehung zwischen Empörungsfaktor und der Branche, respektive der Eintrittswahrscheinlichkeit einer Shoppingtour:
Bei der Kategorie 'Wocheneinkauf' fällt es ihr relativ leicht, den Gatten aus dem Sofa zu lotsen. Sie muss sich jedoch gewahr sein, dass der Begleiter an ihrer Seite keinesfalls glückshormondurchströmt dahinschreitet.
Einkaufserlebnisse der Kategorie 'Fachmärkte' stuft er grundsätzlich in die Levels Fegefeuer, Vor- und Haupthölle ein.
Neutral verhält er sich bei Veranstaltungen der Kategorie 'periodische Märkte'. Periodische Märkte gehören zum Jahresablauf wie die Jahreszeiten und können vorgeplant werden.
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