Gerstäcker Friedrich

Gold!


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festem Land begrüßen zu können. Ich gehe, wie Sie sehen, mit der armen Frau Siebert in die Stadt hinauf - in das Kosthaus, in dem ihr seliger Mann gestorben ist."

      „Hm - ja - hab's gehört - thut mir leid. - Eigentlich verfluchte Geschichte," brummte der Mann des Gerichts, in einem leisen Anflug von Mitgefühl - „na, schad't weiter nichts," setzte er dann aber auch gleich, gewissermaßen als Trost hinzu, - „können dann Erbschaft gleich antreten und mit nächstem Schiff wieder umkehren. - Heilloses Land das Californien - fordern Einem für ein Pfund schlechten Knaster sieben Dollar ab - noch gar nicht dagewesen. Wie kann eine Frau da existiren?"

      Die arme Frau antwortete keine Silbe; der Schmerz und Schreck hatte sie niedergebrochen, und so zuversichtlich, ja selbstbewußt sie auch an Bord dem Leben in Californien entgegengesehen hatte, so niedergedrückt, so todt für Alles, was außer ihr geschah, war sie jetzt. Der Justizrath nahm indessen weiter keine Notiz von ihr und erkundigte sich bei dem Assessor nach seinem Kosthaus, dem er zuging, da er selber das Schiff nur deshalb verlassen hatte, sich einen Wohnplatz /65/ auszusuchen, ehe er sein Gepäck an Land schaffte. Da er übrigens die Worte auf seine gewöhnliche barsche Art herauspolterte und sich dabei dicht neben dem Assessor hielt, fing das Kind, das dieser auf dem Arme trug, wieder an zu schreien und wollte sich gar nicht beruhigen lassen. Den Justizrath konnte das allerdings nur wenig abhalten, in seinen Meinungsäußerungen über das Land - von dem er eigentlich noch gar nichts gesehen hatte - fortzufahren; der kleine Einwanderer schien aber entschlossen, das Wort zu behalten. Je lauter der Justizrath sprach, desto mehr schrie das Kind, und die Leute auf der Straße blieben schon stehen, ihnen nachzusehen. - War doch auch selbst ein kleines Kind etwas Ungewöhnliches in Californien.

      Dem armen Assessor besonders war seine Lage auf's Aeußerste peinlich, und er warf ein paar Mal einen halb verzweifelten Blick auf den neben ihnen herfahrenden Güterkarren, ob er dort vielleicht nicht seine kleine unruhige Last deponiren könne. Dies ging aber doch nicht gut an; die Mutter nahm gleichfalls nicht die geringste Notiz von dem Kinde, das sie vollkommen gut aufgehoben wußte, und dem Manne blieb schon nichts Anderes übrig, als eben auszuharren.

      Die Umstehenden würden sich vielleicht mehr mit der wunderlichen kleinen Caravane beschäftigt haben, hätte San Francisco in jener Zeit nicht unausgesetzt zu viel des Neuen und Sonderbaren geboten, dem Einzelnen auch nur mehr als einen flüchtigen Blick zu schenken. Die Aufmerksamkeit der Leute wurde überdies auf einen andern Trupp gelenkt, der sie allerdings auch mehr verdiente. Die Gerüchte nämlich, die damals im Auslande über Californien umliefen, schilderten das Land kaum besser als eine Art von umfangreicher Räuberhöhle, in dem man fortwährend mit gespannten Pistolen seinen Sack voll Gold und sein Leben zu wahren hätte. Daß in einem noch so wilden Lande zuweilen ungesetzliche Handlungen vorfielen, ließ sich allerdings nicht leugnen; die ganzen Zustände waren ungesetzlich, wenn auch freilich nicht in dem Maße, in dem sie geschildert wurden. Dem zu Folge hatten sich denn auch die meisten Einwanderer, die sich ein Land ohne Polizei noch nicht recht denken könnten, mit allen nur /66/ tragbaren Waffen und Wehren reichlich versehen, und Gewehre, Dolche wie Pistolen spielten bei dem Minengepäck eine nicht unbedeutende Rolle. Das non plus ultra dieser fast krankhaften Selbstschutz-Manie bot aber ein kleiner Trupp von Leuten, die in diesem Augenblick über die Plaza zogen und allerdings der auf sie gewandten Aufmerksamkeit werth waren Die kleine Gesellschaft bestand aus fünf Personen, deren Führer, eine fast riesengroße Gestalt mit .krausem schwarzen Bart und mächtigem Schulterbau, gravitätisch voranschritt. Der Mann, der sicher seine sieben Fuß in den Schuhen stand, trug einen breiträndigen weißen Filzhut, eine grüne Blouse und lichte Beinkleider, um den Leib aber einen etwa fünf Zoll breiten weißlackirten Ledergurt, und an diesem einen riesigen Pallasch, der hinter ihm klirrend den trockenen Staub aufwühlte. Neben dem Pallasch aber hing noch ein mäßiger Hirschfänger mit Hirschhorngriff, wahrscheinlich zu engem Handgemenge bestimmt, und neben diesem wieder ein etwa achtzehn Zoll langer Nickfänger, zum Zusammenklappen, aber ebenfalls in einer Scheide. Rechts im Gürtel stak außerdem ein Dolch mit Terzerolläufen daran, und zwei doppelläufige Pistolen füllten den vorderen Raum aus. Zugleich hing ihm über der Schulter eine leichte Vogelflinte von enormem Kaliber. Trotzdem paßte zu dieser wahrhaft verzweifelten Armirung - das Gesicht des Mannes keineswegs, der mit seinen rothen Backen und treuherzigen blauen Augen gar gutmüthig und freundlich, ja sogar etwas erstaunt umherschaute. Möglich, daß er geglaubt hatte, er würde sich bei seiner Landung jeden Zoll breit des Bodens mit der blanken Waffe erkämpfen müssen, und er schien nun überrascht zu sein, nirgends auch nur auf den geringsten Widerstand zu stoßen. Komisch aber wurde sein Erscheinen durch seine vier Begleiter, zu denen er sich - vielleicht absichtlich - den kleinsten Menschenschlag schien ausgesucht zu haben. Die vier kleinen Burschen, die ihm folgten, und von denen keiner selbst das Militärmaß haben konnte, trugen dabei ebensolche Bärte und Kleider wie er, - nur allerdings im verjüngten Maßstab, - auch fehlte ihnen der Pallasch, denn ihre Bewaffnung begann bei dem Hirschfänger, der auch besser zu ihrer Statur paßte. /67/

      Sonst waren sie gleichfalls reichlich mit Dolchen und Pistolen versehen, und zogen dabei einen kleinen vierrädrigen Handkarren, wahrscheinlich mit ihrem Gepäck. Ein großer und vier kleine Koffer standen wenigstens darauf, von einer Garnitur von Schaufeln, Spitzhacken, Blechpfannen, Kochgeschirr und Regenschirmen umgeben, und die vier kleinen Riesen, von denen zwei wahrscheinlich abwechselnd zogen und die anderen beiden mit der Flinte auf der Schulter als Wache hinterdrein gingen, folgten dem großen vertrauensvoll, wohin er sie führen würde.

      Es waren übrigens unverkennbar Deutsche - schon die baumwollenen Regenschirme verriethen das, hätte sie auch nur ein Zug ihrer Mienen oder ein Stück ihrer Kleider Lügen gestraft, und still und schweigend, ohne sich um irgend Jemand zu bekümmern, schritten sie über die Plaza hin und verschwanden bald in einer der nach Westen führenden Beistraßen.

      In diesem Augenblick erschien Herr Hufner wieder auf dem Schauplatz, und zwar in Schweiß gebadet, und ängstlich überall nach der wunderlichen Gestalt Ballenstedt's umhersuchend. Der aber war nirgends mehr zu finden, und auf einige, in höchst mittelmäßigem Englisch gethane Fragen an Vorübergehende, schickte man den bestürzten jungen Mann rasch hinter dem kleinen Trupp der Bewaffneten drein. Hier erkannte Hufner allerdings gar bald, daß er sich geirrt. Ballenstedt war aber in diesem Gewirr von Menschen nicht mehr aufzufinden, und die Deutschen, an die er sich wandte, wußten ihm ebenfalls keine Auskunft zu geben. Der Schaden ließ sich jedoch ersetzen; ja vielleicht war er im Stande, seine Aussichten um ein Bedeutendes zu verbessern, wenn er sich dieser Caravane anschloß. Bekam er dadurch doch auch zu gleicher Zeit Gelegenheit, sein schweres Bündel, das ihn schon tüchtig heiß gemacht, auf eine Fuhre zu bringen. Ohne Weiteres wandte er sich auch deshalb an den Führer des kleinen Trupps und sagte:

      „Hört einmal, Landsleute, - ich habe eben meinen Kameraden verloren, mit dem ich in die Minen wollte. Wenn's Euch aber recht ist, so bleib' ich bei Euch, und wir können dann „da oben" zusammen arbeiten." /68/

      „Und wo haben Sie Ihre Waffen?" frug da der Riese, der zu Hufner's Erstaunen eine ganz merkwürdig feine und weiche Stimme hatte.

      „Meine Waffen?" fragte dieser etwas verblüfft, - „Waffen habe ich gar keine, mein Brodmesser ausgenommen und eine kleine Pistole hier. Sie ist aber nicht geladen, denn ich fürchte, sie möchte mir einmal von selber in der Tasche losgehen. In Bremen ist neulich so ein Unglück vorgefallen."

      „Keine Waffen?" rief da der Niese und machte vor lauter Erstaunen Front gegen ihn, „und womit wollen Sie sich denn da vertheidigen?"

      „Ja," stotterte Herr Hufner - „ist es – ist es denn so gefährlich in den Minen oben? - Ich glaubte -"

      „Gefährlich?" wiederholte jedoch mit einem fast mitleidigen Achselzucken der Riese, - „sehen Sie uns einmal an. Glauben Sie, daß wir bis an die Zähne bewaffnet ausrücken würden, wenn es nicht gefährlich wäre?"

      „Aber Ballenstedt hat nur einen Regenschirm und eine Schaufel bei sich," sagte Herr Hufner bestürzt.

      „Armer Mann," seufzte leise der Riese, - „wer weiß, unter welchem Baum seine Knochen in den nächsten Tagen bleichen werden. Wir gedenken uns jeden Abend ordentlich zu verschanzen. In ein paar Stunden können wir Fünf schon einen tüchtigen Wall auswerfen, und sind auch gern gesonnen, noch mehr tüchtige Besatzung zu uns stoßen zu