die Matrosen, die jetzt auf die Back sprangen, die Anker da vorn „klar zu machen", brachen überhaupt die Unterhaltung kurz ab. Der Ort mußte geräumt werden, und die Passagiere zerstreuten sich wieder über Deck, um, hinter der Schanzkleidung vor, nach der immer noch fernen Küste sehnsüchtig hinüber zu schauen.
Eine der hervorragendsten Gestalten unter diesen war ein ältlicher Herr, ebenfalls schon vollständig gerüstet an Land zu gehen, vorläufig aber noch mit einer langen Pfeife im Munde, der ernst und schweigsam, die rechte Hand auf den Rücken gelegt, auf- und abging und ein Lied, fortwährend dabei detonirend, vor sich hin brummte.
„Na, Justizrath, Sie sind auch schon fertig?" redete ihn da ein kleiner Mann in einem grauen Rocke an, der auf der Nagelbank des Fockmastes saß und den vor sich auf und ab Schreitenden schon eine Weile lächelnd gemustert hatte. Es war ein Apotheker aus Hannover, und sonst ein drolliger, aber höchst anständiger Gesell.
„Ich? - ja," sagte der „Justizrath", indem er sich scharf gegen ihn wandte und vor ihm stehen blieb - „habe das verwünschte Schiffsleben satt - machen, daß ich an Land komme - daran gedenken - hol's der Teufel!"
Der Mann sprach außerordentlich rasch, mußte aber noch viel rascher denken, denn er verschluckte die eine Hälfte seiner Worte, während er die andere auf eine so barsche Weise herauspolterte, daß er Allen, mit denen er sprach, fortwährend die größten Grobheiten zu sagen schien. Ohlers, der Apotheker, kannte ihn aber schon, und war auch überhaupt nicht der Mann, sich leicht einschüchtern zu lassen.
„Der Herr Justizrath scheinen mit der Behandlung nicht recht zufrieden," lachte er leise vor sich hin und sah dabei an seiner langen, scharfgeschnittenen Nase nieder.
„Hundeleben," bezeichnete der Justizrath seine ganze gegenwärtige Existenz mit dem einen, eben nicht schmeichelhaften /10/ Wort - „wollen's Capitain aber schon anstreichen - Criminal-Proceß."
„Na da gratulir' ich," sagte Ohlers - „der arme Capitain."
„Nun, Justizrath, auch schon gestiefelt und gespornt?" näselte in diesem Augenblick ein langer junger Mensch, ein Kajüts-Passagier, dessen Eltern ihn, wie es hieß, zu ihrem eigenen Besten nach Californien geschickt hatten, um ihn nur von Hamburg los zu werden. Die Hände in den Taschen war er langsam angeschlendert, und lehnte sich jetzt mit der Schulter an einen der Hühnerkasten an, als ob er seinen Beinen das Gewicht des dürren Körpers nicht weiter anvertrauen möge.
„Ja woll, Herr Binderhof," brummte der Angeredete, indem er eine solide Tabakswolke von sich blies und den Kajüts-Passagier nur über die Schultern anblickte. - „Ihnen besser gefällt - können hier bleiben."
„Danke Ihnen, Herr Justizrath," lachte aber der Lange, „ausgenommen Sie schenken mir die Ehre Ihrer Gesellschaft."
„Unausstehlicher Mensch," brummte der Justizrath in den Bart, qualmte ärger als vorher und lief auf die andere Seite des Decks.
„Verrückter Kerl," lachte der Lange hinter ihm drein - „was erzählte er Ihnen denn eben, Ohlers?"
„Oh," sagte der Apotheker, „blos von Ihnen, Herr Binderhof."
„Von mir?"
„Ja wohl, Herr Binderhof; er erzählte mir, wie Ihre Eltern so außer sich gewesen wären, daß Sie absolut nach Californien wollten."
„Holzkopf," murmelte Herr Binderhof vor sich hin, verließ den Hühnerkasten und schlenderte ärgerlich nach der Kajüte zurück. Ohlers sah ihm mit einem seiner trocken-komischen Blicke nach, als Herr Hufner an ihm vorüberschritt. Die Gelegenheit war zu verlockend, nicht wenigstens ein Gespräch mit ihm anzuknüpfen.
„Herr Hufner, Herr Hufner," drohte er ihm lächelnd mit dem Finger, „Sie scheinen mir auf bösen Wegen zu sein!" /11/
„Ich? mein guter Herr Ohlers," rief der junge Mann bestürzt, „ich wüßte wahrhaftig nicht weshalb. Ist etwas vorgefallen?"
„Noch nicht," sagte Ohlers ernst, „aber Sie haben sich so herausgeputzt, als ob Sie in San Francisco augenblicklich auf Eroberungen ausgehen wollten, und indessen sitzt Ihre Braut daheim und grämt und härmt sich ab."
„Wahrhaftig nicht," rief aber Herr Hufner rasch und erröthend - „nein, da thun Sie mir unrecht, mein guter Herr Ohlers."
„Schalk, Schalk," fuhr aber dieser fort, „ich hätte große Lust, Ihrer armen Braut mit der nächsten Post ein paar Zeilen zu senden und das unschuldige Ding zu warnen."
„Um Gottes willen machen Sie keinen solchen Scherz," rief aber Herr Hufner erschreckt, „Sie haben keine Idee davon, wie eifersüchtig sie ist, und - sie nähme den Spaß am Ende für Ernst. Nun Gott sei Dank, unsere Trennung har jetzt die längste Zeit gedauert." .
„Was?" rief Ohlers erstaunt, „wollen Sie gleich wieder umkehren?"
„Nein, das nicht," sagte Herr Hufner vergnügt, „aber es ist schon unter uns ausgemacht, daß sie mir in drei Monaten - von meiner Abreise an gerechnet - nachkommen soll. Sie kann also schon jetzt recht gut in Rio de Janeiro sein."
„Aber was um Gottes willen wollen Sie mit Ihrer Braut in Californien machen!" sagte Ohlers kopfschüttelnd - „Sie wissen noch selber nicht einmal, was aus Ihnen wird. Hat sie denn Geld?"
„Meine Braut? - nein," sagte Herr Hufner, „das ist aber auch nicht nöthig."
„Na, haben Sie denn 'was?"
„Noch nicht," lächelte der junge Mann vergnügt vor sich hin, „aber da drüben liegt ja Californien."
„S-o?" sagte Ohlers - „und das ist Alles?"
„Nun, ist das nicht genug?" lächelte Herr Hufner. „Ich habe volle drei Monat Zeit, mir ein Vermögen zu erwerben. Als Commis darf ich freilich nicht eintreten, denn wenn ich auch drei- bis viertausend Dollar Gehalt bekäme, machte das /12/ auf drei Monate höchstens tausend Dollar, und damit kann man noch nicht viel beginnen. Aber ich gehe in die Minen; eine Unze täglich ist mir dort gewiß, und drei Monate, den Monat nur zu siebenundzwanzig Arbeitstagen gerechnet, liefern doch immer schon ein kleines Capital von wenigstens eintausend sechshundert und zwanzig Thalern, einzelne glückliche Tage, die gar nicht ausbleiben können, ganz abgerechnet. Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, daß Goldwäscher dort an manchen Tagen fünf- und sechshundert Dollar gefunden haben."
„Und darauf hin allein lassen Sie wirklich Ihre Braut nachkommen?"
„Darauf hin?" wiederholte Herr Hufner erstaunt. „Als ob das nicht Sicherheit genug wäre! Fragen Sie einmal die Frau Siebert, oder lassen Sie sich einmal die Briefe zeigen, die deren Mann ihr von San Francisco geschrieben hat. In drei Tagen haben ihrer Zwei aus irgend einer alten Schlucht dort drüben für viertausend Dollar blankes Gold herausgegraben. In drei Tagen sage ich Ihnen."
„Da haben sie allerdings brillante Geschäfte gemacht," meinte Ohlers, „wie Viele aber werden da oben in den Bergen herum hacken und schaufeln, ohne mehr zu finden, als was sie .eben zum Leben brauchen - und wie theuer sind die Provisionen dann wahrscheinlich dort? Ne, mein guter Herr Hufner, wo ein Viergroschen-Brod fünf spanische Dollar kostet, hört die Gemüthlichkeit auf."
„Aber weshalb sind denn Sie da nach Kalifornien gegangen?" lächelte Herr Hufner, und sah Ohlers schalkhaft von der Seite an, als ob er ihn jetzt fest und sicher gefangen hätte.
„Wahrhaftig nicht, um oben in den alten faulen Bergen nach Gold zu puddeln!" rief aber der Apotheker. „Kranke Menschen wird's genug in San Francisco geben - leichtsinniges Gesindel, das sich oben in den Minen so lange Herumgetrieben hat, bis es die Knochen nicht mehr regen kann. Die fallen mir nachher in die Hände, und daß ich die auspressen will, bis sie auch kein Korn Gold mehr hergeben, darauf können Sie sich verlassen."
Ihr Gespräch wurde hier unterbrochen oder vielmehr ge/13/stört, denn zwei andere Personen waren den Gangweg heraufgekommen, und standen jetzt an der Larbord-Schanzkleidung, nach dem Lande hinüber zu schauen. Die eine von diesen war eben jene Frau Siebert, von der Herr Hufner vorhin gesprochen; die andere der alte Assessor Möhler, der gefälligste, bescheidenste, aber auch wunderlichste Mensch