Christiane Schünemann

Die Frau im Eismantel


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      Christiane Schünemann

      Die Frau im Eismantel

      Erzählung

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       Verlagslogo

      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Prolog

       Kirschblüten

       Neuschnee

       Harnisch

       Hexenbrauen

       Frost

       Ingwerwasser

       Theaterdonner

       Blutstein

       Scherben

       Doña Rosita

       Fremde

       Ritual

       Schwarze Farbe

       Nestflüchter

       Ranz

       Traumpaar

       Eiswürfel

       Mandelblüte

       Eleonore

       Doña Natalie

       Lockjagd

       Grau

       Nebel

       Melodie

       Kram

       Moment

       Schmerz

       Verwandlung

       Eismantel

       Kirschblüten

       Impressum neobooks

      Prolog

      Auf dem Heimweg von der Penne hatte Walther noch immer den Satz im Ohr, den der Mann im schlecht geschnittenen Präsent-20-Anzug in Anwesenheit des Direktors gesagt hatte: Sie wollen doch studieren, junger Mann! Sie wollen doch studieren, junger Mann! Als ob er eine Schallplatte hörte, die einen Sprung hatte. Zu Hause knallte er die Schultasche auf den Boden. Seine Oma stand plötzlich neben ihm, er hatte sie nicht kommen hören. Er erschrak, als er ihr bleiches Gesicht sah.

      Sie hielt einen Brief in den zitternden Händen. »Walther ... ein Brief von drüben ... für dich.«

      »Ein Brief von drüben ... für mich?«

      »Ich kenne keine Maria Smilonsky, die in der Eggersallee zwei in Hamburg wohnt. Bin nie dort gewesen ... vor dem Mauerbau, aber ...«

      »Aber?«

      »Schau mal! Es ist die Handschrift deiner Mutter.« Sie gab ihm den Brief.

      Für Walther Winter stand darauf, Blücherstraße 69, x25 Rostock. Die Schleifen der Ws in seinem Namen sahen tatsächlich so aus wie von ihr geschrieben. Ja, es war unverkennbar ihre Handschrift! Er fühlte die Hitze im Gesicht.

      »Entschuldige, ich muss mal kurz allein sein.« Er stürzte an ihr vorbei und lief in sein Zimmer. Dort warf er den Brief auf den dunklen schweren Schreibtisch und trat gegen den Sockel, aber er tat sich nur weh. Er wanderte im Zimmer umher, drei Schritte zur Terrassentür, fünf Schritte zur Tür, sieben Schritte zurück zum Schreibtisch, immer vorbei an dem dunklen Bücherregal.

      Die Sekretärin hatte ihm heute mit flatternden Lidern die Tür zum Direktorenzimmer aufgehalten. Direktor Bockholdt, von dem alle Schüler wussten, dass er ein Verhältnis mit der Englischlehrerin Miss Daduna hatte, und der ihm in der vergangenen Woche eine Fünf in Staatsbürgerkunde gegeben hatte, weil Walther der Meinung war, dass Konkurrenzkampf das Geschäft belebt, stand die glänzende Stirn mit dem Taschentuch tupfend neben einem fetten Mann, der sich als Ich-bin-der-Herr-Ziermann vorstellte. Der Mann öffnete den Anzugknopf, das Hemd spannte über dem fetten Bauch, und setzte sich an den Sprelacarttisch. »Setzen Sie sich, ich muss mit Ihnen über Ihre Eltern reden.«

      Bockholdt nahm ebenfalls Platz.

      Walther setzte sich mit klopfendem Herzen auf die Stuhlkante.

      Ich-bin-der-Herr-Ziermann blätterte im Notizbuch. »Sie sind also Walther Winter, geboren am 13. August 1954 in Rostock?«

      »Ja.«

      »Ja! Sie leben seit dem vergangenen Sommer bei Ihren Großeltern väterlicherseits?«

      »Ja.«

      »Ja! Wo sind Ihre Eltern?«

      »Ich weiß es nicht.«

      Ich-bin-der-Herr-Ziermann sah ihn streng an. »Sie wissen es nicht?«

      »Nein.«

      »Nein!«

      »Zuerst war mein Vater weg, dann meine Mutter. Einfach verschwunden.«

      »Und das soll ich Ihnen glauben?«

      »Ja.« Seine Wangen glühten. Das taten sie immer, wenn er beschuldigt wurde, egal, ob er schuldig war oder nicht.

      »Ja!« Er blätterte wieder im Notizbuch.

      Bockholdt putzte die Brille mit dem stirnfeuchten Taschentuch. Er spuckte auf die Gläser, als ob Fliegendreck