J.P. Conrad

Die Beichtkammer


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ich. »Hallo?« Ich hämmerte mit den Fäusten gegen das Türblatt, was ein dumpfes und massiv klingendes Geräusch verursachte.

      »Das bringt nichts«, erklärte Sam Greenwood unaufgeregt. »Habe ich schon versucht. Da reagiert niemand.«

      Ich legte mein Ohr an und lauschte. Aber ich hörte absolut nichts; nur meinen eigenen, gesteigerten Herzschlag.

      Ich konnte es einfach nicht glauben; man hatte mich wirklich gekidnappt! Wie man es aus etlichen Fernsehkrimis oder auch seltener aus den Nachrichten kannte, schien ich hier in diesem Raum gefangen und der Willkür eines oder mehrerer Verbrecher ausgeliefert zu sein.

      »He! Macht die verdammte Tür auf!«, rief ich jetzt lauter und mit einer Mischung aus Verzweiflung und Wut. Ich trat mehrfach gegen die Tür und versuchte es dann noch mit einem langgezogenen »Hilfe!«. Aber natürlich brachte auch das nichts.

      Ich war noch nie irgendwo eingesperrt gewesen, daher war mir alleine dieser Umstand, selbst ohne den Aspekt der Entführung, schon sehr unangenehm.

      »Setzten Sie sich wieder!«, bat mich Sam eindringlich und deutete mit der flachen Hand Richtung Boden.

      Ich sah ihn verwundert an. »Wieso? Wollen Sie nicht hier raus?«

      »Klar, natürlich. Aber so wird das doch nichts. Und Ihr Geschrei verängstigt die Kleine doch nur noch mehr.«

      »Sag noch einmal Kleine zu mir, du Arschloch!«, fauchte Amy und ihre verheulten, roten Augen bildeten dünne Schlitze, als sie ihn ansah.

      »He, schon gut!«, versuchte ich sie zu beschwichtigen. »Das hat er nicht böse gemeint.«

      Sam entgegnete nichts und sah verärgert zur Seite.

      »Was ist das letzte, woran du dich erinnerst, bevor du hierher kamst?«, fragte ich das Mädchen ruhig und ging vor ihr in die Hocke.

      Sie wich meinem Blick aus, schaute einfach an mir vorbei. Das ärgerte mich.

      »He, du!« Ich wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht. »Wenn wir hier raus wollen, müssen wir zusammen halten und uns gegenseitig helfen.« Jetzt sah sie mich an; Verachtung stand in ihrem Blick.

      »Ich kenne euch zwei Penner nicht. Also fickt euch.«

      Ich verzog irritiert das Gesicht. »Reizend. Du willst also hier rum sitzen, die Hände in den Schoss legen und nichts tun?« Meine Worte prallten einfach an ihr ab. »Na schön, aber dann erhöhen sich mit jeder Stunde deine Chancen, dass du den da benutzen musst!« Ich deutete auf den Eimer.

      Das zeigte offensichtlich Wirkung. Sie sah zuerst den Eimer und dann mich entgeistert an.

      »Wie sollen wir denn hier raus kommen? Ist doch aussichtslos«, raunte sie.

      Sam verdrehte die Augen und warf die Arme in die Luft. »Pah, mein Gott! Ist das die Jugend von heute? Was ist das denn für eine Einstellung? Lieber mit den Händen in den Hosentaschen ertrinken, als auch nur zu versuchen, zu schwimmen?«

      Ich nickte zustimmend. »Schöner Vergleich.«

      Amy strafte uns beide abwechselnd mit einem missbilligenden Blick. »Was labert ihr für eine Scheiße? Der da hat bis eben gepennt.« Sie nicke in meine Richtung. »Und du bist wie ein kleiner verängstigter Junge auf und ab gelaufen oder hast gegen die Tür gehämmert. Das bringt uns ja unheimlich weiter.«

      »Dein Sarkasmus öffnet uns auch nicht gerade Tür und Tor«, entgegnete ich trocken.

      Sam schlug sich mit den Händen auf die Oberschenkel. »Also das ist echt toll! Vielleicht sollten wir jetzt mal mit diesem Gezänke aufhören und anfangen, uns mit der Situation auseinanderzusetzen. Gemeinsam

      »Er hat Recht.«

      »Super«, grummelte Amy sarkastisch und verschränkte ihre Arme noch etwas mehr.

      Ich ignorierte es und lehnte mich gegen die Tür. »Okay. Was wissen wir? Augenscheinlich wurden wir alle drei entführt.«

      Sam nickte. »Offensichtlich. Warum auch immer. Und zuvor muss ich niedergeschlagen worden sein oder so. Ich weiß es, ehrlich gesagt, nicht mehr.«

      Ich überlegte. »Hm. Geht mir ähnlich. Hatten Sie ein Schwindelgefühl, als sie wieder zu sich kamen?«

      »Ja. Aber wenn ich es mir genau überlege, eher weniger von einem Schlag. Ich habe auch keinerlei Schmerzen irgendwo. Es war eher…«

      »Wie eine Betäubung«, fügte ich automatisch hinzu. Ja, auch ich hatte das Gefühl, dass keine physische Gewalt im Spiel gewesen war. Wenn ich mich doch nur hätte erinnern können. Aber es war wie nach dem Aufwachen aus einem Albtraum; zu schnell verblassten die Bilder und verronnen wie Sand zwischen den Fingern.

      »Was ist das letzte, an das Sie sich erinnern können?«, fragte ich Sam.

      »Ich war im Shoppingcenter. Das in Westfield. Ich habe ein paar Sachen ins Auto gebracht, in die Tiefgarage.«

      »Und?«

      »Nichts. Das war’s. Danach bin ich hier aufgewacht. Und Sie?«

      Viel mehr gab es da leider auch nicht zu erzählen. »Ich war Zuhause in meinem Appartement. Ich habe am Schreibtisch gesessen und gearbeitet.«

      »Was tun Sie?«, fragte Sam.

      »Ich bin Lektor bei Headmans & Sprouse.«

      »Dem Verlagshaus?«

      »Ja.« Kein sehr aufregender Job, aber er war gut bezahlt und man wurde immer mit neuem Lesestoff versorgt; manchmal waren sogar ein paar richtige Perlen dabei. »Auf jeden Fall habe ich am Computer gearbeitet, als es an der Tür geklingelt hatte. Ich bin hin, habe geöffnet und…«

      »Und Filmriss, richtig?«, fügte Sam hinzu.

      Ich nickte. »Ja, leider.«

      »Das ist doch alles Scheiße!«, meldete sich jetzt Amy trotzig.

      »Meine Liebe, da stimme ich dir voll und ganz zu«, sagte ich und mir kam ein Gedanke. Ich tastete die Taschen meiner Jeans ab. Sie waren leer. Ebenso die Brusttasche meines Hemds. »Hat denn jemand irgendwas bei sich, das uns nützlich sein könnte?« Selbst meine Armbanduhr hatte ich nicht mehr, wie ich feststellte.

      Sam schüttelte direkt den Kopf. »Gar nichts. Nicht mal mehr meinen Autoschlüssel.«

      Ich schaute zu Amy. »Und du?«

      Sie schüttelte stumm den Kopf.

      »Sicher?«

      »Ja, MacGyver. Sicher!«, kläffte sie.

      »Oh, Sie kennt sich mit TV-Serien der achtziger aus. Toll!«

      Ich strafte Sam mit einem verärgerten Blick. Solche Bemerkungen würden das Mädchen nur noch mehr gegen uns aufbringen.

      »Ich habe auch nichts«, sagte ich und stelle mich wieder vor die Tür. Mit den Händen fühlte ich an der Zarge entlang; keine, Ahnung, warum. Und in der Tat brachte es mir keine neuen Erkenntnisse. Dann ging ich zu der Wand, an der ich zuvor gesessen hatte, klopfte mit der Faust in Augenhöhe gegen die Ziegel. Sie alle waren ordentlich verfugt und klangen solide. Ich wiederholte den Test an mehreren Stellen an allen vier Wänden. Überall das gleiche. Ich sah zur roh verputzten Decke: Dort liefen zwei Stahlträger quer durch den Raum, dazwischen hing die Lampe. Dann ließ ich meinen Blick einmal durch den Raum schweifen.

      »Kein Lüftungsschacht oder ähnliches«, stellte ich mit Unbehagen fest.

      Sam nickte ernst. »Richtig. Wird wohl nicht mehr lange dauern, bis uns hier drin der Sauerstoff ausgeht.«

      Ich schätzte den Raum auf höchstens zwölf Quadratmeter. Mit drei Personen, die darin atmeten und Kohlenmonoxyd ausstießen, konnte das bald zum Problem werden. Die Frage war nur, ob unsere

      Entführer wirklich beabsichtigten, uns ersticken zu lassen. Ich bezweifelte es.

      »Sicher werden die sich bald mit und befassen.«

      »Die?«