Gerstäcker Friedrich

Buntes Treiben


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Thier ein, als ihm die Möglichkeit durch den Sinn fuhr, daß ihm die Wirthin selber eine solche „Falle" gelegt habe, und er, albern genug, hinein getappt sei. Aber das war auch nur für einen Moment, denn er verwarf den Gedanken fast so rasch wieder, wie er ihn gefaßt hatte. Nein, die Wittwe Roßberg wäre die Letzte dazu gewesen, und er trug jedenfalls an der ganzen Sache genau so viel Schuld, als sie selber. Weshalb hatte er sich auch bis jetzt gar keine Mühe gegeben, um die englische Sprache zu erlernen; nun war das Unglück geschehen, und einen schönen Skandal würde die Geschichte in der Ansiedelung Hervorrufen, wenn sie erst erfuhren, daß sich der „goldene Affe" mit dem „goldenen Löwen" - verheirathet habe. Es war eigentlich zu toll, und kein vernünftiger Mensch hätte etwas so Wahnsinniges auch nur ahnen, viel weniger denn vermeiden können.

      Und was jetzt? Das Gescheiteste war am Ende, daß er sein Wirthshaus geradezu verkaufte und in einen andern Staat, am liebsten über den Mississippi hinüber, zog; aber wie hätte der „goldene Löwe" nachher triumphirt, und blieb er hier - der Teufel sollte das Nachdenken und Grübeln holen, und seinem Thier plötzlich die Sporen gebend, sprengte /61/ er den Rest des Weges dahin und in seinen eigenen Hof hinein.

      So vergingen die nächsten Tage, und Pechtels betrat in der ganzen Zeit nicht ein einziges Mal die Straße, aus Furcht, die Wirthin gegenüber am Fenster zu sehen. Deshalb brauchte er aber nicht besorgt zu sein, denn Frau Roßberg selber wagte sich, genau aus dem nämlichen Grunde, weder an eins ihrer Fenster noch an die Thür, und doch wußten Beide, daß sich ein Wiederbegegnen wohl künstlich hinausschieben ließ, zuletzt aber doch nicht mehr vermieden werden konnte. Ja, hätten sie in einer großen Stadt gelebt, so wäre es möglich gewesen; hier aber, wo die ganze Häusermasse der kleinen Ortschaft inmitten der Colonie aus der Kirche, zwei Wirthshäusern, einer kleinen Schmiedewerkstatt, einem Kram- und Spezereiladen und etwa fünf Bauerwohnungen bestand, während der Verkehr sämmtlicher Kolonisten nur auf diese angewiesen blieb, war ein längeres Ausweichen nicht gut möglich.

      Frau Roßberg hatte indessen in ihrer hinten hinaus liegenden Schlafstube, die sie jetzt bewohnte, die Zeit nicht unbenutzt verstreichen lassen und einen Brief an ihren Konsul aufgefetzt, in welchem sie die ganzen Verhältnisse - auch die mit den beiden Wirthshausschildern - genau beschrieb und darin sowohl, wie in der widerrechtlichen Trauung, Consulatshülfe nachsuchte. Frau Roßberg war aber, wenn auch eine ganz tüchtige Frau und mit der Feder ziemlich gut vertraut, doch keine sehr rasche Briefschreiberin. Die Sache war außerdem zu wichtig und durfte nicht über's Knie gebrochen, sondern mußte klar und einfach, ohne unnöthige Worte ausgeführt werden, und dreimal schrieb sie den Brief über, und brauchte jedesmal dazu drei Stunden, was ihr dann, mit den anderen nöthigen Arbeiten, auch drei volle Tage nahm. Am dritten Tag aber hatte sie das Schreiben „postfertig". Der Mailrider (berittener Postbote) mußte außerdem den nächsten Tag, etwa zur Mittagszeit, durch die Ansiedelung kommen und wechselte da jedesmal Pferde im „goldenen Löwen", und in vierzehn Tagen spätestens konnte sie Antwort von Cincinnati haben. War es doch bis zum Ohiostrom kaum dreißig Meilen, und von da an nahmen die Dampfer die Briefe mit stromauf.

      Von Pechtels hatte sie indessen gar nichts gehört, und merkwürdiger Weise war auch von der letzten Begebenheit in Karthago noch gar nichts in der Ansiedelung bekannt geworden. Man frug sie allerdings mehrmals, wie „die Klage" abgelaufen, da sie aber ausweichende Antworten gab: „so rasch ginge eine solche Sache nicht" und dergleichen mehr, so beruhigten sich die Deutschen vollkommen damit. Daß es bei den Gerichten nicht rasch ging, wußten sie alle gut genug aus eigener Erfahrung.

      Mit merkwürdiger Verschwiegenheit wahrte aber sogar die Kathrine ihre Zunge, einestheils wohl der „Base" zu Liebe, anderntheils aber auch, weil sie, die gern Staat mit ihren paar Brocken Englisch machte, den Gedanken selber nicht ertragen konnte, daß in ihrer Gegenwart ein derartiges Mißverständniß habe stattfinden können.

      Räthselhaft blieb übrigens beiden Frauen das Benehmen des „Affenwirths", denn wie sie anfangs gefürchtet hatten, daß er den unangenehmen Vorfall gegen den „goldenen Löwen" ausbeuten würde, so that er jetzt gerade das Gegentheil, ließ sich nicht einmal blicken und konnte keinenfalls ein Wort gegen irgend Jemanden über die Sache geäußert haben, oder es wäre ihr doch gleichfalls und zwar schnell genug zu Ohren gekommen. Was er freilich beabsichtigte, blieb noch in Dunkel gehüllt, aber - sie sollten an dem nämlichen Tage noch mehr in Erstaunen versetzt werden.

      Es war Mittagszeit, die Frau aß gewöhnlich mit der Kathrine allein in ihrer Stube, und das Essen stand schon auf dem Tisch. Die Base war nur noch einmal hinaus gegangen, um das in der Küche vergessene Salz zu holen, als sie aber zurückkam, hatte sie es wieder vergessen und schlug die Hände zusammen und rief vor lauter Erstaunen:

      „Nein, denkt Euch nur einmal, Base, nicht für menschenmöglich sollte man's halten, wenn ich's nicht mit eigenen Augen gesehen hätte -"

      „Aber was ist denn geschehen, Base?" rief die Wirthin fast erschreckt.

      „Was geschehen ist?" sagte aber die alte Frau, „Ihr glaubt's nicht und wenn ich's Euch auch erzähle, aber Ihr /63/ könnt Euch selber überzeugen - der Affenwirth hat seinen Affen abgenommen."

      „Der Pechtels?" sagte die Wirthin erstaunt, „aber weshalb?"

      „Ja, das weiß der liebe Gott: ich wahrhaftig nicht."

      „Vielleicht will er ihn frisch übermalen lassen."

      „Aber er war ja noch so gut wie neu."

      „Dann steckt eine andere Lumperei dahinter," nickte die Wirthin mit finster zusammengezogenen Brauen, „dem trau' ich Alles zu; wir werden es sehen und erleben."

      „Aber der Affe ist herunter," bestätigte die Alte, „so viel ist sicher, und wenn er ihn nicht wieder hinauf hängt -"

      „Ja, wenn er," nickte die Wirthin, „und das müssen wir abwarten. Aber jetzt kommt zum Essen, es wird ja Alles kalt, und das Salz habt Ihr auch nicht mit herein gebracht."

      Die Alte schoß wieder zur Thür hinaus, und als sie endlich mit der Base am Tisch saß, wollte sie immer wieder vom „Affenwirth" anfangen und sich wundern, was ihn dazu getrieben haben konnte. Die Wirthin aber wehrte ihr; sie mochte wahrscheinlich von der ganzen Sache gar nichts hören und verzehrte still und schweigend ihre Mahlzeit.

      Der nächste Tag kam und mit ihm der Postbote, aber das Schild da drüben war in der That verschwunden, und wenn es der Wirth vom „goldenen Affen" nicht wieder festmachte, so konnte sie doch den Brief nicht abschicken, worin sie sich gegen den Konsul darüber beklagte. Das mußte sie jedenfalls wieder herausnehmen und deshalb die nächste Post abwarten, die drei Tage später ging. Der Mailrider passirte jede Woche zweimal die Ansiedelung, und der Brief kam deshalb wieder in ihren Nähtisch, um erst das Weitere abzuwarten.

      Und wieder verging der Tag. Das Schild blieb entfernt, und die aus der Ansiedelung kommenden Deutschen, wie die Bewohner des kleinen Orts zerbrachen sich den Kopf darüber, was wohl die Ursache von Pechtels' Benehmen sein könne. Dieser schwieg nämlich hartnäckig darüber, und es blieb deshalb kaum noch einem Zweifel unterworfen, daß der Friedensrichter zu Gunsten der Wittwe entschieden haben mußte. Aber /64/ daß diese dann nicht wenigstens den Mund aufthat, setzte die Leute am meisten in Erstaunen.

      Am sechsten Tage, gleich nach der gewöhnlichen Mittagsstunde, kehrte der Händler Rosenthal von einer Tour aus der Nachbarschaft zurück und wie gewöhnlich im „goldenen Affen" ein. Er hielt aber erst eine Weile vor der Thür, weil er das Schild nicht mehr sah, und erkundigte sich, ob das Wirthshaus noch bestehe. In dessen Einrichtung war aber nichts geändert, und der kleine Wagen rasselte in den Hof.

      Frau Roßberg hatte durch die Base augenblicklich erfahren, daß der „Jude" eingetroffen sei, und das Herz klopfte ihr fast hörbar in der Brust, denn daß nun ihr Geheimniß bald kein Geheimniß mehr bleiben würde, ließ sich denken. Welches Interesse konnte der Affenwirth auch haben, es zu halten - merkwürdig genug, daß er überhaupt nur so lange geschwiegen hatte.

      Die Kathrine war hinausgegangen, um den Kaffee zu besorgen, und die Wirthin saß allein in ihrem kleinen Zimmer, den Kopf in die Hand gestützt, am Fenster, das nach dem Hof hinaus führte, und das Herz war ihr recht zum Brechen schwer.

      Da