Jochen Polanski

"Die Jagd, die Beute und der Tod"


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einer negativen Erfahrung getrieben zu sein, die ihn zutiefst gekränkt hat. Er versucht es zu kompensieren, auf eine kranke, psychopathische Weise, die auf nichts Gutes schließen lässt. Es scheint sich hierbei um einen Mann zu handeln, in dem dieses perverse Potenzial schon schlummerte, sozusagen, es musste nur erweckt werden.“

      „Gut,“ pflichtete Bea bei. „Wahrscheinlich hatte er schon in seiner Jugend oder sogar, wenn auch nicht im ausgeprägten Maße, in der Kindheit Phantasien, in denen er Frauen omnipotent seine Männlichkeit bewies. Kann gut sein. Es kann gut sein, dass es auf die eine oder andere Art so tatsächlich ist. Und wenn eine Frau dahintersteckt, sagen wir mal, er war Jahre lang mit ihr zusammen, und alles passte, das muss oder könnte es ihn dazu gebracht haben, seine teuflische Flamme zum lodernden Brand zu entfachen. Maßlose Enttäuschung, verständnisloses Verlassen.“

      Paulsen unterbrach, „Ich denke, im Großen und Ganzen steht das Profil.“

      „Jürgen, du nimmst es mir vorweg.“

      „Jungs, es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir von einem weiteren Mord wissen.“

      Es war der 28. November, als die Kripo Frankfurt im Kölner Präsidium anrief. Hauptkommissar Brand telefonierte mit Hauptkommissar Krüger.

      „Die Leiche wurde heute Morgen gegen 8 Uhr gefunden. Es ist eine junge Frau, verschnürt in einem Müllsack.“

      „Krüger, in Köln passierten zwei Morde nach dem gleichen Muster. Sie wurde vergewaltigt hatte einen Brandstreifen am Oberkörper, von links unten nach rechts oben, den ein Stromschlag verursacht hat.“

      „Das ist wahr,“ Hauptkommissar Krüger hielt inne, „dann haben wir es mit demselben Täter zu tun. Was schlagen sie vor, da kommt doch nur eine Sonderkommission in Frage!“

      Sie haben Recht. Eine Kooperation ist notwendig, nur so können wir effizient ermitteln. Alles andere wäre suboptimal. Sie haben doch Spezialisten, die sich bestens mit Serienkillern auskennen?“

      „Selbstverständlich, und wir werden das BKA hinzuziehen. Anders geht es nicht. Drei Morde in drei Wochen, jedes mal am Wochenende, so wie wir ermitteln konnten.“

      „Ja, jedes mal an einem Freitag, und jetzt schon der dritte Mord. Wo soll das hinführen? Ich gebe Brief und Siegel drauf, dass das auch hier zutrifft.“ Brand schaute kurz Paulsen und Nowak an. “Wissen Sie schon Näheres über die Person des Opfers?“

      „Die Obduktion ist noch nicht abgeschlossen, die Rechtsmedizin arbeitet auf Hochtouren. Und natürlich haben wir die Mitfahrzentrale befragt. Es handelt sich um eine Brigitte Neuhauser. Genauere Untersuchungen haben ergeben, sie war alleinstehend, wohnte in einem kleinen Appartement in der Mainzer Landstraße, sie war ohne Job, ohne Ausbildung. Wir fanden heraus, dass sie ein Heimkind war, sie wuchs ohne Eltern in einem Waisenheim auf.“

      „Und wie hieß der Fahrer, der sie mitnahm?“

      „Thomas Wagner, die Angaben sind falsch, wir haben es überprüft. Er soll zwar in Köln wohnen, doch Name, Adresse und Kfz-Kennzeichen sind gefälscht.“

      „Ich wusste es, das ist er!“ Brand war auf eine Art zufrieden. Bea nickte ihm zu, Jürgen näherte sich Werner.

      „Ich schlage vor, dass sie morgen früh um 8 Uhr in unser Präsidium kommen. Das BKA wird dann auch anwesend sein. Wir arbeiten einen Plan aus, der den Zugriff des Täters als Ziel hat.“

      „Gut, wird sind morgen früh bei ihnen, auf Wiedersehen, Kollege Krüger.“

      „Auf Wiedersehen, Hauptkommissar Brand.“

      Hauptkommissar Krüger, Altmeier, Stock und Dahlke saßen an ihren Schreibtischen der Frankfurter Mordkommission, als Brand mit den zwei Kollegen das Büro betrat. Akten wurden gewälzt, Fotos verglichen und am Rechner gearbeitet, Schriftstücke und Artikel, Dokumente hingen an einer Metaplanwand.

      „Ich begrüße Sie, Kollege Brand.“

      „Das sind meine Kollegen Nowak und Paulsen.“

      Krüger deutete auf einen blondhaarigen Hünen, in Casualwear gekleidet, ein blau-weiss-gestreiftes Cityhemd, mit unauffälligem Schlips, dazu dunkle Hose und Jackett.

      „Darf ich vorstellen. BKA-Agent Kruse. Er wird die Sonderkommission leiten. Wenn sie bitte fortfahren, Herr Kruse.“

      „Der bisherige Stand der Ermittlungen ist dürftig. Mit Sicherheit sind Spuren übersehen worden. Serienmörder sind etwas Besonderes: Sie planen nicht aus Rache, Neid, Habgier, Missgunst oder im Affekt: Sie planen ihre Tat bis ins kleinste Detail, und jede Einzelheit ist Teil ihres Rituals. Mit Sicherheit haben wir es mit einem Mann zu tun, der an narzisstischer Persönlichkeitsstörung leidet. Er weidet sich an den Wunden, die er dem Opfer antut, er macht sie sprach und gehörlos, damit sie nichts mit kriegen und er ungestört, überwältigend und mit gewaltigem Potenzial an Übermacht seine Opfer penetriert.. Als wäre der Stromschlag und all das nicht genug, peinigt er sie mit Schlägen am Oberkörper, malträtiert ihre Brüste, quetscht an den Armen und setzt einen finalen Schlag an den Solarplexus, der vor seiner Ejakulation gekommen sein muss. Die Ergebnisse der Autopsie haben ergeben, dass das Ejakulat nicht bei lebendigem Leibe in die Frauen eindrang. Meine Damen und Herren, dieser Mann hat sadistische Züge, mit Anteilen an Nekrophilie, und seine Obsession konzentriert sich auf die Brüste und Vagina. Der Busen wird im Warzenvorhof der rechten Brust durch den Strom verstümmelt und seine gewaltige Penetration, - die äußeren und inneren Schamlippen zeigen Risse, geplatzte Adern -, hat nicht allein das Genital verursacht. Der Mann muss im mittleren Alter sein, Mitte dreißig, mit Sicherheit attraktiv und durchtrainiert, ein Womanizer, wie es neudeutsch heißt, der es wahrscheinlich gar nicht nötig hätte, derartige Eskapaden sich zu leisten. Und mit Sicherheit führt er das unauffällige Leben eines Bürgers, der geschickt seine Schattenseite versteckt. Wir müssen vor allem in Köln und Frankfurt gezielt Mitfahrzentralen überwachen. Wenn das Täterprofil zutrifft, greifen wir zu.“

      Kruse beendete seine Rede. Brand hatte währenddessen nicht nur ihm konzentriert zugehört und ihn beobachtet, sondern auch Krüger, der noch keine vierzig war, vielleicht war er im Alter von Bea. Sein schwarzer Schnauzer und die wenigen Millimeter kurzgeschnittenen Haare betonten seine wachen braunen Augen, die eine sympathische Selbstsicherheit ausstrahlten. Es sprach für sich, dass er die Frankfurter Mordkommission leitete. Und dieser Kruse musste ein studierter Mann sein, anders konnte er sich nicht den Vortrag erklären. Mit Sicherheit hatte er schon einige Serienkiller dingfest gemacht.

      „Das erfordert einen enormen Aufwand, Personal, dass in der heutigen Zeit fehlt, so wie ich sie verstehe,“ warf Brand ein, „muss eine große Zahl an Kriminalbeamten ran.“

      „Ja und nein, wichtig ist hierbei die Vorgehensweise,“ Kruse erhob seinen rechten Arm, drückte den Daumen an den Zeigefinger, “die Computer gestützte Überwachung, das Abhören der Telefonate und die Observierung der Zielperson erfordert eine nicht geringe Anzahl an spezialisierten Mitarbeitern, die die Operation durchführen.“

      „Ich muss dazu sagen,“ jetzt war es an Bea, „ der Täter ist auch computergestützt aktiv. Es kann gut sein, dass ihn Software und seine Fähigkeiten warnen.“

      „Das ist mir auch klar, Hauptkommissar Nowak, doch es gibt nur diesen Weg , den Täter zu packen.“

      „Ja, das streite ich nicht ab. Doch wir müssen damit rechnen, das er das Opfer anders auswählt.“

      „Wir müssen vor allem die Presse kurz halten, versuchen, dass sie mit ihren aufdringlichen Recherchen unsere Ermittlungen hindert,“ meinte Krüger.

      „Ich kümmere mich darum,“ sagte Hauptkommissar Stock.

      „Gut, mach das Andreas, “ Stock war ein untersetzter Beamter mit lichten, hellbraunen Haar, energisch und drahtig, seine Statur ließ seine Tatkräftigkeit erkennen und sein Lachen war aufbauend.

      „Wir dürfen nicht zulassen, dass ein weiterer Mord passiert, wir geraten sonst enorm unter Zugzwang. Von der Blamage ganz zu schweigen.“ Kruse strich durch seinen blonden Nacken, rieb sich an den Handinnenflächen.“

      „Wir