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Tisch, und da er auf den Gesichtern aller ein Schmunzeln bemerkte, lächelte er ebenfalls. Der Handel wurde geschlossen, und Mr. Bumble erhielt sofort den Befehl, Oliver Twist am Nachmittag dem Friedensrichter zur amtlichen Bestätigung des Lehrvertrages vorzuführen.

      Demgemäß wurde der kleine Oliver zu seinem maßlosen Erstaunen aus seinem Kerker befreit und erhielt den Befehl, ein frisches Hemd anzuziehen. Er hatte kaum diese ungewohnte gymnastische Übung beendet, als Mr. Bumble ihm eigenhändig einen Napf Hafergrütze und das sonntägliche Deputat Brot brachte. Bei diesem furchtbaren Anblick begann Oliver bitterlich zu weinen, denn er dachte ganz natürlich nicht anders, als daß ihn das Kollegium zu irgendeinem nützlichen Zwecke schlachten lassen wolle, denn sonst hätte es wohl schwerlich angefangen, ihn in dieser Weise fett zu machen.

      »Heul' dir die Augen nicht rot, Oliver, sondern iß und sei dankbar,« sagte Mr. Bumble in würdevollem Tone. »Du sollst in die Lehre gegeben werden.«

      »In die Lehre?« fragte das Kind zitternd.

      »Jawohl, Oliver,« erwiderte Mr. Bumble. »Die gütigen Herren, die ebenso viele Eltern für dich sind, da du keine eigenen hast, wollen dich in die Lehre geben, damit du im Leben auf deinen eigenen Füßen stehen kannst, und wollen einen Mann aus dir machen, obgleich die Summe, die das Kirchspiel dafür zu bezahlen hat, drei Pfund zehn Schilling beträgt – drei Pfund zehn Schilling, Oliver! siebzig Schillinge – einhundertundvierzig Sixpences! und all das für so ein ungeratenes Waisenkind, das niemand leiden kann.«

      Als Mr. Bumble in seiner Rede innehielt, um Atem zu schöpfen, rollten die Tränen dem armen Kinde die Wangen hinunter, und es schluchzte bitterlich.

      »Nun, laß gut sein, Oliver,« sagte Mr. Bumble etwas weniger würdevoll, denn er war mit der Wirkung seiner Beredsamkeit zufrieden. »Wisch dir die Augen mit den Ärmeln deiner Jacke und weine nicht in deine Hafergrütze. Das ist Dummheit.« Das war es sicherlich, denn es befand sich schon genügend Wasser darin.

      Auf dem Wege zum Friedensrichter schürfte Bumble Oliver auf das eindringlichste ein, daß alles, was er zu tun hätte, darin bestünde, recht glücklich auszusehen, und wenn der alte Herr ihn frage, ob er in die Lehre gehen wolle, zu antworten, er freue sich schon sehr darauf. Oliver versprach, beiden Weisungen nachzukommen, um so mehr als Mr. Bumble ihm in einem freundlichen Hinweise androhte, es würde ihm sonst sehr schlecht ergehen. An Ort und Stelle angelangt, wurde er in ein kleines Zimmer eingeschlossen, und Mr. Bumble sagte ihm, er solle hier bleiben, bis er wiederkäme und ihn abholte.

      So blieb denn der Knabe mit klopfendem Herzen eine halbe Stunde allein. Nach deren Verlauf steckte Bumble seinen bloßen, nicht mit dem dreieckigen Hut geschmückten Kopf herein und sagte laut: »Nun Oliver, mein Kind, komme jetzt zu dem Herrn!«

      Während Mr. Bumble dies sagte, warf er dem Knaben einen grimmigen, drohenden Blick zu und fügte leise hinzu: »Erinnere dich an das, was ich dir gesagt habe, infamer Bengel!«

      Oliver starrte bei diesem verschiedenen Ton der Anrede Mr. Bumble unschuldig in das Gesicht, aber dieser Herr führte ihn in das anstoßende Zimmer, dessen Tür offen stand, und schnitt ihm dadurch jede weitere Bemerkung ab. Es war ein geräumiges Zimmer mit einem großen Fenster. Hinter einem Pulte saßen zwei alte Herren mit gepuderten Perücken, von denen der eine eine Zeitung las, während der andere mit Hilfe einer Schildpattbrille ein kleines vor ihm liegendes Stück Pergament prüfte. Mr. Limbkins stand vor dem Pulte auf der einen Seite, Mr. Gamfield mit teilweise gewaschenem Gesichte auf der anderen.

      Der alte Herr mit der Brille schlief über dem Stück Pergament allmählich ein, und es entstand eine kurze Pause, nachdem Oliver, von Mr. Bumble geführt, sich vor das Pult hingestellt hatte.

      »Dies ist der Knabe, Euer Edlen,« sagte Mr. Bumble.

      Der alte Herr, der die Zeitung las, erhob einen Augenblick den Kopf und stieß den anderen alten Herrn an, worauf dieser erwachte.

      »Ah, das ist also der Knabe?« fragte er.

      »Ja, dies ist er, Euer Edeln,« erwiderte Mr. Bumble. »Mache dem Herrn Friedensrichter eine Verbeugung, mein Kind.«

      Oliver gehorchte und machte sein schönstes Kompliment, das um so tiefer ausfiel, da er noch nie Herren mit gepuderten Perücken gesehen hatte.

      »Der Knabe wünscht also Schornsteinfeger zu werden?« sagte der Friedensrichter.

      »Mit Gewalt,« sagte Bumble, »will's mit Gewalt werden, Euer Edeln; würde übermorgen wieder entlaufen, wenn wir ihn morgen in ein anderes Geschäft gäben.«

      Der Friedensrichter wendete sich zu dem Schornsteinfeger.

      »Und Sie versprechen, ihn gut zu behandeln, ordentlich zu speisen, zu kleiden und was weiter dazu gehört?«

      »Wenn ich's einmal gesagt habe, daß ich's will, so ist's auch meine Meinung, daß ich's will,« erwiderte Gamfield barsch.

      »Ihre Rede ist eben nicht fein, mein Freund; doch Sie scheinen ein ehrlicher, geradsinniger Mann zu sein,« bemerkte der alte Herr und richtete seine Brille auf den Meister, auf dessen häßlichem Gesichte die Brutalität deutlich zu lesen stand. Aber der Friedensrichter war halb blind und halb kindisch, und so konnte man füglicherweise nicht verlangen, daß er das bemerke, was anderen auf den ersten Blick auffiel.

      »Ich hoffe, ich bin es, Sir,« erwiderte Mr. Gamfield grinsend.

      »Ich hege daran nicht den mindesten Zweifel, mein Freund,« erwiderte der alte Herr, setzte seine Brille fester auf die Nase und suchte nach dem Tintenfaß.

      Es war der kritische Augenblick in Olivers Schicksal. Hätte das Tintenfaß dort gestanden, wo es der alte Herr vermutete, so würde er seine Feder eingetaucht und den Vertrag unterzeichnet haben, und Oliver wäre dann auf der Stelle fortgeschleppt worden. Da es sich aber unmittelbar vor seiner Nase befand, so folgte daraus mit Notwendigkeit, daß er überall auf dem Pulte nach ihm suchte, ohne es zu finden, und da er nun beim Suchen auch gerade vor sich hinblickte, so fiel sein Auge auf das bleiche, verstörte Antlitz Oliver Twists, der trotz aller ermahnenden Blicke und Püffe Bumbles das abstoßende Äußere seines zukünftigen Lehrmeisters mit einem aus Grauen und Furcht gemischten Ausdruck betrachtete.

      Der alte Herr hielt inne, legte die Feder aus der Hand und blickte von Oliver zu Mr. Limbkins hinüber, der mit unbefangener, heiterer Miene eine Prise Schnupftabak zu nehmen versuchte.

      »Mein liebes Kind!« sagte der alte Herr, sich über sein Pult lehnend. Oliver fuhr beim Klang seiner Stimme zusammen. Dies läßt sich entschuldigen, denn die Worte wurden in freundlichem Tone gesprochen, und ungewohnte Laute erschrecken jeden. Er zitterte heftig und brach in Tränen aus.

      »Mein liebes Kind,« begann der alte Herr von neuem, »du siehst bleich und geängstet aus. Was ist dir?«

      »Treten Sie ein wenig von ihm weg,« sagte der andere Beamte, das Papier weglegend und sich mit einem Ausdrucke reger Teilnahme vorbeugend.

      »Nun, mein Kind, sage uns, was dir ist. Habe keine Furcht!«

      Oliver fiel auf die Knie nieder, hob die gefalteten Hände empor und flehte schluchzend, man möge ihn in das finstere Gemach zurückbringen, hungern lassen, schlagen, ja totschlagen – nur aber mit dem schrecklichen Manne nicht fortschicken.

      »Nun,« sagte Mr. Bumble, indem er seine Hände mit der eindrucksvollsten Feierlichkeit erhob und seine Augen emporschlug, »von allen hinterlistigen, niederträchtigen Waisenkindern, die ich je gesehen habe, bist du der erbärmlichste Kerl, Oliver.«

      »Halten Sie Ihren Mund, Kirchspieldiener,« rief ihm der zweite alte Herr zu, als Mr. Bumble seine Rede beendet hatte.

      »Ich bitte Euer Edeln um Verzeihung,« erwiderte Bumble, der nicht recht gehört zu haben glaubte. »Haben Euer Edeln zu mir gesprochen?«

      »Jawohl. Halten Sie Ihren Mund!«

      Mr. Bumble war starr vor Entsetzen. Einem Kirchspieldiener zu befehlen, den Mund zu halten! Das war ja wirklich eine Umwälzung aller sittlichen Begriffe!

      Der Friedensrichter blickte auf seinen Kollegen, der in bezeichnender Weise nickte.