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Gerhard Ebert
Hoffentlich musst du nicht in den Krieg
Erzählung
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Inhaltsverzeichnis
5.Noch zu grün hinter den Ohren
7.Hübsches Fräulein vor Helgoland
1.Mutters Sorge
Kaum hatten Tom und Kurt Platz genommen und zu frühstücken begonnen, verließ Mutter die Wohnküche. Tom hörte, wie sie die Bodentreppe hinaufstieg. Es knarrte beunruhigend. Ihm wurde heiß und kalt. Er gab sich Kunsthonig aufs Brötchen, ohne rechten Sinn dafür zu haben. Dann endlich, nach einer Ewigkeit, wie ihm schien, kam Mutter wieder herunter. Sie hatte seinen Schlafanzug in der Hand und packte ihn, ohne ein Wort zu verlieren, in den Korb unterm Waschtisch, in dem sie schmutzige Wäsche aufzubewahren pflegte. Tom duckte sich. Was sollte er antworten, wenn sie irgendetwas fragen würde? Aber Mutter schwieg, und er nahm sich noch ein Brötchen.
"Du musst auch Wurst essen", sagte sie plötzlich und schob ihm den Teller mit der Wurst zu. Tom wagte nicht, zu ihr aufzusehen. Aber dieser Hinweis auf Fleisch schien ihm nicht zufällig.
"Honig schmeckt mir ganz gut!" hörte er sich sagen.
Kurt grinste. Der Bruder wusste, dass Tom Honig eigentlich nicht so gern mochte.
Mutter aber sagte: "Du wächst, Junge, du brauchst Kraft."
"Hm", brummte Tom und griff nach einer Scheibe Blutwurst. Vielleicht war dies das beste Mittel, möglichen Fragen aus dem Wege zu gehen. In der Tat. Als Mutter sah, dass Tom ihrem Rat folgte, schien sie zufrieden. Das Problem, so schien ihm, war erst einmal vom Tisch.
"Die Reise wird anstrengend!" fügte Mutter jetzt noch hinzu.
Aha! Die Reise! Das war ihre Sorge.
Tom hatte - welch Glück - zwei Großväter! Da war Opa Reinhard, Mutters Vater, und da war Opa Arno, Papas Vater. Dieser zweite Opa, der Witwer war, eröffnete eines Tages Toms Eltern, er werde im September zu seiner Tochter Erna nach Bremen reisen und sei bereit, Tom mitzunehmen. Welch erfreuliche Überraschung! Mit Opa Arno war Tom bisher immer recht gut ausgekommen. Der war ein rüstiger Rentner und wanderte für sein Leben gern. Kaum eine Woche verging, in der er nicht in die nahe oder weitere Umgebung seiner Heimatstadt losspazierte. Oft durfte Tom mitkommen.
Besonderen Spaß machte es, wenn Opa zum Bahnhof ging. Dort setzte er sich meist auf eine Bank im gut gepflegten Park, fütterte die Vögel oder schwätzte mit diesem oder jenem Banknachbarn. Tom indessen kletterte auf den Zaun, um die vorüberfahrenden Eisenbahn-Züge zu bewundern.
Dieser Zaun schien geradezu gebaut für Buben wie ihn. Er war nämlich etwa einen halben Meter hoch aus Stein aufgesetzt, und darauf war ein Eisengitter montiert. Tom konnte bequem auf die Mauer hochsteigen, sich am Metall festhalten und stundenlang schauen. Die D-Züge fuhren schnell, weil sie eilig und ohne Halt durch den Bahnhof hindurch rasten, die Bummelzüge zuckelten langsam, weil sie am Bahnsteig hielten, damit Leute ein- und aussteigen konnten. Natürlich fuhren auch Güterzüge, meist lang und schier endlos, aber immer höchst interessant, weil mit allerlei Gütern beladen. Man musste sehr aufmerksam gucken; denn sie donnerten – zwar etwas langsamer - wie die D-Züge einfach an einem vorüber.
Weiter drüben auf dem Bahngelände, so sechs, acht Gleise entfernt etwa, wurde gelegentlich rangiert. Aufregend, wenn Wagen einzeln oder in Gruppen vom Rangierberg herunterkamen und auf den Bremsklotz aufliefen, den ein Eisenbahner hingelegt hatte. Das rumste und quietschte gewaltig. Leider tat ihm nicht ein einziges Mal ein Wagen den Gefallen und ratterte über den Bremsklotz hinweg. Dabei wäre das sehr aufregend gewesen! Wenn zum Beispiel der Wagen umgefallen wäre! Hätte die Feuerwehr eingreifen müssen?
Manchmal malte sich Tom solch unerwartetes Ereignis aus; denn zuweilen geschah rein gar nichts auf den Geleisen, nicht ein einziger Zug fuhr vorbei, nicht eine einzige Lok stand irgendwo einsam herum und dampfte vor sich hin. Dann belebte Tom den Bahnhof mit seiner Phantasie. Das machte er so intensiv, dass er, wenn plötzlich doch ein Zug kam, dessen Heranbrausen schon mal verträumte. Da konnte ihm der Schreck gehörig in die Glieder fahren.