Tina Engel

Treue ist nur ein Wort


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der Alte von ganz unten“, nahm „Bruck“ die gebotene Hand.

      Alt siehst du allerdings nicht gerade aus. Unwillkürlich musste sie lächeln.

      Phips fing an zu quengeln, Nina ließ ihn auf den Boden runter, wo er sich fix wieder auf Erkundungstour begab.

      Die beiden Erwachsenen schlürften ihren Kaffee und waren bald in eine nette kleine Plauderei vertieft. Dabei unterhielten sie sich über dieses Wohnhaus und über die Leute, die darin wohnten.

      Maik selbst wohnte schon seit vier oder fünf Jahren hier. So genau wusste er es schon selbst nicht mehr. Er erzählte, dass er sein Auskommen mit den Leuten im Haus hatte - mehr brauchte er nicht zum Glücklichsein.

      Phips krabbelte derweil auf dem Küchenboden herum und untersuchte gerade Maiks Waschmaschine. Begeistert hatte er festgestellt, dass man das komische runde durchsichtige Ding auf- und zumachen konnte. Und zwar immer wieder. Damit war er nun voll und ganz beschäftigt. Nina nahm es zur Kenntnis und meinte: „Naja, falls das runde Teil gleich irgendwann abfällt, kannst du deine Schmutzwäsche rauf bringen, in den zweiten Stock… vorläufig… versteht sich.“

      „Ach ja?“ fragte er schmunzelnd. „Okay, ich nehme das Angebot mal vorsorglich an.“

      Nina musste allmählich wieder hinauf in die eigene Wohnung. Sie hatte noch einiges an Arbeit vor sich. Phips konnte sicher auch langsam eine Mütze voll Mittagsschlaf gebrauchen.

      Wenn Rolf, Ninas Freund und Vater des Kleinen, abends heimkam, sollte er wenigstens schon ein paar erste Aufräum-Erfolge erkennen können.

      Als sie aufstand und Phips auf ihren Arm hob, wollte der Kleine sofort wieder runter auf den Boden. Liebevoll redete sie auf ihn ein und verabschiedete sich dabei ganz beiläufig von Maik.

      Maik hielt ihr noch die Wohnungstür auf und meinte: „Du kannst mir den Kleinen ruhig ab und zu mal bringen, wenn du viel zu tun hast. Oder du bringst dich einfach mal mit und wir trinken mal wieder Kaffee zusammen. Bei der Gelegenheit könnte er ja noch mal versuchen, das runde Ding aus Glas von der Waschmaschine abzubauen.“

      Nina war versucht zu lachen. Doch der plötzliche Ernst ihrer folgenden Gedanken hinderte sie daran. „Ich glaub, daran gewöhne ich mich lieber nicht“, seufzte sie leise und versuchte sich mit einem kläglichen Lächeln.

      „Und warum?“ fragte er verdutzt.

      „Er heißt Rolf und ist ziemlich eifersüchtig.“ Sie senkte kurz den Blick, doch dann konnte sie sich ein verschwörerisches Lächeln nicht verkneifen. „Aber gut zu wissen, dass ich es könnte…“

      Bereits auf dem Weg nach oben rieb sich Phips immer wieder seine müden kleinen Augen. Es war wirklich an der Zeit.

      In ihrer Wohnung angekommen, startete Nina gleich durch ins Kinderzimmer, um den Knaben mit einer neuen Windel zu versorgen und dann in sein Bettchen zu legen. Er protestierte anfänglich noch, schlief aber dann doch bald erschöpft ein.

      Nina machte sich nun im Wohnzimmer ans Werk, räumte Kartons aus und in Schränke ein. Die leeren Kartons stapelten sich langsam im Flur. Geschafft war es jedoch noch lange nicht.

      Irgendwann sank Nina auf einen noch vollen Karton und fuhr sich seufzend mit einer Hand durch ihr schulterlanges, blondes, leicht gewelltes Haar. So ein Umzug war nicht in zwei, drei Tagen abgehakt. Insgeheim beschloss sie, so schnell nicht wieder umzuziehen. Falls sie doch eines Tages noch mal einen Umzug in Erwägung zog, wollte sie vorher ganz viele überflüssige Dinge entsorgen und nur noch das wirklich Nötigste mit ins neue Reich nehmen.

      Zwischendurch wanderten ihre Gedanken immer mal wieder zu dem Mann aus dem Erdgeschoss, der ihr heute so lieb und spontan seine Hilfe zu Teil werden ließ. Beruhigend, dass es hier im Haus wenigstens schon mal EINEN netten Nachbarn gab.

      Maik hatte zwar gemeint, mit den anderen Leuten aus dem Haus würde man sein Auskommen haben, aber das musste sie erst mal selbst herausfinden. Allem voran hoffte sie inständig, dass das ältere Ehepaar, das unter ihr wohnte, Verständnis für ein lärmendes Kleinkind haben würde. Phips würde schließlich von Monat zu Monat beweglicher werden.

      Als Rolf abends heimkam, stellte er anerkennend fest, dass Nina wohl sehr fleißig gewesen war. Sie lächelte in sich hinein, als sie kurz daran dachte, dass sie mittags völlig Pflicht vergessen am Plaudern gewesen war und danach in der Wohnung wie ein Wirbelwind gewütet hatte, um die verquasselte Zeit wieder aufzuholen. Doch dann streifte sie diesen Gedanken ganz schnell von sich. Sie hatte den ganzen Tag über genug um die Ohren - da musste sie sich für ein Plauderstündchen nicht rechtfertigen. Sie zog es vor, Rolf nichts von ihrem Besuch in der Erdgeschosswohnung zu erzählen.

      Rolf verschwand erst mal im Bad, um zu duschen, da er durch die Arbeit in der Werkstatt ziemlich verschwitzt und ölverschmiert war.

      Wenig später saßen sie alle drei in der Küche am gedeckten Tisch. Phips, der in seinem Hochstuhl saß, bekam seinen Brei und alberte zwischendurch immer wieder mit seinem Vater herum.

      Ihrem Job ging Nina dann ab dem nächsten Abend wieder nach. Sie half zwei Mal in der Woche abends für ein paar Stunden in einer Gaststätte aus, um ihre eigene Kasse etwas aufzubessern und finanziell nicht so abhängig von Rolf zu sein. Und auch, um mal für ein paar Stunden aus ihrem Trott herauszukommen und andere Leute um sich zu haben. Rolf hatte schon mehrfach protestiert, weil er der Auffassung war, Nina müsse gerade jetzt für den Kleinen da sein. Doch Nina hatte sich jedes Mal tapfer durchgesetzt. Ihr kleines Stück Freiheit – das wollte sie sich auf jeden Fall bewahren.

      Lustige Bilder

      Nach ein paar Tagen trafen Nina und Maik durch Zufall unten im Hausflur aufeinander, als Nina nur eben die Post aus ihrem Briefkasten holen wollte. Maik kam gerade aus dem Keller herauf.

      „Na, alles klar da oben?“ erkundigte er sich, nachdem sie sich mit einem strahlenden Lächeln „Hallo“ gesagt hatten.

      Nina nickte und fragte, mit dem Kopf in Richtung Bruck’sche Wohnungstür deutend: „Und hier unten auch?“

      Maik nickte.

      Nina zog einen Stapel Briefe aus dem Kasten und blätterte diesen flüchtig durch. Bei dem einen oder anderen Kuvert stöhnte sie kurz genervt auf. Das meiste waren Rechnungen.

      So ein Umzug war eben auch nicht billig. Und Rechnungen waren dann schnell geschrieben.

      „Hey, soll ich dir mal was Lustiges zeigen?“ fragte Maik plötzlich in ihr Tun hinein.

      Nina sah auf. „Was denn?“

      Er öffnete seine Wohnungstür. In der Küche auf dem Tisch stand ein Karton mit alten Fotos. Maik hatte sie am Vortag von seiner Mutter in die Hand gedrückt bekommen, weil sie zu Hause den Dachboden ausgemistet hatte. Es waren Fotos aus Maiks Kindertagen. Fotos mit viel Situationskomik oder wo Maik oder eines seiner Geschwister einfach nur zum Schießen aussahen. Nina ließ sich an dem Küchentisch nieder, nahm ein paar Fotos zur Hand und fing schon bei dem ersten an zu lachen. Das zweite war noch witziger. Sie fand die Fotos so komisch, dass sie einen Lachflash bekam. Besonders bei einem Bild, auf welchem Maik im zarten Kindergartenalter als Dornröschen abgelichtet war – das war im wahrsten Sinne des Wortes die Krönung.

      Einem unwillkürlichen Reflex folgend, strich Maik ihr plötzlich über die Wange, um ein paar Strähnen beiseite zu schieben und ihr Gesicht sehen zu können. „Lacht du mich aus oder an?“

      Nina zuckte reflexartig zurück und lachte schon wieder: „Sorry. Natürlich lache ich dich an“, grinste sie ihm breit ins Gesicht.

      Was für sanfte Hände er hatte…

      Schlagartig erinnerte Nina sich daran, dass ihr kleiner Phips sicher bald aus seinem Vormittagsschläfchen aufwachen würde. „Ich muss erst mal wieder hoch zu meinem kleinen Fratz.“ Sie wies noch mal auf die Fotos. „Du hast das Zeug zum Star… An deiner Stelle würd’ ich was daraus machen.“

      „Mal sehn“, schmunzelte er und brachte