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Michael Stuhr
PORTALFEUER
Science-Mystery
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Inhaltsverzeichnis
PROLOG
EIN TAG IM HERBST
NEBENWELT
Der Drache trieb mit ruhigen Bewegungen seiner Schwingen in den höheren Schichten der Atmosphäre dahin, aber er war wachsam. Er hatte lange keine Nahrung gehabt und der Hunger war um diese Jahreszeit besonders gefährlich. Schon bald würde die kalte Witterung ihn zu träge für die Jagd werden lassen, und wenn er den Winter überleben wollte, musste er vorher noch Beute machen. Schon jetzt war es an manchen Tagen so kalt, dass die Beutetiere sich in ihren Höhlen verkrochen und von ihren Vorräten lebten.
Sanft griff der Wind unter die grauen, ledrigen Schwingen und der Drache schwebte ohne jede Kraftanstrengung hoch über einem nebelverhangenen Wald flacher, farnähnlicher Gewächse, als er plötzlich einen schwachen, rötlichen Blitz und eine Bewegung in der Ferne wahrnahm.
Sofort ruckte der flache Kopf herum. Er verlagerte sein Gewicht, ließ sich in einer lang gezogenen Kurve näher herantreiben und benutzte das Fernaugenpaar.
Die starke Vergrößerung zeigte ein leichtsinniges Lebewesen, das einsam auf dem flachen, von dichtem Schlingkraut überwachsenen Boden stand. Der große Kopf und die zwei Beine ließen keinen Zweifel zu: Ein Beutetier! Es strahlte einen unverkennbaren Impuls von Angst aus.
Der Drache stellte fest, dass sein Opfer unbewaffnet war. Er hatte es schon erlebt, dass Beutetiere sich wehrten. Noch heute spürte er die Narbe, die eine tiefe Wunde von einem angespitzten Stock hinterlassen hatte. Nicht, dass es der Beute letzten Endes etwas geholfen hätte, aber es hatte den Drachen vorsichtig gemacht.
Von diesem Tier hier drohte keine Gefahr. Der Drache bewegte seine Schwingen ein wenig und ließ sich in einer großen Schleife tief hinabsinken, um sich in eine günstige Angriffsposition zu bringen. Die Nebelfetzen über dem überall wuchernden Schlingkraut gaben ihm gute Deckung. Kaum eine Handbreit über dem Boden glitt er schlangengleich mit hoher Geschwindigkeit dahin. Noch hatte die Beute ihn nicht bemerkt. Die bernsteinfarbenen Augäpfel rollten eine Vierteldrehung weit und das Pupillenpaar für den Nahbereich kam unter den knochigen Augenwülsten zum Vorschein.
Plötzlich flimmerte die Luft hinter der Beute und aus dem Nichts tauchten zwei weitere Beutetiere auf. Auch sie strahlten die typischen Impulse aus, die irgendwo zwischen Besorgnis und Angst lagen. Auch sie waren unbewaffnet. Der Drache kümmerte sich nicht um sie. Er hatte sein Opfer bereits ausgewählt und hielt unbeirrt darauf zu.
Die Gestalten bewegten sich unsicher, sahen nach hier und nach dort, aber den mit hoher Geschwindigkeit angreifenden Drachen bemerkten sie nicht. Zu perfekt verschwamm das blasse Grau der schuppigen Haut in den Nebelfetzen.
Im letzten Moment bewegte der Drache seine Schwingen und schoss vor den wie erstarrt dastehenden Gestalten aus dem Dunst empor. Die Angstimpulse verstärkten sich zu einem einzigen gemeinsamen Aufschrei.
Es war ein sehr großes Beutetier, aber es leistete nicht den geringsten Widerstand und es hatte auch gar keine Chance dazu. Die mächtigen Kiefer schlossen sich krachend um den Schädel, und der Schwung des Drachen fegte sein Opfer von den Füßen. Der leblose Körper wurde noch ein Stück weit mitgerissen. und sank dann kraftlos nieder.
Eilig hockte der Drache sich mit halb abgespreizten Schwingen in Drohhaltung über seine Beute, um seinen Anspruch auf das Futter zu sichern, denn er spürte, dass ein raubgieriger Konkurrent in der Nähe war.
Hass- und Neidimpulse aussendend kam ein weit kleinerer Drache über das Schlingkraut herangeschossen. Er sah sehr hungrig aus und seine Gedanken waren ganz auf Angriff ausgerichtet.
Der Drache über der Beute machte sich bereit, um sein Fressen zu kämpfen. Sein Gegner kam flach über dem Boden mit rasender Geschwindigkeit auf ihn zu, aber dann war er plötzlich in einem rötlichen Blitz verschwunden.