Norman Dark

Klinik der Geister


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essen.<<

      >>Aber wie werde ich denn? Ich bin Kavalier genug.<<

      >>Danke. Wie lange arbeiten Sie eigentlich schon hier im Haus?<<

      >>Das müssen jetzt schon einige Jährchen sein.<<

      >>Immer auf dieser Station oder auch auf anderen?<<

      >>Früher war ich eine Etage höher, aber jetzt bin ich schon etwa vier Jahre nur auf dieser.<<

      >>Und haben Sie mal etwas Ungewöhnliches erlebt, hier oder oben?<<

      >>Sie meinen, ob mir ein Gespenst begegnet ist?<<

      Kimberlee nickte heftig.

      >>Dann haben Sie also auch von dem Klatsch gehört, den man so erzählt? Mir ist in der Tat oben etwas widerfahren, das mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Ich habe das noch niemand erzählt, damit man mich nicht für einen hält, der mit dem Vogelbauer Milch holen geht.<<

      Kimberlee lachte. >>Nein, auf den Gedanken wäre ich bei Ihnen nie gekommen. Also, was war los?<<

      >>Ich habe öfter einen schwarzen Schatten gesehen, der entweder um die Ecke gelugt oder mitten auf dem Gang gestanden hat. Dabei wurde mir jedes Mal angst und bange. Als würde man mir jegliche Lebensenergie aussaugen. Alles erschien plötzlich so sinnlos, und ich wurde grenzenlos traurig. Deshalb habe ich mich auch nach hier unten versetzen lassen.<<

      >>Und, ist Ihnen das unheimliche Wesen gefolgt?<<

      >>Zum Glück nicht. Beschreien Sie es bitte nicht.<<

      >>Dann sind wir also quitt und teilen jetzt gegenseitig ein Geheimnis.<<

      >>Genau. Aber ich muss jetzt weitermachen, damit ich meine Arbeit schaffe.<< José zog erleichtert weiter, und auch Kimberlee fühlte sich etwas besser, weil nicht nur sie derlei Erlebnisse hatte, wie Dakota behauptete.

      Am nächsten Morgen wartete Brooke mit einer Überraschung auf. >>Du, ich habe mit Rosalie gesprochen und weiß jetzt, um wen es sich bei der Toten handelt.<<

      >>Echt? Erzähl schon!<<

      >>Vor zwei Jahren wurde eine bewusstlose Frau aus dem Fluss gezogen. Zunächst hielt man sie für tot, aber als man entdeckte, dass sie noch atmete, hat man sie hierher in die Klinik gebracht. Als es ihr besser ging, hat man sie von der Intensivstation zu uns verlegt. Dreimal darfst du raten, in welches Zimmer.<<

      >>Nein, etwa in den verfluchten Raum?<<

      Brooke nickte lächelnd. >>Aber jetzt kommt der Knüller: Eines Nachts starb sie ohne ersichtliche Grund. Bei der Obduktion stellte man fest, dass sich noch immer Wasser in ihrer Lunge befand. Sie ist also ertrunken. Schon wenige Tage danach beschwerten sich Patienten in dem Zimmer, dass sie nachts eine Frau heimsuchen würde. Eine, die völlig durchnässt war und fürchterlich gestunken haben soll. Jetzt bist du dran.<<

      >>Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Einesteils ist es sensationell, andererseits gibt es keine Erklärung, warum die Frau noch immer keine Ruhe findet.<<

      >>Weil sie vielleicht der Meinung ist, zu früh von der Intensivstation verlegt worden zu sein. Oder man sich einfach nicht genug um sie gekümmert habe.<<

      >>Ja, das könnte eine Erklärung sein<<, sagte Kimberlee. >>Nicht sehr überzeugend, aber möglich.<<

      >>Bitte, wenn du eine bessere weißt ...<<

      >>Jetzt sei doch nicht gleich beleidigt. Es geht ja nicht gegen dich. Ich finde es toll, was du alles aus dieser Rosalie herausgeholt hast. Die scheint ja eine wahre Fundgrube zu sein, was die Vergangenheit angeht.<<

      >>Nicht nur das. Sie ist auch Esoterikerin und betrachtet die Dinge von einer anderen Warte aus.<<

      >>Spannend. Die Dame muss ich mir merken.<<

      Kimberlee sollte bald Grund bekommen, erneut Rosalies Rat zu suchen. Denn in einer Nacht passierte ihr wiederum etwas Unglaubliches. Bei einem ihrer Kontrollgänge sah sie ein junges Mädchen am Ende des Ganges in einem Rollstuhl sitzen. Es handelte sich eindeutig um keine Patientin der Station. Das Mädchen wirkte wie von einem Lichtspot angestrahlt, ohne dass es dafür eine Quelle gab. Erst als Kimberlee auf sie zuging, erkannte sie, dass das Licht von ihr ausging.

      >>Hallo, wer sind Sie, und wo kommen Sie her?<<

      Das Mädchen antwortete nicht. Es starrte nur stumm. Kimberlee überlegte, ob sie den Wachdienst zu Hilfe holen sollte. Aber was, wenn die Erscheinung ebenso plötzlich verschwunden wäre wie sie aufgetaucht war? Vom Stationstresen aus konnte Kimberlee nicht erkennen, ob das Mädchen noch immer dort war, deshalb bog sie erneut um die Ecke und sah, wie es sich mit einer alten Dame unterhielt, die ebenso illuminiert war. Die Szene hatte etwas Rührendes, denn die alte Dame strich dem Mädchen liebevoll übers Haar und küsste es auf die Stirn. Dann drehte sie sich um, winkte dem Mädchen noch einmal zu und verschwand dann in dem Zimmer.

      Doch das Zimmer war mit einem älteren Herrn belegt, wie Kimberlee genau wusste. Als das Mädchen auch verschwand, betrat Kimberlee vorsichtig den Raum. Der alte Mann schlief ruhig in seinem Bett. Von der Dame gab es keine Spur.

      Gleich am nächsten Tag kontaktierte Kimberlee Rosalie Edwards, eine Kollegin, etwa Mitte fünfzig, mit feinen, goldblonden Haaren, einem klaren Gesicht und ungewöhnlich blauen Augen.

      >>Ich hörte von meiner Freundin und Kollegin, Brooke, dass Sie sich aufgrund Ihrer langen Tätigkeit in diesem Haus gut mit den Schicksalen ehemaliger Patienten auskennen.<<

      >>Weiß Gott nicht mit allen. Dafür gibt es zu viele Abteilungen in der Klinik, aber mit einigen, die vor nicht allzu langer Zeit auf unserer Station gelegen haben, schon<<, sagte sie mit leiser, melodischer Stimme. >>Um wen geht es denn?<<

      >>Einen Namen weiß ich leider nicht. Eigentlich geht es auch um zwei Personen, ein junges Mädchen im Rollstuhl und eine ältere Dame, die in Zimmer 7 gelegen haben muss. Die beiden sahen aus, als stünden sie sich sehr nahe.<< Kimberlee erzählte, was sie beobachtet hatte.

      >>Ja, das ist eine traurige Geschichte<<, sagte Rosalie. >>Bei der alten Dame handelte es sich um eine gewisse Winnie Parker, die mit Herzproblemen eingeliefert wurde. Als ihre Enkelin Cecely davon erfuhr, ließ sie alles stehen und liegen und raste zu ihrer über alles geliebten Großmutter. Ihre Aufregung ließ sie unvorsichtig werden. Nicht auf den Verkehr achtend, lief das Mädchen vorne auf der Hauptstraße in ein Auto und wurde schwerverletzt in die Notaufnahme gebracht. Zu der Zeit war Winnie schon verstorben. Ihr Herz hatte einfach aufgehört zu schlagen. Cecely erlag nur eine Stunde später ihren schweren Verletzungen.<<

      >>Aber warum saß sie dann in einem Rollstuhl?<<

      >>Wahrscheinlich, weil sie unweigerlich in einem gelandet wäre, wenn sie den Unfall überlebt hätte.<<

      >>Verstehe, es ist also nicht zwangsläufig so, dass Menschen, die einen Unfall hatten oder im Krieg ein Bein verloren, nach dem Tod wieder eine heile Gestalt aufweisen?<<

      >>Nein, nicht zwangsläufig, wie es scheint. Immerhin schließen Sie nicht aus, dass es nach dem Tod irgendwie weitergeht?<<

      >>Ich habe mich zuvor nie mit dem Thema befasst. Doch nachdem, was ich hier schon erlebt habe, bleibt mir wohl nichts anderes übrig.<<

      >>Warum sind Sie Krankenschwester geworden, meine Liebe?<<

      >>Weil es schon von Kindesbeinen an für mich keinen anderen Weg gab. Ich will mich wahrlich nicht als eine Mutter Teresa hinstellen, die nur ein Ziel hat – sich für andere aufzuopfern, aber der Beruf fasziniert mich einfach. Und der Gedanke, anderen ein wenig helfen zu können, ist eben auch vorhanden.<<

      >>Danke für Ihre offenen Worte. Das Krankenhaus ist ein ganz besonderer Ort. Ist