Tom Sailor

Es sind doch nur drei Wochen


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machen muss. Den Euro braucht man eben nicht mehr zweimal umzudrehen und hat trotzdem noch einen positiven Kontostand am Ende des Monats.

      »Wenn ich Gaby heute Abend erzähle, dass ich nächste Woche nach Indien fliege, wird sie nicht begeistert sein.«, überlegt sich Erik auf dem Weg nach Hause.

      »Wir haben in drei Wochen unseren ersten gemeinsamen Urlaub geplant. Der fällt jetzt aus!«, kommt es Erik überraschend in den Sinn, da er das ganz vergessen hatte.

      »Am besten ich werde erst noch ein paar Blumen besorgen, um die unerfreuliche Neuigkeit etwas zu verschönern! Verdammt, sie wird sich nach der Nachricht sicher nicht mehr über die Blumen freuen. Diese Blumen sind dann das Symbol für eine schlechte Nachricht. Ich habe aber keine bessere Idee. Diese Blumen sind aus meiner Sicht eher das Symbol dafür, dass mir die Beziehung nicht gleichgültig ist!«, versucht sich Erik zu beruhigen.

      »Hallo Schatz, wie war Dein Tag?«, wird Erik von Gaby mit einem Kuss begrüßt, als er aufschließt.

      »Sie ist sehr attraktiv.«, denkt Erik und blickt auf ihre dunkelblonden, leicht gelockten Haare, die ihr etwas über die Schulter reichen, nicht zu dick und nicht zu dünn, irgendwie genau nach seinem Geschmack. Ihr Busen ist normal entwickelt. Erik versteht die Männer nicht, die sich diese Riesenbomben wünschen. Er findet eher, dass Frauen durch Riesenbrüste verunstaltet werden. Am meisten gefällt ihm aber ihre frische, direkte, fröhliche Art.

      »Hi, schön, Dich zu sehen. Ich hab Dir ein paar Blumen besorgt.«, entgegnet er ihr.

      »Ooh, die sind schön. Danke. Du siehst aber nicht sehr glücklich aus. Was ist los?«, fragt sie Erik und schaut ihn mit einem besorgten Blick an.

      »Andresen hat mich nach Indien versetzt!«, antwortet Erik ohne zu zögern.

      »Was? Wieso? Wann? Warum?«, prasseln die Fragen regelrecht auf Erik ein, wobei sich Bestürzung und Entsetzen in ihrem Gesicht abwechseln.

      »Die haben ein Problem, weil der Leiter der Inbetriebnahme krank geworden ist. Ich habe lange mit Andresen diskutiert, aber er hat mich dann auf den Arbeitsvertrag verwiesen, in dem ich Einsätzen im Ausland zugestimmt habe. Um aus der Nummer raus zu kommen, müsste ich kündigen!«, erläutert Erik seine Situation.

      Beiden war schon irgendwie klar, dass Erik irgendwann mal ins Ausland gehen könnte. Doch irgendwie haben sie den Gedanken daran verdrängt. Nun wurden sie davon überrascht. Vor allem, dass es ohne lange Vorwarnung passiert, so dass es wie ein plötzliches und unvorhersehbares Ereignis erscheint.

      Erik erläutert Gaby die Anreise, so wie es die Sekretärin ihm geschildert hat. Zunächst wird er mit dem Flugzeug bis Neu Delhi fliegen und von da aus noch einmal etwa 10 Stunden mit dem Zug unterwegs sein. Am Ziel sollte dann ein Fahrer mit einem Auto auf ihn warten. Leider hat die Sekretärin recht häufig davon gesprochen, dass sie glaubt, dass die Reise so verläuft. Sie kümmert sich nur um das Ticket für das Flugzeug. Genaueres sollte er mit dem Büro in Delhi klären, wenn er da ist.

      Erik ist sich bewusst, dass solch eine Versetzung ins Ausland vor allem für die Daheimgebliebenen schlimmer ist als für den Reisenden. Der Reisende ist von vielen neuen Eindrücken umgeben, so dass er nicht viel Zeit zum Grübeln hat. Die Daheimgebliebenen haben das Problem, dass sie sich Sorgen machen und diese Ungewissheit kontinuierlich an der guten Laune nagt. Es ist kein wirklich schöner Abend für Gaby und Erik, da beiden klar ist, dass dies eine Zäsur für ihr bisheriges Leben bedeutet. Sie fingen gerade an, sich einzurichten und müssen sich jetzt schon Gedanken über eine Trennung machen. Der schwache Trost besteht darin, dass der Zeitraum mit drei Wochen überschaubar ist.

      »Bist Du sicher, dass es nur drei Wochen sind?« erkundigt sich Gaby mit einem fragenden Blick.

      »Was soll ich dazu sagen?«, antwortet Erik, »meinst Du, mein Chef würde das unterschreiben? So lange bin ich nun auch noch nicht im Unternehmen, dass ich unentbehrlich bin und Forderungen stellen kann!«

      »Und was machst Du, wenn es länger wird?«, bohrt sie weiter.

      »Dann muss ich eben krank werden, krank vor Liebeskummer!«, erwidert Erik und nimmt Gaby zärtlich in den Arm, um das Thema zu beenden. Die Stimmung bleibt den ganzen Abend getrübt. Es ist eine Mischung aus Angst vor der Trennung, einem leichten Entsetzen darüber, dass die Reise ohne Vorbereitung, wie ein Schicksalsschlag über sie hereinbricht und dem stillen Vorwurf, dass Gaby an der Entscheidung nicht mitwirken konnte. Die zusätzliche Unsicherheit, dass Erik keine genauen Angaben dazu machen kann, wie lange der Einsatz dauern wird und wo denn der Ort genau liegt, hat die Stimmung nicht nachhaltig verbessert.

      Die letzten gemeinsamen Tage vergehen wie im Flug. Erik war vorher noch nie in Indien. Eigentlich kennt er das Land nur von den Plakaten im Reisebüro. Von den Arbeitskollegen hat er erfahren, dass er möglichst haltbare Lebensmittel mitnehmen soll, da diese wohl nicht leicht zu bekommen sind. Erik und Gaby wird im Laufe der letzten Tage immer mehr bewusst, dass die bisherige Arbeitsteilung nicht funktionieren wird. Gaby muss ihn bei allen offiziellen Sachen vertreten können, so dass es für Erik selbstverständlich ist, dass er ihr für alle wesentlichen Sachen Vollmachten gibt. Sie trösten sich damit, dass sie in der Zeit seiner Abwesenheit möglichst viel telefonieren werden.

      Eine Zeitreise

      »Wir haben noch ein paar Sachen, die Sie unbedingt mitnehmen müssen!«, erklärt ihm die Sekretärin, Frau Berger, als Erik am Morgen des Reisetages in der Firma ankommt.

      Mit den Worten, »Holen sie doch am besten den Mietwagen vom Parkplatz und fahren hinten zur Werkstatt.«, übergibt sie Erik einen Autoschlüssel. Zunächst ist Erik etwas verwundert, dass es ein Passat Kombi ist. Als er aber dann an der Rampe zur Werkstatt ankommt, warten dort bereits sieben Koffer auf ihn, die er noch mitnehmen soll. In den Koffern sind Ersatzteile, Elektronikkarten und Werkzeuge. Erik muss die Koffer mehrfach umräumen, bevor sie gerade so in den Mietwagen passen. Einen Koffer muss er sogar auf dem Beifahrersitz anschnallen. Nach einer knappen Stunde Fahrt steht Erik dann in Frankfurt am Flughafen vor dem nächsten Problem. Auf einen Gepäckwagen passen nicht alle Koffer. Da er zwei Gepäckwagen braucht und nur einen zur gleichen Zeit bewegen kann, will er einen Gepäckwagen am Check in abstellen und dann den Zweiten holen. Das ist aber nicht möglich. Da Erik aber darauf besteht und langsam als Sicherheitsproblem erscheint, ruft die Dame am Check-in schließlich den Chef der Security. Ausnahmsweise und nur, weil Erik dem Security-Chef die Firmendokumente zu dem Gepäck zeigen kann und nachdem dieser einen Blick in die Koffer geworfen hat, kann Erik einen Wagen am Gepäckschalter unter Bewachung stehen lassen, um den Zweiten zu holen. Nach dem Check-In muss Erik allerdings noch das Übergepäck bezahlen. Erst dann bekommt er auch das Flugticket ausgehändigt. Zum Glück akzeptiert die Fluggesellschaft, dass die Rechnung direkt an die Firma gesendet wird. Erik hätte das Geld zwar wiederbekommen, doch dazu braucht es eine Reiseabrechnung und die kann er erst dann erstellen, wenn er wieder in Deutschland ist. So lange wäre sein Konto dann mit dem nicht unerheblichen Betrag von fast drei tausend Euro belastet worden.

      Nach den Formalitäten schlendert Erik in die Business-Lounge. Schön souverän und langsam eintreten, das Ticket vorweisen und so tun, als wäre man hier schon etliche Male gewesen. Prima ist, wenn man einen Vorgänger hat, den man heimlich beobachten kann. Bloß nicht zeigen, dass man hier noch nie war. Also, erst einmal einen freien Platz suchen, die Bordtasche abstellen und dabei möglichst unauffällig die Einrichtung ausspähen.

      »Okay, da ist die Bar, daneben ein Buffet mit kleinen Snacks und da drüben ein Ständer mit Zeitungen und Zeitschriften.«, orientiert sich Erik und versucht dabei möglichst so gelangweilt auszusehen, als ob er schon hundertmal hier war.

      »Muss ich die Zeitschriften bezahlen oder gehört das zum Service«, stellt sich Erik die nächste Frage. Alsbald erhält er eine Antwort, da ein anderer Gast zum Ständer schlendert und sich mehrere Zeitungen nimmt, ohne dass die Damen am Empfang davon Notiz nehmen. Also erhebt sich Erik und schlendert ebenfalls in Richtung der Zeitschriften. Dort angekommen findet er ein Hinweisschild für separate Büronischen, die Toiletten und tatsächlich auch noch Duschen.

      »Nicht schlecht, was einem so geboten wird, wenn man sich etwas über das normale Volk erhebt!«, denkt Erik