Martina Dr. Schäfer

Allah ist unsichtbar


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für sein «übermenschliches» Wirken bilden die Wun­der, die gewissermassen im Sinne einer positiven Theologie (= «bejahend») zu verstehen sind.

      Dionysius Areopagites ist dagegen, «Gott» und «Mensch» allzu deutlich vonein­ander abzusetzen,[200] man könnte auch von einer Art gemässigten Monophysitis­mus[201] bei ihm sprechen.[202]

      Zu 2)

       Letztlich ermöglicht erst eine konsequent apophatische Theologie, meiner Mei­nung nach, auch das Einnehmen einer interreligiös kompetenten und sogar stre­cken­weise mediatorisch vermittelnden Haltung.[203] Eine Fähigkeit, die zu Leb­zeiten dringend geboten war, konnte man doch verbannt oder sogar hinge­rich­tet werden, wenn man nicht die richtige Position im Streit mit den «Heiden» oder in der geistigen Schlacht, die leider oft sehr realistische Folge für ihre Protagonisten hatte, um das wahre Wesen Jesu Christi einnahm.

      Von daher ist es nur logisch, das auf seine oben referierten Briefe nun zwei mit Ermahnungen zur interreligiösen Toleranz folgen.[204] Wobei man mit Vergnügen liest, dass Dionysius Areopagites durchaus auch Anflüge von Humor besitzt; eine wichtige Kompetenz bis heute, um gelassen in interreligiösen Konflikten vermit­teln zu können.

      Dionysius Areopagites ist eigentlich ein fast moderner Aufklärer, glaubt er doch daran, dass Wahrheit eindeutig, mit den Mitteln der Logik und der Philosophie, bewiesen werden kann.[205]

      Diese Wahrheit spricht dann für sich selber und muss überhaupt nicht – schon gar nicht in polemischer oder andere herabsetzender Weise – verteidigt wer­den.

      Aus­serdem hält Dionysius Areopagites dieses Argumentieren und ständige Wider­legen für ein endloses und deshalb letztlich mühsames Geschäft.[206] Eine Auffas­sung, die gerade erst kürzlich in einem 1500 Jahre jüngeren Text fol­gender Massen aktualisiert wurde: «Es gibt Kirchenmänner, die heute darüber klagen, dass seit 40 Jahren immer die gleichen Probleme thematisiert werden. Das sollte eigen­tlich einen durchschnittlich intelligenten Menschen nicht über­raschen. Die glei­chen Probleme werden immer wieder thematisiert, weil sie nicht gelöst sind.»[207]

      In positiver Weise empfiehlt wohl auch Dionysius Areopagites, den Blick von den end­losen Streitereien weg auf das eigentlich Wesentliche zu richten: Gott, von Dio­nysius Areopagites, nach Aristoteles, im Bild des «grossen Bewegers» verdeut­licht, der die kosmische Ordnung (sogar mit ihren für die damaligen Zeiten aus­ser­gewöhnlichen und nicht nachvollziehbaren Unregelmässigkeiten) am Laufen hält.

      Zu 3)

       Der Übersetzer der Briefe des Dionysius Areopagites, RITTER, weist nun dem VIII. Brief eine eigene Kategorie zu, indem er das Augenmerk seiner Inter­pretation eher auf den Bruch der kirchlichen Ordnung durch einen reni­tenten Kleriker richtet. RITTER sieht hier eine gravierende Ordnungswid­rigkeit.[208]

      Liest man jedoch Brief VIII als Ergänzung der Briefe VI und VII, so erscheint er als eine sehr praxisnahe Darstellung intoleranten, ja fanatischen Verhaltens, wel­ches eben sogar die geheiligte («geheiligt», da Abbild und Fortführung der himmlischen Ordnung) irdisch-kirchliche Ordnung nicht achtet.

      Ich gehe also mit RITTER nicht konform, der hier einen Beweis für ein statisches Verständnis des Hierarchiebegriffes sieht. Ganz im Gegenteil: Dionysius Areopa­gites beschreibt im vorausgehenden Brief sogar die himmlische Hierarchie als durchaus unregelmässig und voll unerwarteter, möglicherweise unordentlicher Ereignisse. Das Gute/Eine hält jedoch diese Hierarchie in Bewegung und Balan­ce, trotz prozessualer Unordnungen – und so eben auch auf der kirchlichen Ebene: Nicht Strafe oder Verstossung trifft den prügelnden und tretenden Mönch, sondern Güte und lauteres Vorbild sollen den Kompetenzüberschreiter wieder zur Einsicht bringen.[209]

      Der Brief endet mit der Vision eines gewissen Karpus, den eine Art gerechter Zorn dazu führte, schadenfreudig und voll «Groll und Bitterkeit» sogar selber dabei mitzuhelfen, seine Gegner in einen Höllenabgrund voller Schlangen und Dämonen zu stürzen, die bereits an ihren Füssen zerren während er sich um die Vorgänge in der Höhe nicht weiter gekümmert hatte.[210] … bis er mit Schrecken bemerkte, dass er beinahe sogar Jesus selber hinab gestossen hätte, der sich, als men­schenfreundlicher Engel getarnt, bemühte, diese Gegner vor dem Ab­sturz zu retten.[211]

      Zu «lehren», nicht zu «strafen», so Dionysius Areopagites sei die Aufgabe der verschiedenen Stände innerhalb der kirchlichen Hierarchie.[212]

      Dieses Gute zu tun ist übrigens nicht nur allein an sich vernünftig und gut, son­dern auch notwendig, da Strafen oder sonst Böses-Tun auch unmittelbar auf jene zurück wirkt, die sich so verhalten.[213]

      Eine etwas verklausulierte Ausführung der berühmten, «internationalen» Golde­nen Regel: «Was du nicht willst, das man dir tu, das füg' auch keinem anderen zu.»

      Meine Meinung nach hat das Starren auf mögliche historische Ereignisse, mit deren Hilfe Dionysius Areopagites wahre Identität festgestellt werden könnte wie den Blick verstellt auf die eigentliche Botschaft von Dionysius Areopagites in diesem VIII. Brief: Dass nämlich eine konsequent apophatische Haltung auch die Grundlage für gütiges und verzeihendes Verhalten sein kann.[214]

      Aber so, wie eben «die Wissenschaftler» einfach nicht ruhig vor einem ungelösten Rätsel, hier dem Inkognito des Dionysius Areopagites, stehen bleiben konnten und prompt in die Falle irgendwelcher Sonnenfinsternisse stolperten, können Men­schen vielleicht generell nicht vor dem «Rätsel Gott» stehen bleiben: Mög­licherweise ist es schwerer, Unwissenheit zu akzeptieren als irgendeinen «allein selig machenden» Glauben.

      Kirchliche Hierarchie hätte hier aber, Dionysius Areopagites recht verstanden, die wichtige Funktion, hilf- und lehrreiche Leitplanken für dieses irgendwie ja auch sehr moderne Gefühl der spirituellen Ungewissheit zu bieten. Kirchliche Hierar­chien mit ihren positiven und symbolischen Handlungen böten eine Hilfestellung, diese letztliche Ungewissheit auszuhalten.[215]

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