Hans Herrmann

Unter der Seufzerbrücke


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      Hans Herrmann

      Unter der Seufzerbrücke

      Zeitlose Prosa für zeitknappe Zeitgenossen

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       Verlagslogo

      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Vorwort

       Bumm

       Schertenleib

       Mord spielen

       Unter der Seufzerbrücke

       Das Gottesurteil

       Weisse Rosen

       Parkuhren füttern

       Der Neue Roman

       Der Pestwürger

       Werren

       Silen

       Mad Sherlock

       Die Rache des Uhrmachers

       König für den Rest des Lebens

       Ewiger Fall

       Impressum neobooks

      Vorwort

      Ich weiss ich weiss ich weiss. Man soll keine Kurzgeschichten schreiben, sondern Romane. Krimis über irre Serienmörder, gejagt von leidgeprüften Ermittlerinnen, deren private Probleme schwerer zu lösen sind als der Fall selber. Oder Familiensagas mit lebensprallen Figuren, die einem wie Bruder und Schwester ans Herz wachsen und während anderthalb Jahren begleiten. Oder Thriller über die aktuelle politische Lage im Mittleren Osten, die alle zehn Seiten eine überraschende Wendung nehmen. Oder Fantasy-Epen über das Leben, Leiden, Kämpfen und Sterben der Heldengeschlechter auf dem Kontinent Nebulasia. Umfängliche Sachen eben, weit und uferlos wie das Meer, eine Einladung zum Ein- und Abtauchen.

      Ja, man soll derlei schreiben. Zumindest für Leute, die Zeit haben, solche gross angelegten Erzählwerke zu lesen. Diese Zeit haben aber nicht alle. Und doch würden sich auch die Zeitknappen gerne ab und an ein Lesehäppchen einwerfen, im Zug von A nach B etwa, während der Mittagspause vielleicht oder vor dem Einschlafen. So ein klein portioniertes, mundfertig angerichtetes Lesestück, ein literarisches Sushi-Röllchen gewissermassen, rasch zu konsumieren und leicht zu verdauen.

      Sie gehören auch zu diesen Kurz- und Schnelllesern? Dann liegen Sie hier gerade richtig. Es ist angerichtet. Bedienen Sie sich! Die Geschichten in diesem Band sind nicht nur kurz, sondern auch bekömmlich – gewürzt mit einem Schuss Hintersinn, einer Prise Wahnsinn, einem Löffel Tiefsinn, einer Messerspitze Frohsinn und zwei, drei Tropfen Blödsinn.

      Guten Appetit!

      Bumm

      Als Sebastian von der Arbeit nach Hause kam, sah er, dass sein Haus weg war. Explodiert, bumm. Wohl ein Gasunfall. Sebastian war der Erste, der von der Zerstörung erfuhr; das Haus lag einsam an einem Waldrand und war von der Stadt aus nicht zu sehen. Sebastian glaubte sich zwar zu erinnern, am Nachmittag so zwischen 15 und 15.30 Uhr mal einen lauten Knall gehört zu haben, aber er hatte dabei eher an ein Überschallflugzeug oder eine Felssprengung gedacht denn an eine Hausexplosion.

      Es war nur ein kleines Häuschen, aber immerhin, es gehörte Sebastian, war sein Zuhause, sein Eigentum, von einem Grossonkel geerbt. Und jetzt: bumm. Alles weg. Dach, Mauern, Fenster, Tisch, Stühle, Bett, Stereoanlage, Bücher, Computer, Ausweise, Bilder.

      Sebastian war nahe am Heulen. Dann aber obsiegte der Berufsmann. Er war Reporter bei einer Tageszeitung. Er zückte das Handy und rief die Redaktion an.

      «Hier Sebastian», sagte er zum diensthabenden Redaktor. «Ich habe einen Primeur. Mein Haus ist in die Luft geflogen. Es weiss es ausser mir noch niemand. Schickt einen Fotografen. Soll ich die Geschichte gleich selber schreiben?»

      «Ja, schreib sie selber – ich meine, wenn’s dir nichts ausmacht und du dich nicht befangen fühlst. Und bitte aktuell. Ich schiebe den geplanten Hauptstoff und nehme dafür deine Explosion. Dazu bringen wir ein schön grosses Bild», sagte der Diensthabende angeregt.

      Sebastian öffnete seine Umhängetasche, nahm Schreibblock und Kugelschreiber, setzte sich auf einen Mauerrest und machte sich zügig ans Werk. Er beschrieb den Schauplatz, schilderte, wie sich das Ereignis für den Besitzer anfühlte – was ihm diesmal besonders leicht fiel, weil er die Informationen nicht erst aus einem geschockten Fremden herauskitzeln musste – und spekulierte ein wenig über die Explosionsursache, indem er Vermutungen über ein Gasleitungsleck und einen elektrischen Funken anstellte.

      Zwanzig Minuten später erschien Markus, der Fotograf.

      «Stell dich da hin, ich will dich mit drauf», sagte Markus.

      Sebastian stellte sich vor den Schutthaufen, der bis vor kurzem noch sein Haus gewesen war.

      «Soll ich lächeln?», fragte er.

      «Depp», sagte Markus.

      Sebastian blickte ernst.

      «Sehr gut», lobte Markus. Die Kamera machte klick.

      Dann fuhren die beiden auf die Redaktion. Markus sichtete die Bilder, und Sebastian tippte seinen Bericht ins Redaktionssystem.

      «Sind wir wirklich die Einzigen, die das haben?», fragte der Diensthabende, als er den fertigen Bericht gegengelesen hatte.

      «Ich denke schon», sagte Sebastian. «Sicher können wir natürlich erst morgen sein. Kann ich noch irgendwas tun?»

      «Nein, alles klar, danke bestens. Den Frontanriss schreibe ich selber.»

      Sebastian verabschiedete sich und radelte nach Hause zu seinen Trümmern. Zufrieden setzte er sich unter einen Haselstrauch im Garten und blickte auf die Ruine.

      ‚Ich habe gut geschrieben’, sagte er zu sich. ‚Es war auch wieder einmal an der Zeit, bei all dem Stuss, den ich in letzter Zeit zusammengekritzelt habe.’ Vor dem Einschlafen unter dem Strauch dachte er noch: ‚Ich hätte vielleicht doch lächeln sollen.’

      Schertenleib

      Es war ein Haus aus der zweiten Hälfte der 1940er-Jahre. Es hatte zwei Wohngeschosse und einen grossen Estrich. Ein Bekannter hatte mir über einen Bekannten, der die Hausbesitzerin kannte, die seit anderthalb