alias Günther

Die Steilvorlage


Скачать книгу

wie! Und dann geschah es. „ER“ wurde uns präsentiert. Der größte Geier, den wir uns vorstellen konnten, hob ab. Mit dem „Whupp-Whupp“ mächtiger Flügel-schläge und mit jenem ernsten Gesichtsausdruck, der eines Geiers würdig war (ihn aber nicht wirklich schöner machte) flog er direkt auf uns zu. Majestätisch anzuschauen und jemand frug staunend in die Stille: „Wie heißt der?“ … und ich sagte spontan: „Günther!“

      Es war spontan und ja, Sinn-frei. Aber wir lachten. Tatsächlich konnten wir uns kaum beruhigen. Ich will an dieser Stelle auch gern vor aller Welt bekennen, dass ich nichts gegen irgendeinen echten Günther habe. Ich finde sogar, es ist ein schöner Name. Damals aber, für den Geier, eine höchst uner-wartete Namenswahl.

      Beispiele für solche Situationen gäbe es noch einige zu berichten. So freuen sich zum Beispiel unsere Nachbarn über ein Gartenhaus namens Günther und … doch Halt! Ich möchte Ihre wohlwollende Geduld nicht allzu sehr auf die Probe stellen.

      Aber ist das nicht schön? Ja, wenn Unerwartetes, Spontanes passiert, muss dieser Moment, in der sich noch keine Meinung bilden konnte, der uns sprachlos macht und man hin und her gerissen ist, wie man denn am besten reagieren sollte, erst mit „Etwas“ gefüllt werden. In solchen Momenten zeigt sich dann die Schlagfertigkeit, der Witz oder aber die absolute Ich-beherrsche-die-Lage-Coolness einer Person.

      Ein gereimtes Beispiel von Coolness ganz anderer Art gefällig?

      Wir waren gerade beim Fliegen, warum nicht dabei bleiben? Auch wenn es nicht wirklich um eine „Person“ geht, sondern um ein cooles „Es“.

      ***

      Die unmögliche Hummel

      Der Flügel Größe stört mitnichten,

      solange sie ihr Werk verrichten.

      Die Hummel, wenn sie fliegt und summt,

      zielstrebig durch die Lüfte brummt.

      Schwerkraftverachtend, nichtwissend gar,

      dass „UNMÖGLICH!“ Ergebnis der Berechnung war,

      welche die Menschen, als Krönung der Welt,

      im Natur-(V)erkenntnis-Wahn erstellt.

      „Das Ding ist viel zu groß zum Fliegen.“

      „S’müsst‘ behäbig auf dem Boden liegen.“

      „Wir untersuchten, maßen und prüften genau.“

      „Wir irren nicht! Wir sind doch schlau!“

      Die Hummel selbst? Sie ignoriert,

      was logisch abgeleitet und integriert.

      Was tagtäglich sie erfährt im Flug,

      ist ihr empirischer Beweis genug.

      ***

      Episode 2 Der Kameradschaftsabend

      (an diesem Wort scheiden sich die Geister)

      Sind Sie eigentlich auch in einem Verein? So richtig dabei? Singen oder sich sportlich betätigen, mit Sägeblättern musizieren, Schwimmnudeln sammeln oder Beweise dafür, dass Bielefeld doch existiert oder … was auch immer?

      Ich selbst bin in meinem neuen Wohnort in einem Mehrspartenverein gelandet und, was soll ich sagen, es passte, wie die berühmte Faust aufs Sehorgan. Ich fühlte mich sofort pudelwohl. Das war vor … nein, ich glaub’s ja nicht, vor vielen, vielen Jahren! Nächstes Jahr könnten wir Silberhochzeit feiern. Hmm, das Wort passt hier wohl nicht wirklich … also dann eben Vierteljahrhundert-Festivitätsgedenken oder so ähnlich. Noch zweimal doppelt so lang und ich wäre, lassen Sie mich das mal kurz nachrechnen, genau, nochmal 100 Jahre weiter. Jedenfalls bin ich jetzt schon lange dabei und froh darüber.

      Und wie so ein Verein funktioniert, ist auch spannend, nämlich umso mehr, wenn man sich selbst etwas einfallen lässt und dann gemeinsam mit den anderen Vereinsmitgliedern auf die Beine stellt. Das meine ich natürlich allgemeingültig für alle Mitglieder. Wie heißt es so schön: „man bringt sich ein“.

      Das Miteinander und die Geselligkeit sind dabei ganz wichtig, wenn nicht sogar das Wichtigste überhaupt, noch vor dem Vereinszweck, möchte ich behaupten, denn sonst hätte so mancher Verein eine Halbwertszeit, kürzer als die, der Wirkung von Penicillin im Körper und die ist ziemlich kurz. Damit würde es ja nicht mal bis zur Eintragung ins Vereinsregister reichen. Da dort aber viele Vereine drinstehen, ist dies quasi der unfehlbare Beweis des vorher Behaupteten.

      Wo waren wir? Ah, ja … bei dem, was für Vereine wichtig ist und was dazugehört. Feiern jedenfalls gehört auch dazu. In unserem Verein gibt es die Tradition, das Jahr mit einer Feier ausklingen zu lassen, zu der sich dann alle zusammenfinden, man lecker aber viel zu viel isst, an dem Dankesworte gesprochen und Bilder gezeigt werden … darunter auch solche Schnapp-schüsse, die einem eben nur im Kreise von Freunden nicht peinlich sein müssen und über die man gemeinsam lachen kann.

      O.k. sagen Sie, das sei normal, das machten fast alle Vereine so? Ja stimmt, aber nicht in allen Vereinen, Sparten oder Abteilungen heißt diese Feier „KAMERADSCHAFTSABEND“.

      Bei uns ist diese Tradition so erhalten geblieben, zumindest was die Bezeichnung angeht. Und nein: die Beibehal-tung des Namens ist kein politisches oder anderes Statement, a la „früher war alles besser“ oder so. Bei uns ist es einfach bei der traditionellen Bezeichnung geblieben. Zugegeben, ein wenig „angestaubt“ klingt es ja schon. Es scheint auch nicht so richtig in unsere sportlich fitte, angesagte und moderne Welt zu passen. Aber, wer weiß … vielleicht muss man ja auch gar nicht alles vermeintlich „Alte“ auf dem Altar des Up-To-Date-Gottes opfern?

      Was aber bei allem Pro und Contra sicher nur die Wenigsten wissen, ist, woher dieser Name denn überhaupt kommt. „Es war einmal vor langer Zeit“, so fangen viele Märchen an, doch meine Geschichte war kein Märchen, obwohl es schon vor langer Zeit geschah, dass ich leider nicht an einem unserer heiß geliebten Kameradschaftsabende teilnehmen konnte.

      Ich war darüber sehr betrübt und dachte … genau, was Sie sicher auch an meiner statt gedacht hätten: Mangels Teilnahme durch persönlich-körperliche Präsenz, richte ich eine Gruß-Note an die sicher wohlgelaunten Feiernden und nutze die Gunst der Stunde dazu, dessen Etymologie, also des Wortes wahre Bedeutung, zu enthüllen. Ganz sicher, so wähnte ich, brächte dies Erkenntnisgewinn und käme gut an. Also legte ich mich ins Zeug.

      ***

       Gruß-Note zum Kameradschaftsabend

      Hallo Leute!

      Heute findet unser Kameradschaftsabend statt und ich kann leider nicht dabei sein. Das ist nicht nur schade, sondern auch Grund genug, an den eigentlichen Sinn und die Entstehungsgeschichte des „Kame-radschaftsabends“ zu erinnern:

      Was viele nicht wissen: die Schreibweise des Wortes wurde in der Vergangenheit stark verfremdet. Der neuzeitliche Begriff setzt sich, wie der geübte Hörer erkennt, aus drei Wortteilen zusammen: nämlich aus „Kammerrad“, „Schaft“ und „Abend“. Doch jüngste Studien internationaler Sprachwissen-schaftler, so genannter „Sprachologen“, brachten die ganze Wahrheit ans trübe Licht.

      Die Sache begann vor ungefähr genau ziemlich langer Zeit, also im frühen Mittelalter. Papst Sixtus der Siebente rief einen geheimen Geheimzirkel ins Leben. Dessen Mitglieder sollten einen höheren Bewusstseinszustand dadurch erlangen, indem sie mit einem geräderten Vehikel kreisend, sich in Trance versetzten. Ausgeübt in den damals engen Kerkern, Kemenaten und Kammern, hatte das Vehikel und die gesamte Bewegung bald seinen Namen weg. Das „Kammer-Rad“ war erschaffen.

      Doch so gemütlich wie damals blieben die Zeiten bekanntlich nicht. Die Menschheit und auch die geheime Geheimgesellschaft entwickelten sich rasant weiter und den Anhängern der Bewegung blieb immer weniger Zeit, ihrem Hobby nachzugehen. Bald konnte es nur noch abends, viel später sogar nur noch einmal im Jahr ausgeübt werden. Die Erweiterung