Лев Толстой

Hadschi Murat


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Straße erklang, erschien ein Kopf in der Tür der Nachbarhütte, und gleich darauf lief ein Mann, mit den Holzschuhen klappernd, bergan nach der Moschee.

      Der Mond war nicht sichtbar, nur die Sterne schimmerten hell von dem schwarzen Himmel, und im Dunkel sah man die Umrisse der Hausdächer und der über die übrigen Gebäude emporragenden Moschee mit dem Minarett im oberen Teil des Dorfes. Von der Moschee her ließen sich laute Stimmen vernehmen.

      Hadschi Murat zog sein Gewehr an, trat mit dem Fuß in den schmalen Steigbügel, schwang sich leicht aufs Pferd und setzte sich in dem hohen Sattelpolster zurecht.

      »Gott vergelt's«, sagte er, zu seinem Gastfreund gewandt, während sein rechter Fuß gewohnheitsmäßig den zweiten Steigbügel suchte. Dann berührte er mit seiner Peitsche ganz leicht die Schulter des Knaben, der sein Pferd hielt, zum Zeichen, daß er zur Seite treten solle. Der Knabe trat zurück, und das Pferd wandte sich, als wenn es schon wüßte, was es zu tun hätte, mit raschem Schritt aus dem Seitengässchen nach der Hauptstraße. Eldar ritt hinterher, während Sado in seinem Pelze, rasch die Arme hin und her schwenkend, und abwechselnd von einer Seite der schmalen Straße nach der andern laufend, ihnen folgte.

      An einer Ausfahrt, die auf die Straße hinausging, zeigte sich ein beweglicher Schatten, dann ein zweiter.

      »Halt! Wer da? Bleib stehen!« rief eine Stimme, und ein paar Gestalten traten den Reitern in den Weg.

      Statt stehen zu bleiben, zog Hadschi Murat seine Pistole aus dem Gürtel, trieb sein Pferd an und sprengte gerade auf die Leute los, die ihm den Weg versperrten. Sie liefen zur Seite, und ohne sich umzusehen, jagte Hadschi Murat in raschem Passgang bergab, die Straße entlang. Eldar folgte ihm in scharfem Trabe. Zwei Schüsse fielen hinter ihnen, und zwei Kugeln pfiffen vorüber, trafen jedoch keinen von ihnen. Hadschi Murat ritt in demselben Tempo weiter. Als er etwa dreihundert Schritte zurückgelegt hatte, hielt er sein Pferd, das ein wenig außer Atem gekommen war, einen Augenblick an und lauschte in die Ferne. Vor ihm rauschte in der Tiefe ein rasch fließendes Wasser. Hinter ihm krähten die Hähne im Dorfe. Durch diese Laute hindurch ließ sich plötzlich der Hufschlag von Pferden und ein Gewirr von menschlichen Stimmen, die vom Dorfe her immer näher kamen, vernehmen. Hadschi Murat trieb sein Pferd an und ritt, immer in derselben raschen Gangart, weiter. Die Verfolger jagten im Galopp heran und hatten Hadschi Murat bald erreicht. Es waren an die zwanzig Reiter, die ihm nachsetzten, lauter Einwohner des Dorfes, die beschlossen hatten, Hadschi Murat festzunehmen oder sich, um vor Schamyl gerechtfertigt dazustehen, wenigstens so zu stellen, als wollten sie ihn festnehmen. Als sie so nahe herangekommen waren, daß sie im Dunkeln zu sehen waren, machte Hadschi Murat halt, ließ den Zügel sinken, streifte mit einem raschen Griff der linken Hand das Futteral von seiner Büchse ab und zog sie mit der Rechten heraus. Eldar tat desgleichen.

      »Was wollt ihr?« rief Hadschi Murat. »Mich festnehmen? Nun – so nehmt mich fest!« Und er riß die Büchse an die Schulter.

      Die Dorfbewohner blieben stehen. Die Büchse im Arme, ritt Hadschi Murat weiter, einen Abhang hinunter, der auf den Grund einer Schlucht führte. Die Verfolger ritten hinterher, ohne sich ihm zu nähern. Als Hadschi Murat jenseits der Schlucht war, riefen sie ihm zu, er möchte doch anhören, was sie ihm zu sagen hätten. Als Antwort darauf schoß Hadschi Murat seine Büchse ab und galoppierte davon. Als er sein Pferd anhielt, hörte er nichts mehr von seinen Verfolgern, auch die Hähne waren nicht mehr zu hören; dafür klang das Rauschen des Wassers im Walde jetzt vernehmlicher, und von Zeit zu Zeit ertönte der klagende Schrei eines Uhus. Die dunkle Wand des Waldes schien in nächste Nähe gerückt. Es war jener Wald, in dem Hadschi Murat von seinen Muriden erwartet wurde. Als er den Waldrand erreicht hatte, machte er halt, holte tief Atem, ließ einen lauten Pfiff ertönen und horchte dann in die Nacht hinaus. Im nächsten Augenblick schon ertönte ein gleicher Pfiff aus dem Walde. Hadschi Murat bog vom Wege ab und ritt quer durch den Wald. Als er etwa hundert Schritte zurückgelegt hatte, sah er ein Feuer zwischen den Baumstämmen schimmern; menschliche Gestalten lagerten um das Feuer, dessen Schein auf ein in der Nähe grasendes, an drei Beinen gefesseltes, jedoch sattelfertiges Pferd fiel.

      Es waren vier Männer, die um das Feuer herumsaßen. Einer von ihnen erhob sich rasch, kam auf Hadschi Murat zu und griff nach seinem Zügel und dem Steigbügel. Es war Hadschi Murats Blutsbruder Chanefi, der sein Hauswesen und seine Güter verwaltete.

      »Löscht das Feuer aus«, sagte er, während Hadschi Murat vom Pferde stieg.

      Die Leute am Feuer begannen sogleich, es auszulöschen, indem sie die brennenden Haufen auseinanderwarfen und die glimmenden Äste austraten.

      »Ist Bata hier gewesen?« fragte Hadschi Murat, auf den Filzmantel zutretend, der auf der Erde hingebreitet lag.

      »Ja. Er ist schon lange fort, mit Chan Mahoma.«

      »Welchen Weg haben sie eingeschlagen?«

      »Diesen da,« antwortete Chanefi; er zeigte nach einer Richtung, die jener entgegengesetzt war, aus der Hadschi Murat gekommen.

      »Es ist gut,« sagte Hadschi Murat und begann seine Büchse zu laden. »Wir müssen Wachen ausstellen, sie haben mir nachgesetzt,« sprach er dann zu einem der Männer, der noch damit beschäftigt war, das Feuer auszulöschen.

      Es war der Tschetschenze Hamsalo, den Hadschi Murat angesprochen hatte. Hamsalo ging zu dem Filzmantel hin, ergriff eine im Futteral steckende Büchse, die dort lag, und begab sich schweigend an den Rand der Lichtung, nach jener Seite, von der Hadschi Murat hergekommen war. Eldar, der abgestiegen war und sein Pferd, wie auch dasjenige Hadschi Murats, mit hochgestrecktem Kopfe an den Bäumen in der Nähe festgebunden hatte, begab sich gleichfalls mit der Büchse über der Schulter an den Rand der Lichtung. Das Feuer war ausgelöscht, und der Wald erschien nun nicht mehr so schwarz wie vorher. Am Himmel blinkten, wenn auch nur mit schwachem Schimmer, die Sterne.

      Hadschi Murat sah zu den Sternen auf – er suchte das Siebengestirn, das bereits bis zur Hälfte des Himmels emporgestiegen war. Sie sagten ihm, daß es lange nach Mitternacht sei, und daß es längst Zeit sei, das Nachtgebet zu verrichten. Er ließ sich von Chanefi das Becken reichen, das stets beim Gepäck mitgeführt wurde, zog seinen Filzmantel an und begab sich an das Wasser.

      Er zog seine Schuhe aus und nahm die Fußwaschung vor, worauf er mit bloßen Füßen auf den ausgebreiteten Filzmantel trat, niederhockte und zunächst, Augen und Ohren mit den Fingern zuhaltend, mit nach Osten gewandtem Gesichte das übliche Gebet sprach.

      Als er das Gebet beendet hatte, kehrte er an den Lagerplatz zurück, setzte sich dort neben den Sätteln und Quersäcken auf den Filzmantel, stützte die Ellbogen auf die Knie, ließ den Kopf sinken und vertiefte sich in seine Gedanken.

      Hadschi Murat hatte stets an sein Glück geglaubt. Wenn er etwas unternahm, war er von vornherein fest davon überzeugt, daß der Erfolg ihm sicher sei, und er hatte in der Tat während seines stürmischen, von Kampf und Streit bewegten Lebens fast immer Glück gehabt. Er hoffte, daß es auch diesmal nicht anders sein würde. Er stellte sich vor, daß er mit den Truppen, die ihm Woronzow zur Verfügung stellte, gegen Schamyl ziehen, ihn gefangen nehmen und an ihm Rache nehmen würde, daß alsdann der Zar ihn dafür belohnen und er nicht nur über Awarien, sondern auch über die gedemütigte Tschetschna herrschen würde. Mit diesen Gedanken beschäftigt, war er unversehens eingeschlafen.

      Er sah im Traum, wie er mit seinen tapferen Getreuen unter Gesang und lautem Kampfgeschrei: »Hadschi Murat kommt!« gegen Schamyl losstürmte, wie er ihn samt seinen Frauen gefangen nahm, und er hörte das Schluchzen und Weinen der Weiber. Er erwachte aus dem Traum: das Kampflied »La Illaha!«, das Kriegsgeschrei »Hadschi Murat kommt!« und das Weinen der Frauen Schamyls war in Wirklichkeit nichts anderes als das Heulen, Weinen und Lachen der Schakale, die ihn aus dem Schlafe aufgestört hatten. Hadschi Murat hob den Kopf empor, sah nach dem bereits zwischen den Baumstämmen hindurchschimmernden Morgenhimmel und fragte einen der Muriden, der ein wenig abseits von ihm saß, ob Chan Mahoma schon zurück sei. Als er vernahm, daß Chan Mahoma noch nicht da sei, ließ er den Kopf von neuem sinken und schlummerte sogleich wieder ein.

      Er wurde durch die muntere Stimme Chan Mahomas geweckt, der mit Bata von seiner Sendung zurückgekehrt war. Chan Mahoma setzte sich sogleich zu Hadschi