Andrea Lieder-Hein

Meine Miesen Morde


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die entsetzten Augen ihrer besten Freundin und in die ihres Ehemannes. Dann fuhr sie hämisch grinsend zur Klinik, betrat ihr Büro, fuhr den PC hoch und schrieb einen Brief an die Polizei, anonym natürlich. Sie schrieb alles auf, was sie in jener Nacht gesehen und gehört hatte, fügte noch ein paar von ihr erfundene, gemurmelte Sätze wie „Das geschieht dir recht, du Schwein“ dazu und brachte den Brief zur Post.

      „Wie geil ist das wohl, wenn man erfährt, dass man mit einer Mörderin Sex hatte?“, dachte sie und lachte verzweifelt in sich hinein.

      2. Die Biokiste

      Es war erst kurz nach sieben, als das Telefon Tomma aus ihren Träumen riss.

      „Hallo, hier ist Imme, die Biokiste“, tönte es quietschfidel aus dem Hörer. Tomma riss vor Schreck die Augen auf und war mit einem Male hellwach. Wer war wohl Imme? Und was für eine Biokiste?

      „Die Saison startet nächste Woche. Du hast ja schon im März bestellt, aber jetzt fängt die Saison erst an.“

      „Und was genau habe ich bestellt?“, erkundigte sich Tomma verwundert.

      „Eine mittlere Kiste für 15€, kommt immer freitags. Wolltest du, weil dein Mann zur See fährt und meistens am Wochenende zu Hause ist.“

      Das alles hatte sie gesagt? Tomma zweifelte manchmal an ihrem Verstand, wenn fremde Leute ihr Sachen erzählten, die sie gesagt oder gemacht haben sollte, und an die sie sich so gar nicht mehr erinnern konnte. Manchmal waren die Dinge auch grottenpeinlich. Aber sie wusste, dass sie stimmten, und ihr Mann fuhr tatsächlich zur See, auf der Ostsee auf einem Kreuzfahrtschiff.

      „Hallo? Bist du noch da?“

      Warum diese Imme sie wohl duzte? Egal, sie musste antworten, und wie es ihr schien, jetzt sofort.

      „Na klar, Imme, es bleibt natürlich dabei.“

      „Suppi, dachte ich’s doch. Es gibt jetzt erst mal Salat, Kohlrabi, Löwenzahn, Mangold und Zuckerschoten. Deine Kontodaten haben wir ja. Wir ziehen dann ein Mal im Monat 60€ ab. Im ersten Monat sind es 70€, weil wir 10€ Pfand für die Kiste nehmen. Die kriegst du wieder, wenn du mal nicht mehr bestellen willst. Alles klar? Ich freu mich.“

      Und dann hatte Imme aufgelegt.

      Tomma wurde ein bisschen schummerig, als sie an ihr Konto dachte. Neben dem Handy-Vertrag zahlte sie noch den neuen Laptop ab und die Spiegelreflex-Kamera. Dann hatte sie für zwei Jahre ein Fitness-Studio gebucht, war so günstiger. Ach, und das Fisheye für die Kamera. Alles nur kleine Beträge, aber jetzt noch 60€ Gemüse, oh je. Wenn nur Onno nicht böse würde. Er hasste ihre verschwenderische Art, aber es gab immer so schöne Sachen, und Onno verdiente als Restaurantleiter auf dem Schiff nicht so schlecht. Außerdem verdiente sie als Physio-Therapeutin noch dazu, aber trotzdem.

      Sie dachte verträumt an Onno, wie er damals gezittert hatte, ob er die Stelle auf der „Dream-Cruise Baltic“ bekommen würde. Dort suchten sie eine flexible Fachkraft mit Führungsqualitäten für den gesamten Servicebereich, also Steuerung und Koordination der Abläufe im Restaurant. Da er Berufserfahrung in gehobener Gastronomie nachweisen konnte und perfekt Englisch sprach, bekam er den Zuschlag. Damals hatten sie zwei Tage durchgefeiert. Onno kochte wunderbar, und auch sonst waren es zwei hoch erotische Nächte gewesen.

      Ob Onno wohl Mangold mochte? War Löwenzahn nicht ein Unkraut? Tomma biss sich verzweifelt auf die Lippen. Was hatte sie wieder angerichtet. Und Freitag kam Onno nach Hause, da konnte sie nicht einmal mehr üben mit der Biokiste von Imme.

      ***

      „WAS hast du bestellt?“

      „Eine Biokiste. Mit frischem Gemüse.“

      „Und das hier auf dem Teller IST das Gemüse? Sieht aus wie Unkraut, und, tut mir leid, schmeckt auch so.“

      „Aber ...“

      „Kannst du nicht wie alle Frauen ganz normal kochen? Mit ganz normalen Zutaten? Möhren, Erbsen, ...“

      „Ja, aber die Biokiste ...“

      „Lidl und Aldi sind gleich um die Ecke, Edeka nur wenige Straßen entfernt und du lässt dir Unkraut aus der Nähe von Hamburg rankarren.“

      „Die machen so Touren, und Hamburg ist auch nur 70km weg.“

      „Bei uns sind es 70 Meter bis zum Laden, und Gemüse kauft man nicht kistenweise, sondern immer frisch in kleinen Mengen. Geht das in dein Spatzenhirn rein? ICH bin hier der Fachmann für Speisen, DU kannst nur Geld ausgeben.“

      „Schmeckt die Löwenzahn Lasagne denn gar nicht?“

      „Was hast du bloß mit dem Hack gemacht? Es schmeckt wie kleine Papp-Kügelchen.“

      „Hack? Ach, du meinst das Soja.“

      „Soja? Ich esse also Unkraut mit Tierfutter. Für den Soja-Anbau werden tropische Regenwälder am Amazonas gerodet, und du kochst damit diesen Fraß. Ich glaub es nicht. Wenn es wenigstens schmecken würde.

       Wo ist eigentlich der Kamillentee?“

      „Welcher Kamillentee?“, fragte Tomma entsetzt. „Du mochtest doch noch nie Kamillentee.“

      „Eben. Deswegen fehlt er hier. Dann hättest du das perfekte Grusel-Essen für mich zusammengestellt.

       Komm, Schatz, nicht traurig sein, war nicht so gemeint. Wir gehen jetzt in die Stadt und essen lecker Pommes mit Currywurst.“

      Tomma lächelte verzweifelt und wischte sich heimlich zwei kleine Tränen aus den Augen.

      Die Stadt war voll, denn die Sonne schien und es war Freitag. An der Pommes Bude in der Fußgängerzone waren ein paar Stehtische aufgebaut, und die beiden hatten Glück, denn einer wurde gerade frei.

      Die Currywurst war echt der Hammer hier an dieser Bude, und Onno haute richtig rein.

      „Gibt’s zu Hause nix mehr zu essen?“, kam eine Stimme vom Nachbartisch. Es war Fokko, und er grinste über sein ganzes Gesicht.

      „Tomma hat heute mal Unkraut mit Soja gekocht. Gesund vielleicht, aber satt werd’ ich da nicht von, vom Geschmack ganz zu schweigen“, lachte Onno.

      Tomma spürte, wie leichter Ärger in ihr hoch kroch. Musste er sie überall lächerlich machen?

      „Hey, Mädel, schau nicht so, die wenigsten Frauen können heute noch kochen. Tja, und wer einen Mann aus einem gastronomischen Servicebereich heiratet, der hat dann was zu leiden“, grinste Fokko.

      *

      Am Sonntag Abend war Tomma zum ersten Mal froh, dass Onno nach Kiel zu seinem Schiff fuhr. Sie wollte in der kommenden Woche tüchtig üben, wie sie ein wirklich schmackhaftes Essen aus der Kiste zaubern konnte.

      Bevor die neue Biokiste unterwegs war, musste Tomma noch die alten Gemüsereste entsorgen. Bisschen welk sah alles aus. Schlapp und müde lag der Salat neben den Zuckerschoten. Nur der Kohlrabi wirkte einigermaßen frisch und glatt, aber sie nahm alles unter den Arm und wanderte zu Helge, der nebenan wohnte und dessen Kinder zwei Kaninchen hatten. Denen tat sicher mal was Grünes gut.

      Als Helge die Türe öffnete, sah er bestürzt auf Tomma und auf das schlaffe Bündel Grünzeug. „Was hast du denn da unterm Arm, Tomma?“ fragte er skeptisch.

      „Wir haben die Biokiste nicht ganz geschafft, und da dachte ich, eure