Michael Schenk

Sky-Troopers


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      „Hm. “ Der Wartungstechniker musterte sie nochmals und zeigte unvermittelt eine Reihe blendend weißer Zähne. „Ihr erstes Kommando, was?“

      „Merkt man mir das so deutlich an?“

      „Nehmen Sie es mir nicht übel, Lieutenant, aber sie haben noch etwas Wäschestärke in der Uniform – wenn Sie verstehen.“

      „Nicht so ganz“, gab sie zu. Nun lächelte sie ebenfalls. „Was wohl ein Beweis für die Wäschestärke ist.“

      Der Mann lachte und stopfte das Tuch in eine der zahllosen Taschen seines Overalls. „Chief Lars Benstrom, Ma´am. Ich bin der Chef-Mechaniker für die FLVs der fünften Sky-Cav. Na ja, ursprünglich. Inzwischen hat man uns ja auch die Wartung vom dritten Regiment übertragen. Die waren nicht gerade erfreut, kann ich Ihnen sagen. Niemand lässt sich gerne von einem anderen in seinen Angelegenheiten herumpfuschen.“ Er zuckte mit den Schultern. „Aber in diesem Fall … Ich meine, die ganzen Träger und Boote – da gibt es einfach zu viel zu tun und zu wenig Hände.“

      „Verstehen Sie mich jetzt nicht falsch, Chief, wenn ich das frage: Werden Sie und Ihre Leute denn mit allem fertig? Ich meine – rechtzeitig?“

      Er wippte leicht auf den Fersen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Mit Verlaub, Ma´am, das ist eine verdammt blöde Frage. Selbstverständlich wird alles fertig. Wir sind Sky-Cav genauso wie Sie und Ihre Jungs und Mädels. Okay, wir steigen nicht in die Kisten und fliegen nicht mit ihnen, aber wir wissen verdammt gut, was von unserer Arbeit abhängt. Außerdem sind da noch die Flugcrews. Wenn wir mit unserer Arbeit und der Freigabeinspektion durch sind, dann kommen die Crews und checken alles selbst noch mal durch.“ Er lachte abermals. „Nicht, dass die was finden würden – sind schließlich keine Techniker, Ma´am. Aber wir wissen es zu schätzen, dass die sich die Mühe machen. Sind ja auch gute Crews von der Sky-Cav – wenn Sie verstehen. Wissen Sie, bei den Freiwilligenregimentern gibt es einige Bootsbesatzungen … Die setzen sich nach unserer Freigabe einfach in die Kisten und schwirren ab. Okay, man könnte sagen, es ist ein Beweis des Vertrauens in unsere gute Arbeit, aber uns sind Crews lieber, die ihre Nase nicht zu hoch hängen – wenn Sie verstehen.“

      Joana Redfeather kannte den Grund, warum die Wartungscrews die Kontrollen der engagierten Flugbesatzungen so schätzten. Zum einen gab es praktisch nie eine Beanstandung, was eine klare Anerkennung der Arbeit der Wartungsteams war, und zum anderen erfuhren die Flugmannschaften in den Gesprächen mit den Technikern viel über die Eigenheiten ihres Bootes und die technischen Zusammenhänge.

      „Und was ist an der 5-27 nicht in Ordnung?“

      „Die Hydraulik der Backbord-Landekufe hat etwas gehakt. Und wir müssen noch die Hitzekacheln überprüfen. Die Dinger halten zwar extreme Temperaturen aus, sind aber gegen mechanische Einflüsse etwas empfindlich. Kleinstmeteoriten oder Beschuss können ihnen ziemlich zusetzen. Daher sind die Dinger auch nur verschraubt, damit man sie schnell austauschen kann.“ Die Stimme gehörte zu einem Mann mit leuchtend rotem Haarschopf, der in der offenen Heckrampe aufgetaucht war. „Und wie Sie sehen, Ma´am, hängen die Flieger ihre Nasen keineswegs zu hoch.“

      „War nicht böse gemeint, Paddy“, wiegelte Chief Benstrom ab.

      Der mit „Paddy“ Angesprochene nickte Joana Redfeather zu. „Sergeant Patrick O´Harrahan, Ma´am. Keine Sorge, da ist nichts an der 5-27 kaputt. Wir ziehen praktisch nur die Schrauben nach. Die Technik und der Rumpf sind prima in Schuss. Ansonsten mussten wir nur ein bisschen Staub wischen, weil sie ja zwölf Jahre herumstand.“

      Sie sprachen kurz miteinander, aber die junge Offizierin begriff sehr schnell, dass sie die Männer nur von der Arbeit abhielt. Joana dankte ihnen und hatte das gute Gefühl, dass „ihr“ FLV in ausgezeichneten Händen war. Sie blickte auf die Uhr. Es war Zeit für eine warme Mahlzeit. Kurz entschlossen tippte sie an das Implant hinter ihrem Ohr. „Hallo Boris, hier Joana: Ich will gerade etwas essen gehen. Was hältst du davon, wenn wir uns in der Kantine treffen? Prima, ich mache mich auf den Weg.“

      Ein kurzes Nicken zu dem Chef-Mechaniker, dann begab sich der Lieutenant zu einem der Ausgänge des Hangardecks.

      Man musste sich vor Augen führen, dass ein Träger fünf Kilometer lang und anderthalb Kilometer breit war. Seine Höhe, ohne die Zusatzaufbauten, betrug einen Kilometer. Doch dieses enorme Volumen war erforderlich, um einen solchen Riesen in Betrieb zu halten, die Menschen an Bord zu versorgen und entsprechend unterzubringen. Platz wurde dabei nicht verschwendet. Fast zwanzig Prozent des Gesamtraumes wurden von den Energieerzeugern und dem Antriebssystem eingenommen, weitere zehn Prozent von der hydroponischen Anlage, in der Sauerstoff und Nahrungsmittel produziert wurden. Es gab mehr als 12.000 Räume, von der winzigen Aufbewahrungskammer für Reinigungsmittel bis hin zum riesigen Maschinensaal entlang der Längsachse des Trägers. Keinem Menschen wäre es möglich gewesen, sich die Lage aller Räume einzuprägen. Von je her waren Besatzungsmitglieder daher für bestimmte Sektionen eingeteilt. Es gab ein ausgeklügeltes Leitsystem mit Farbkodierungen und selbstverständlich eine Unzahl von Plänen, die in den Gängen angebracht waren. Wirklich hilfreich waren jedoch die Implants, die man jedem Angehörigen der Streitkräfte hinter den Ohren einpflanzte. Zwar hatten ihre winzigen Funkgeräte nur eine Reichweite von wenigen Metern, doch da es überall im Schiff Transmitter gab, waren sie hervorragende Navigationshilfen.

      Joana betrat einen der breiten Korridore, die entlang der Längsachse der Trafalgar führten. In seiner Mitte liefen drei Transportbänder entlang, das mittlere davon mit beachtlicher Geschwindigkeit. Geübt wechselte sie die Bänder, verließ sie einen halben Kilometer entfernt und trat in einen der Lifts, deren Kabinen wie die Glieder einer Kette aneinandergereiht waren und die relativ langsam, aber in unendlich scheinender Folge ihren Weg nahmen. Zwanzig Decks höher nutzte sie einen weiteren Korridor. Hier befanden sich Quartiere der Offiziere und eine der diesen vorbehaltenen Kantinen. Diese war zweckmäßig, doch durchaus gemütlich eingerichtet.

      Wände und Decke waren mit Holzimitat verkleidet und indirekte Beleuchtung schenkte gedämpftes Licht. Eine Längswand wurde vom Diorama einer Marslandschaft eingenommen. Es zeigte eine Sanddüne, die an der Flanke mit zähem Pfeilgras bewachsen war, und in deren Windschatten einige Kugelbäume aufragten. An den anderen Wänden hingen Bilder oder Tridios, die Direktoratstruppen im Kampf zeigten. Typisch für die Darstellungen war, dass der Feind nicht sichtbar war, die Soldaten aber in sehr heldenhaften und entschlossenen Posen dargestellt wurden.

      Die D.C.S. Trafalgar transportierte zwanzigtausend Angehörige der Landungstruppe: zehn Regimenter mit dem entsprechenden Soll an Offizieren, zehn Colonels und Lieutenant-Colonels, dreißig Majors, einhundert Captains und zweihundert Lieutenants. Dazu kamen die Offiziere des Schiffes und des Admiralstabes. Über die Decks verteilt gab es fünf Kantinen und Aufenthaltsräume, die ihnen zur Verfügung standen. Unteroffiziere und Mannschaften mussten hingegen mit den Gemeinschaftsmessen Vorliebe nehmen.

      Statt der langen Tische und Bänke der Mannschaften gab es hier eingedeckte Tische und bequeme Stühle. Viele davon waren besetzt und Joana sah sich um, ob sie Boris irgendwo erblickte. Schließlich entdeckte sie ihn, winkte ihm kurz zu und ging dann zum Ausgabeschalter, um sich ihre Mahlzeit auszuwählen.

      Sie musterte das Angebot und entschied sich für Eier und Speck, dazu Röstbrot und einen großen Becher Fruchtsaft. Die Eier hatten wahrscheinlich nie ein Huhn gesehen, der Speck niemals ein Rind und der Saft war sicher nur an einer Fruchtbeere vorbeigeschwommen. Aber die entsprechenden Geschmacksverstärker gaukelten den Sinnen immerhin erfolgreich vor, es mit den beschriebenen Nahrungsmitteln zu tun zu haben.

      Sie belud ihr Tablett, zog die Kennmarke durch den Kassenschlitz und balancierte ihre Beute zwischen den besetzten Tischen hindurch zu jenem, an dem Boris saß.

      Boris Amassov war wie sie Lieutenant und führte den zweiten Zug der C-Kompanie in Joanas Regiment. Er gehörte allerdings zu jenen vielen Freiwilligen, die man in Schnellkursen durch die Ausbildung gepeitscht hatte, um die Sollstärke erfüllen zu können, als man die Linien der Berufssoldaten der Sky-Cav ausdünnte. Offiziell gehörte er zur kämpfenden Elite der Sky-Trooper und versuchte diesem Anspruch gerecht zu werden, trotzdem haftete ihm der „Geruch“ des Zivilisten an.