Michael Schenk

Sky-Troopers


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erheben und vor allem dort oben verbleiben könnte. Andererseits leuchtete es gerade dem Militär ein, wie bedeutsam es sein mochte, über künstliche Vögel zu verfügen, die einen Feind aus der Luft beobachten konnten.

      Ja, in den ersten Jahren gab es zahlreiche Fehlschläge mit fatalen Folgen für das Material und jene, die es zu steuern versucht hatten. Aber jeder Fehlschlag führte zu neuem Denken und die Wissenden lernten hinzu. Nach und nach entstand ein Flugobjekt, das diese Bezeichnung tatsächlich verdiente. Karst 4 war schon bei den ersten Versuchen auf das Schwingenfeld aufmerksam geworden, obwohl es ein gut gehütetes Geheimnis war. Aber seine Verbindungen und Ohren reichten weit und die Kontakte zu den Wissenden taten ein Übriges. Karst traf zu jenem Zeitpunkt ein, zu dem es bereits eine Reihe erfolgreicher Flüge gegeben hatte und genug Flieger, die nach der Landung noch in der Lage waren, von ihren Erlebnissen zu berichten.

      Karst 4 Hondabar war nur zu gerne als Schwingenflieger angenommen worden. An diesen Männern herrschte Mangel. Es gab nicht viele Freiwillige, und von diesen vertrugen einige die Höhe nicht oder kamen mit der Steuerung nicht zurecht. Karst hingegen war ein Naturtalent und vom ersten Augenblick an in „seine“ Schwinge verliebt.

      Eine Schwinge bestand aus einem hölzernen Rahmen, der gut dreimal so lang war wie der gestreckte Leib eines Hanari. Dieser Rahmen war mit Leder bespannt und enthielt eine gut durchdachte technische Konstruktion, die aus dem Auftriebskörper, dem Antrieb und natürlich der Steuerung mit dem Piloten bestand.

      Ganz vorne im Rumpf befand sich der Antrieb. Er bestand aus einer hölzernen Luftschraube, die über eine Achse und ein metallenes Getriebe mit zwei Pedalen verbunden war. Diese Pedalen wurden durch die Muskelkraft des Piloten bewegt und trieben die Schwinge durch die Luft. Dass sie aber überhaupt in die Luft gelangte, war der Verdienst des Auftriebskörpers. Er bestand aus drei tonnenförmigen Glasbehältern, die mit einem Gas gefüllt wurden, das erheblich leichter als Luft war. Zur Herstellung des Gases benötigte man Metallspäne und Säure, viel Geduld und große Vorsicht. Da Pilot und Antrieb weitaus mehr Gewicht als die Auftriebskörper aufwiesen, wäre die Schwinge somit kopflastig geworden. Am Heck befand sich daher ein beweglicher Metallkäfig, der mit verschiedenen Gewichten versehen war und dessen Lage justiert werden konnte. Seitlich am Rumpf befanden sich die beiden Objekte, die dem Gerät die Bezeichnung „Schwinge“ eingetragen hatten. Sie wiesen tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit mit den Flügeln eines Vogels auf, waren proportional allerdings deutlich kleiner. Sie bestanden ebenfalls aus lederbezogenen Holzrahmen. Unmittelbar am Rumpf ragten Hebel auf, die der Pilot zum Steuern nutzen konnte. Mit ihnen war er in der Lage, die Schwingen ein Stück nach vorne oder hinten zu neigen. Auf diese Weise und durch das Neigen seines Oberkörpers konnte ein Pilot die seitliche Flugrichtung bestimmen. Steigflug und Sinkflug wurden durch die Verlagerung des Gewichtskastens und die Bewegung des Piloten herbeigeführt. Die Geschwindigkeit hingegen war eine Sache der Windgeschwindigkeit und der Beinmuskulatur des Fliegers.

      Inzwischen gab es drei Dutzend der Schwingen, und es wurden weitere gebaut, denn die Befehlshaber der Gepanzerten waren endgültig vom Nutzen der Fluggeräte überzeugt.

      Unmittelbar am Schwingenfeld war die Siedlung Hondabar entstanden. Hier lebten die Wissenden, die Piloten und die Wartungsmannschaften sowie jener Teil der Bevölkerung, der die hier Lebenden mit allem Notwendigen versorgte. Die meisten Häuser waren typische dreistöckige Gebäude, wie sie in jeder kleinen Siedlung zu finden waren, ferner gab es einen Kuppelbau für Bilderwerfer und ein auf Säulen ruhendes Runddach für Marktstände. An Stelle des Ältestenhauses befand sich der typische Rundturm eines Militärgebäudes, denn Hondabar stand natürlich unter dem Befehl eines Doppelschärpenträgers der Gepanzerten.

      Das Schwingenfeld bestand aus einem sorgfältig geebneten Platz, an dessen Rändern Hallen und Werkstätten, einige Quartiere und andere Funktionsgebäude standen. Siedlung und Flugfeld lagen in einem kleinen Tal, das ringsum von dichten Wäldern umgeben wurde.

      An diesem Morgen sollte Karst 4 Hondabar einen Testflug mit seiner Schwinge durchführen. Der Befehlshaber hatte ein großes Geheimnis daraus gemacht, welche Veränderung an dem Fluggerät vorgenommen worden war und hatte den Mechanikern unter Strafandrohung verboten, etwas verlauten zu lassen. Natürlich war Karst neugierig gewesen, doch selbst ein Krug Brennwasser hatte die Zungen der Monteure nicht gelöst. So war er entsprechend gespannt, welche Überraschung ihn an diesem Morgen erwartete.

      Es war kurz nach Sonnenaufgang und Karst bereitete sich in der kleinen Offiziersunterkunft sorgfältig auf seinen Flug vor. Inzwischen hatte er sich daran gewöhnt, die ledernen Fußüberzieher zu tragen. Kein anderer Hanari trug eine Fußbekleidung, aber Karst gestand sich ein, dass ein Schwingenflieger gut beraten war, sie zu nutzen. Die Pedalen des Luftschraubenantriebs waren schmal und verursachten schnell Druckschmerzen an den Füßen, wenn diese nicht geschützt wurden. Zusätzlich zog er sich eine fellgefütterte Lederjacke an und knöpfte ihren Kragen hoch. In den Höhen, in denen eine Schwinge flog, war es empfindlich kalt und ein steifer Nacken war nicht nur schmerzhaft, sondern schränkte auch die Beweglichkeit und somit die Sicht ein.

      Er nahm ein kräftiges Frühstück zu sich: mehrere Scheiben Röstbrot und gegrillte Fruchtscheiben, dazu ein paar Nüsse. Das alles spülte er mit heißem Gewürzwasser hinunter. Danach füllte er seine Wasserflasche auf und steckte zwei Pfoten voll der nahrhaften Nüsse in seinen umgehängten Proviantbeutel. Eine Schwinge auf Geschwindigkeit zu bringen und eventuell gegen den Wind voran zu treiben, erforderte viel Kraft. Vor allem erforderte es Beinarbeit und man konnte einen Schwingenflieger angeblich an der ausgeprägten Muskulatur der Schenkel erkennen.

      Karst 4 Hondabar verließ die Offiziersunterkunft und trat auf das Flugfeld hinaus. Automatisch blickte er zu dem Mast mit den Farbentuch des großen Haldar. Die Flagge hing schlaff herab, was Karst erleichterte. Wenigstens musste er beim Start nicht mit Wind rechnen. In der Höhe mochte das dann allerdings ganz anders sein. Windströmungen waren oft unberechenbar, es sei denn, die Wolken verrieten ihre Bewegung.

      Der nächste Blick schweifte über das Feld. Von seiner Schwinge war noch nichts zu sehen, aber vor der Halle, in der sie vor dem Wetter geschützt stand, war Bewegung. Eine ganze Reihe von Gepanzerten, Schwingenfliegern und Monteuren stand dort und unterhielt sich angeregt. Ein Stück abseits standen zwei Handwagen, auf denen sich Gefäße mit Metallspänen, Säure und einige Schläuche befanden. Unter den Gepanzerten befanden sich gleich mehrere Schärpenträger, was Karst sofort verriet, dass man seinem Flug große Bedeutung beimaß.

      Rinz 124 Hondabar machte einen besonders aufgeregten Eindruck. Er war der Hauptmechaniker für Karsts Schwinge und hatte die Umbauten vorgenommen. Jetzt war er sicher ebenso gespannt wie der Pilot, ob alles richtig funktioniert. Allerdings würde Rinz im Gegensatz zu Karst am Boden und in Sicherheit bleiben. Karst hatte jedoch volles Vertrauen in den Mechaniker. Dieser wäre liebend gerne selbst Schwingenflieger geworden, litt aber unter Höhenangst.

      Als Karst näher kam, wandten sich ihm die Versammelten zu und er entbot dem Befehlshaber seinen Ehrensalut. Der Doppelschärpenträger war sichtlich bester Laune, strich Karst anerkennend über die Schnauze und deutete dann zum geschlossenen Hallentor, das in diesem Moment von den Arbeitern geöffnet wurde.

      „Dies ist ein wirklich bedeutsamer Tag für die Streitkräfte des großen Haldar – mögen die Wolken ihm gewogen sein –“, meinte der Offizier. „Lange hat man daran gezweifelt, dass es möglich wäre, dass sich ein Hanari mit einer Schwinge in die Luft erheben könnte. Es ist geschehen! Tapfere Gepanzerte wie du, Karst 4 Hondabar, haben den Beweis hierfür angetreten und dafür gesorgt, dass uns das Ohr des großen Haldar – mögen die Wolken ihm gewogen sein – sehr zugeneigt ist.“ Karst begriff sehr wohl, was dies bedeutete. Der Befehlshaber der neuen Schwingenflieger konnte zusätzliche Mittel und Krieger einfordern und erhielt wahrscheinlich sogar eine dritte Schärpe, wenn es keine Probleme gab. Der Doppelschärpenträger wippte leicht auf den Beinen und strich sich unter der Schnauze entlang. Offensichtlich war er doch ein wenig beunruhigt, dass nicht alles zur vollsten Zufriedenheit verlaufen könnte. „Dieser Tag wird für uns Hanari von entscheidender Bedeutung sein, mein guter Karst. Zum ersten Mal soll sich eine Schwinge nicht nur in die Luft erheben und beweisen, welch gute Aussicht man von dort oben hat. Nein, an diesem Tag wirst du es sein, der den Beweis dafür antritt, dass man mit einer Schwinge auch kämpfen kann.“