Stefanie Purle

Scarlett Taylor - Mitternacht


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zu halten. Darius wirkt nachdenklich und zieht die ledrige Stirn in tiefe Falten.

      „Ich habe sie gependelt, doch mein Pendel schlägt nur ganz leicht über einem kleinen Ort in Frankreich aus. Das ist die einzige Spur, die ich habe. Wir müssen da hin und nach ihr suchen.“

      Chris reibt über meinen Rücken und küsst meinen Scheitel, als ein Rumpeln von Oben uns kurz zusammenzucken lässt.

      „Guten Morgen?“, hallt Falks Stimme oben über den Flur. „Können wir runterkommen?“

      Falk und Dahlia. Die beiden hätte ich beinahe vergessen. „Ja, natürlich“, rufe ich zurück und räuspere mich.

      Naomi schaut mich fragend an und linst hinüber zur Treppe. „Das sind Falk und Dahlia, wir haben sie gestern aus der Libelle befreit und sie haben die Nacht bei uns verbracht“, erkläre ich ihr knapp und beginne aufgrund leichter Überforderung meine Stirn zu reiben.

      Chris, der meine Körpersprache besser lesen kann als jeder andere, seilt sich von uns ab und übernimmt unsere Gäste, die im Morgenmantel bekleidet und ein wenig schüchtern den Fuß der Treppe erreichen. „Guten Morgen, ihr Beiden! Ich hoffe, ihr habt gut geschlafen“, begrüßt er sie fröhlich und lenkt sie mit ausgebreitetem Arm in die Küche. „Habt ihr Hunger? Wir haben frisches Brot, Haferflocken und Eier. Und wie wäre es mit Kaffee?“

      Dankbar, dass er sich um die beiden kümmert, wende ich mich wieder Naomi, Kitty und Darius zu.

      „Soll ich deine Mutter vielleicht auch mal pendeln? Ich kann ihr auch die Karten legen, vielleicht erfahren wir darin auch etwas“, schlägt Naomi vor.

      Ich nicke eifrig. „Ja, auf jeden Fall! Komm mit, im Büro habe ich die Landkarten.“

      „Moment“, meldet sich Darius wieder zu Wort und erhebt sich. „Ich denke, du hast jetzt Wichtigeres zu tun, Scarlett. Die Druiden sind unterwegs, sie wollen, dass du die Prophezeiung erfüllst. Und ich finde, du bist es mir schuldig, dass ich der erste Druide bin, dem du deine magischen Kräfte verleihst.“

      Mein Mund klappt auf und ich sehe ihn finster und schockiert an. „Denkst du wirklich, dass diese blöde Prophezeiung mir wichtiger ist, als meine verschwundene Mutter wiederzufinden?“ Meine Worte klingen harsch, doch ich bereue meinen Ton ihm gegenüber nicht.

      „Sie sollte dir wichtiger sein“, sagt er trocken und betont unbeeindruckt.

      „Ist sie aber nicht!“ Ich greife nach Naomis Handgelenk und ziehe sie hinter mir her ins Büro. Sobald wir in dem vollgestellten Raum sind, schließe ich die Tür. Meine Knie zittern und ich brauche einen Moment, um das Kribbeln der vor Wut grollenden Blitze in meinen Handflächen zu unterdrücken.

      „Atme, Scarlett“, flüstert Naomi und legt die Hände auf meine Schultern. „Es wird alles wieder gut. Wir werden deine Mutter finden und alles wird sich fügen.“

      Ich lausche ihren beruhigenden Worten und ihren sanften Atemzügen und lasse den aufkommenden Stress abebben. Sie ist keine Hexe und hat schon gar nicht Robertas Beruhigungs-Kräfte, aber sie ist meine Kollegin, Schamanin und Freundin und schafft es auch so, mich wieder in die richtige Bahn zu lenken.

      Ich breite die Karten, sowie ein gerahmtes Bild von Mama vor ihr aus und sie benutzt eine ihrer vielen Halsketten als Pendel. Ihrem Gesicht ist anzusehen, wie sehr sie sich konzentriert, doch das Pendel schlägt bei ihr nicht aus. Wieder und wieder versucht sie es, gibt doch schließlich auf.

      „Ich kriege sie nicht, es ist, als wäre sie gar nicht da“, sagt sie und schaut mich enttäuscht und mitleidig an. „Tut mir wirklich leid.“

      „Trotzdem danke für den Versuch“, sage ich und lächle sie an. „Sonst versuche es doch noch mit den Tarot-Karten, vielleicht erhältst du darüber irgendwelche Informationen.“

      Sie nickt und beginnt damit, die Karten zusammenzufalten, als plötzlich die Tür geöffnet wird und das weiße Gesicht von Kitty hineinlinst.

      „Also, tot ist sie schonmal nicht“, sagt sie und öffnet die Tür ganz. „Sie ist auf keiner mir zugänglichen geistigen Ebene gesehen worden.“

      Erleichtert fasse ich mir ans Herz. „Das ist gut, sehr gut. Danke.“

      „Allerdings wurden du und Chris auch von keinem meiner Wächter gesehen, obwohl ihr ja offenbar wirklich tot wart, wenn auch nur für kurze Zeit“, gibt sie zu bedenken.

      „Wir waren im Limbus, jeder von uns in seinem eigenen. Chris war länger in seinem, als ich in meinem“, erkläre ich und ignoriere dabei den angstvollen Blick, den Naomi mir zuwirft.

      Kitty legt den Kopf in den Nacken und sieht mich prüfend an. „Im Limbus?“, hakt sie nach und verschränkt die Arme vor der Brust. „Davon gibt es so viele, wie Sterne am Himmel. Wie hätten meine Wächter oder ich euch da finden sollen?“

      „Das war kein Vorwurf, Kitty“, sage ich, doch nun schaut sie mit gerunzelter Stirn Naomi an.

      „Hör´ doch mal auf, dir so viele Sorgen um Scarlett zu machen! Mir ist ihre dunkle Aura auch schon aufgefallen, aber das ist nun mal der Preis, den man zahlt, wenn man von den Toten wiederaufersteht!“, zischt sie die Schamanin genervt an, wirft ihr schneeweißes Haar über die Schulter und stolziert aus dem Büro hinaus.

      Wir folgen ihr zurück ins Wohnzimmer, wo Darius noch immer im Sessel sitzt und uns mit erwartungsvollem Blick empfängt.

      „Da ihr nun fertig seid, schlage ich vor, du verleihst mir nun deine Kraft“, sagt er und erhebt sich aus dem quietschenden Leder.

      „Erstens, wir sind noch lange nicht fertig, oder siehst du meine Mutter hier irgendwo? Und zweitens, selbst wenn ich dir jetzt das Druiden-Upgrade verpassen wollte, ich wüsste gar nicht, wie ich das anstellen sollte!“

      „Was habt ihr überhaupt vor? Wollt ihr deine Mutter suchen gehen, oder wie ist der Plan?“, fragt Kitty.

      „Ja. Ich denke schon.“ Grübelnd blicke ich in Richtung Küche, wo Chris noch immer unsere Gäste bewirtet. „Ich wollte Chris gerade erzählen, wo ich Mama geortet habe, als ihr herkamt.“

      Kitty nickt. „Toller Plan“, bemerkt sie ironisch. „Und das alles wolltet ihr alleine bewerkstelligen? Oder hättest du uns noch darüber informiert, dass deine Mutter verschwunden ist?“

      An mein Team habe ich dabei wirklich nicht gedacht, um ehrlich zu sein. Sie haben doch sicher genug mit ihren Aufträgen und Besseres zu tun, als kopf- und planlos herumzuirren und meine Mutter zu suchen.

      „Die Aufträge können warten, Scarlett“, sagt Kitty und funkelt mich aus zu Schlitzen geformten Augen an. „Und wenn du uns miteinbeziehst, seid ihr vielleicht nicht so planlos!“

      „Könntest du aufhören meine Gedanken zu lesen, Kitty?!“, zische ich sie an und stemme die Fäuste in die Hüften.

      Sie imitiert meine Haltung. „Nein, das kann ich nicht! Du denkst einfach zu laut!“

      Eine lange Sekunde halte ich ihrem finsteren Blick stand, doch als ihr Mundwinkel zu zucken beginnt, kann ich mein eigenes Grinsen auch nicht mehr verbergen.

      „Okay, vielleicht ist es ganz gut, dass ihr nun auch Bescheid wisst“, gebe ich zu. „Und wenn ihr gerade nicht mit wichtigen Aufträgen beschäftigt seid und vielleicht etwas Zeit habt und uns helfen wollt, dann würden wir uns freuen.“

      „Sie haben vielleicht Zeit“, wirft Darius dazwischen und besieht sich seine Fingernägel. „Du aber nicht.“

      „Er hat Recht“, sagt Kitty. „Meine Wächter teilten mir mit, dass eine Art magische Völkerwanderung begonnen hat. Horden von Druiden sind auf dem Weg hierher und wenn sie alle so denken wie der da“, sagt sie und deutet auf Darius, „dann lassen sie dich nicht gehen, ehe sie haben, was sie wollen.“

      Ich sehe den Druiden an und mein Magen zieht sich zusammen, als er wissend zu nicken beginnt.

      Kapitel 3