war wichtig. Zu dumm, dass ich noch keine Visitenkarten hatte.
»Interessant, dass wir gerade jetzt darüber reden. Ich habe meine Zukunft neu geordnet. Seit heute bin ich Privatdetektiv, ganz offiziell.«
»Du?« Der Lehrer brach in schallendes Gelächter aus. »Dillinger, du spinnst.«
Er ging von dannen, sichtlich heiterer als zuvor. Es schien, als hätte ich ihn glücklich gemacht. Ich sah ihn den Kopf schütteln und vor sich hin glucksen. »Privatdetektiv! Das hat dieser Stadt gerade noch gefehlt.«
Der Tag war trotzdem immer noch schön, und auch ich schlenderte weiter.
Aus der »MiederTruhe« trat Isabel, die hinreißendste und gerissenste Immobilienhändlerin der Region. Auch so eine Vergangenheit von mir.
Sie schüttelte ihre wilde rote Mähne.
»Wow, der Privatdetektiv!«
»Woher weißt du denn das?«, fragte ich verblüfft.
»Du weißt doch, ich erfahre alles. Privatdetektiv! Finde ich« – Küsschen links, Küsschen rechts – »sexy. Ich liebe harte Jungs. Schau mal, ich habe extra deswegen einen neuen BH gekauft.« Aus ihrer Tüte zog sie ein luftiges Etwas. »Und? Was sagst du dazu?«
»Kann ich nur am lebenden Objekt beurteilen.«
»Zu dir oder zu mir?«
»Jetzt? Musst du nicht arbeiten?«, fragte ich.
»Meinen Termin kann ich verschieben.«
»Aber ich meinen nicht.«
»Schade.«
Mit übertriebenem Hüftschwung ging sie davon. Ich war nicht der einzige, der ihr hinterher sah.
Vor dem »Salzwerk«, seiner Stammkneipe, saß Berger, Kellers Assistent, mit einer Frau. Ich sah sie nur von hinten und fragte mich wieder einmal, wie der kleine, dicke Kerl mit seinen Hochwasserhosen, dieser Wendeimport aus Sachsen, zu so einem Prachtexemplar kam.
Dann drehte sie sich zur Seite und zeigte mir ihr Profil, und in mir keimte Schadenfreude. Ich kannte sie. In der »UnverzichtBar« hatte ich einmal belanglos mit ihr geflirtet und hatte sie dann den ganzen Abend an der Backe kleben gehabt.
Die Frau war ein wandelndes Klischee: ausnehmend hübsch, fantastische Figur, aber sie quatschte ohne Punkt und Komma und von lauter Sachen, die keinen Menschen interessierten. Das war eine von der Sorte, von der man im Schwäbischen so charmant sagt, dass man ihre Gosch extra totschlagen müsse.
Selbst Berger mit seinem Elefantengemüt wirkte gequält. Er sah mich, und ich winkte ihm fröhlich zu. Berger verdrehte leicht die Augen.
In der Haalstraße röhrte ein roter Ferrari. Wer den jetzt wohl fuhr? Hatte schon einen Wahnsinnssound, dieses Gerät. Das musste ich mir doch noch einmal überlegen. Aber dann natürlich in Gelb. Oder wie wäre es mit einem Maserati? Darüber musste ich ernsthaft nachdenken. Es gab schon zu viele Porsche im Umland.
Architekt Kunzmann kam mir entgegen. »Schon gehört? Der Schreibwarenhändler heiratet.«
»Eine Türkin, ich weiß.«
»Nein, die ist aus Thailand. Hübsches Ding. Sehr jung.«
»Thailand? Bist du sicher?« Ich warf ihm einen skeptischen Blick zu.
»Wenn ich’s sage!«
»Nun ja, warum nicht?«
In der »Suite 21« saß Anwalt Dehmel und winkte mich zu sich.
»Ich habe mir sagen lassen, du hörst auf? Schade.«
»Bitte?« Ich sah ihn entgeistert an.
»Du machst deinen Laden dicht, habe ich gehört, und wirst Privatdetektiv.«
»Blödsinn.«
»Hätte mich auch gewundert. Du und Privatdetektiv!« Er lachte.
»Das allerdings stimmt«, erklärte ich.
»Bitte?«
»Ich bin Versicherungsvertreter und Privatdetektiv. Beides.«
»Ach so.«
»Du kannst mich engagieren. Im Fernsehen ist das so. Der Anwalt hat einen Privatdetektiv für die Laufarbeit.«
Dehmel sah mich lange schweigend an und nickte dann.
»Vielleicht habe ich tatsächlich etwas für dich. Draußen auf dem Land grummelt es. Einige Bauern haben sich in der Wolle.«
»Nichts Neues, dass Bauern sich zoffen.«
»Aber diesmal ist es anders, da geht’s richtig zur Sache. Üble Nachrede, Geschäftsschädigung, Sachbeschädigung, sogar Körperverletzung, das volle Programm. Da ist etwas im Busch. Wie ein Gewitter, das heranzieht. Mysteriöse Geschichte.«
»Geht’s etwas genauer?«
»Anwaltsgeheimnis.«
Dehmel hat eine nervösen Tick und zwinkert mit dem rechten Auge. Ganz stark, wenn er aufgeregt ist. Wie jetzt. Ich schaute schnell in die andere Richtung.
»Du weißt, wo du mich finden kannst«, sagte ich.
Der Lokalpoet schoss auf mich zu, der sonderbare Kauz. Wenn er an einer Ode oder einem Sonett oder was auch immer arbeitete, hielt er den Blick geistesabwesend ins Nirgendwo gerichtet, heute aber fuchtelte er aufgeregt mit seinen Händen vor meinem Gesicht herum.
»Es ist soweit. Das Ende. Die Krise hält uns im Würgegriff.«
»Ich dachte, es geht wieder aufwärts.«
»Es geht immer nur abwärts. Nur abwärts. Bloß die Preise steigen. Strom. Öl. Milch. Alles teurer. Wir stehen am Abgrund. Bald gibt es nichts mehr zum Essen. Das ist erwiesen. Wer rettet unsere Welt? Wer, frage ich dich?«
»Du?«
»Ernsthaft jetzt. Also? Siehst du, darauf hast du keine Antwort. Aber ich. Niemand. Es ist aus. Geh zum Milchmarkt. Umweltgruppe. Infostand. Die sagen dir alles. Die Apokalypse kommt. Kampf. Erbarmungslos. Opfer. Wer überlebt?«
Es ist ein grundgesetzlich verbrieftes Recht, dass jeder spinnen darf, wie es ihm beliebt.
Ich hatte keine Lust auf Umweltgruppe und Untergangsstimmung, ich fand die Welt schön, wie sie war.
Und dann wollte ich es doch wissen und betrat den Schreibwarenladen.
»Ich habe gehört, du heiratest.«
»Ich? Niemals!«
»Ein junges Mädchen. Aus der Türkei oder aus Thailand, da ist sich die Stadt noch nicht ganz einig.«
»Das junge Mädchen ist meine Nichte und kommt aus Berlin.«
»Nichte. So, so. Soll aber sehr hübsch sein.«
»Meine Schwester war mit ihr in der Türkei im Urlaub und ist jetzt beruflich ein paar Wochen in Thailand. Solange ist meine Nichte bei mir.«
So ist das, wenn man an einem schönen Tag durch die Stadt geht. Man erfährt viel Neues. Manches davon stimmt sogar.
***
Stolz betrachtete ich mein neues Schild. Dieter Dillinger, Privatdetektiv. Das machte was her! Darauf flogen die Frauen! Ich zog mein Taschentuch hervor und wischte liebevoll über das Schild. Es glänzte wie Gold. Fröhlich pfeifend und beschwingten Schrittes betrat ich das Büro.
Meine gute Laune war schlagartig vorbei, als ich Sonjas Miene sah.
»Dillinger, du spinnst!«
»Das scheint heute Morgen eine weit verbreitete Ansicht zu sein. Warum bloß?«
»Was soll dieser Quatsch mit dem Privatdetektiv?«
»Das ist wegen der Perspektive.«
»Welcher Perspektive?«
»Meine