Martin J. Ost

Unheimliche Tage II


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Einiges zugemutet und jetzt stürzen Sie uns in ein neues Abenteuer, von dem wir nicht wissen, ob und wie gefährlich es ist. Aber“, sie schenkte Christine einen aufmunternden Blick, „wenn wir zusammenhalten, werden wir es schaffen. Ich bin sicher, wir beide werden gut miteinander auskommen. Und jetzt werde ich Dir etwas über Zwielicht und von den Bakarern erzählen.“

      Während Christine nun ein wenig entspannter wirkte und Freya zu erzählen begann, verließen wir das Wohnzimmer und gingen in die obere Etage. Angelika stillte Freya Junior, während ich aus dem Abstellraum eine Liege holte und in das Gästezimmer stellte. Dann ging ich in unser Schlafzimmer. Angelika war bereits dort. Vorsichtig legte sie die Kleine in ihre Wiege und deckte sie zu. Dann sah sie mich an. „Was ist das jetzt bloß wieder für ein Alptraum. Ich dachte, wir hätten genug für die Bakarer getan und unsere Ruhe redlich verdient.“ - „Das dachte ich auch, aber sie müssen ganz schön unter Druck stehen. Sie werden in ihrer momentanen Situation nach jedem Strohhalm greifen, und so etwas sind wir jetzt für sie.“ - „Am wenigsten gefällt mir die Sache mit Christine. Wissen die eigentlich, was sie uns allen antun?“ - „Ich denke schon. Aber in dieser Situation überwiegen natürlich ihre eigenen Interessen. Das sie dabei bei uns alte Wunden aufreißen nehmen sie in Kauf. Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie es im Moment in meinem Kopf zugeht.“ - „Ich kann das sehr wohl. Mir geht es auch nicht besser.“ Sie sah mir direkt in die Augen. „Ich weiß, wie sehr ihr Euch geliebt habt. Aber für mich ist das Vergangenheit. Die Gegenwart, das sind unsere Tochter, Du und ich. Ich werde von dieser Position keinen Zentimeter abweichen...“ - „Das habe ich auch nicht erwartet. Entschuldige, aber ich bin total konfus. Ich hole mir jetzt eine Flasche Bier und dann möchte ich schlafen. Vernünftige Gedanken kriege ich jetzt sowieso nicht mehr auf die Reihe.“ - „Tu das, ich bleibe gleich hier. Zeig den Beiden bitte aber noch das Gästezimmer.“ Ich ging hinunter und schnappte mir aus dem Kühlschrank eine Flasche Bier. Dann sah ich ins Wohnzimmer. Freya und Christine waren in einem intensiven Gespräch vertieft. Offensichtlich verstanden sich die Beiden auf Anhieb gut. Innerlich atmete ich ein wenig auf, von dieser Seite gab es zumindest keine weiteren Probleme. „Ich unterbreche Euch mal kurz“, mischte ich mich in ihr Gespräch, „das Gästezimmer ist fertig. Treppe rauf, zweite Tür links. Ein Bad ist gleich daneben.“ – „Ich weiß“, Christine funkelte mich an, „ ich habe niemals gedacht, dass ich in meinem eigenen Haus im Gästeschlafzimmer untergebracht werde, während sich mein Mann mit einer anderen Frau, die ihm von ich weiß nicht wo zugelaufen ist, in unserem gemeinsamen Schlafzimmer herumwälzt. Seit wann stehst Du eigentlich auf diesem Typ? Dein Geschmack hat sich in letzter Zeit offenbar deutlich verschlechtert.“ Ich starrte sie an. In ihre Situation hinein versetzt, konnte ich ihren Ausbruch verstehen. Wir befanden uns in einer Dreieckssituation, die es tausendfach immer wieder in Deutschland und auf der Welt gab. Dass in unserem speziellen Fall ausnahmsweise keiner der drei Beteiligten irgendetwas für diese Situation konnte, machte diesen Fall zwar irgendwie einmalig, aber die Lage keinesfalls besser.

      Freya rettete die Situation ziemlich souverän. „Christine, jeder von uns hat heute ziemlich viel Außergewöhnliches erlebt. Dadurch befinden wir uns in einer Situation, die mehr als nur komplex ist. Im Moment wissen wir vieles noch nicht. Aber auch wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen werden, wird es schwierig sein, angemessene Lösungen für alle Probleme zu finden. Wenn wir überhaupt eine Chance haben wollen, müssen wir uns alle zusammenraufen. Ich weiß, das ist besonders für Euch drei sehr viel verlangt, aber es geht nicht anders. Sol ich jetzt noch den Rest erzählen, bevor wir schlafen gehen?“ Nach kurzem Zögern nickte Christine. „In Ordnung, erzähl weiter.“ - „Gute Nacht“, ich drehte mich ohne weitere Worte um und ging die Treppe hoch.

      „Na, hat unser Blondie gezickt?“, fragte Angelika, als ich die Schlafzimmertür hinter mir schloss. „Sie war nicht gerade erfreut, dass sie in diesem Haus im Gästeschlafzimmer übernachte muss. Das hat sie unmissverständlich zum Ausdruck gebracht.“ - Angelika blickte die Wand an, als sie sagte: „Ich kann sie ja sogar irgendwie verstehen. Aber noch mal: Ich werde diesen Platz nicht räumen.“ Ich öffnete die Bierflasche und nahm einen tiefen Schluck. „Im Moment kann ich keinen vernünftigen Gedanken mehr fassen. Und morgen sollen wir unsere Chefs davon überzeugen, dass wir plötzlich zwei Wochen Urlaub brauchen. Ich glaube, wir sollten versuchen zu schlafen, morgen müssen wir halbwegs fit sein.“ Müde sah sie mich an. „Du hast Recht. Immer eins nach dem Anderen.“ Sie zog ihre Decke hoch. Bald darauf schliefen wir beide.

      Am nächsten Morgen fühlte ich mich wie gerädert. Wirre Träume, in denen ich mich wieder auf Zwielicht befand und mit den dortigen Kreaturen kämpfte, hatten eine erholsame Nacht verhindert. In anderen Traumfetzen, an die ich mich erinnerte, waren Angelika und Christine aufeinander losgegangen und schlugen auf die jeweils Andere ein.

      Angelika war schon aufgestanden. Zur Körperpflege benutzte sie das geniale Gerät der Bakarer, das allen Schmutz vom Körper in Sekunden verschwinden ließ. Selbst die Zähne wurden gereinigt und auch ein Gefühl von Mundfrische stellte sich ein. Kando hatte das als Haarbürste getarnte Gerät Angelika nach einigem Zögern am Ende unseres Einsatzes auf Zwielicht geschenkt. Es durfte nicht geöffnet werden, sonst würde es sich selbst zerstören. Obwohl es nur auf uns Beide abgestimmt sein sollte – Kando hatte damals offenbar doch schon auf eine sich anbahnende Beziehung zwischen Angelika und mir gesetzt – funktionierte es auch bei unserer Tochter, was ihre Pflege natürlich deutlich erleichterte. Heimliche Versuche an Freunden zeigten dagegen keine Wirkung. Angelika reichte mir das Gerät und ich hielt es über meinen Kopf. Wohltuende Frische breitete sich in meinem Körper aus.

      Angelika legte Freya in ihre Tragetasche. „Ich frühstücke schon einmal und lasse etwas für Dich stehen. Wenn ich so plötzlich Urlaub haben will, muss ich heute bei der Arbeit noch ein paar dringende Dinge erledigen .Es kann durchaus später werden. Sie gab mir einen Kuss. „Mach’s gut“, und schon war sie draußen.

      Als ich ein paar Minuten später in die Küche kam, war sie bereits zur Arbeit gefahren. Die Kaffeemaschine lief noch und war mit mehr Wasser gefüllt als sonst. Ich registrierte, dass der Tisch für zwei Personen gedeckt war. Da Freya sich wie auf Zwielicht ernährte, musste das zweite Gedeck wohl für Christine sein. Auch wenn sie diese aus nachvollziehbaren Gründen nicht mochte, kam Angelika nichts desto Trotz ihrer – unfreiwilligen - Aufgabe als Gastgeberin nach.

      Da von den beiden Frauen noch nichts zu hören war, machte ich mich nach dem Frühstück auf den Weg zur Arbeit. Mein Arbeitgeber war Zulieferer für die Automobilindustrie. Wir hatten gerade die Produktion Kosten sparend reorganisiert. Nachdem ich auf der Raumstation über Zwielicht eine regenerative Behandlung erfahren hatte, waren nicht nur meine Körperfunktionen verbessert worden, auch mein Gehirn schien effizienter zu funktionieren und so hatte ich einige Ideen beigesteuert, die dem Unternehmen nun erhebliche Geldausgaben ersparten. Die Produktion lief bereits seit einigen Tagen störungsfrei und daher sah mein Chef keinen Anlass, mir den gewünschten Urlaub zu verweigern. „Du hast Dir den Urlaub wirklich verdient“, meinte er. „Erhole Dich gut. Wenn Du zurück bist, reden wir über einen Bonus. Der steht Dir zu, weil Du dem Gewinn in diesem Laden einen ordentlichen Schub verpasst hast. Grüß Angelika, ich freue mich schon darauf, wenn wir demnächst mal wieder eine Flasche Wein zusammen leeren.“ Das war jetzt schon etwas länger her. Vor ihrer Schwangerschaft hatten wir öfter zusammen mit seiner Frau den einen oder anderen Wein aus seinem wohl sortierten Weinkeller ausgetrunken. „Ja, allmählich wird es mal wieder Zeit für eine kleine Sause. Wenn Du nichts dagegen hast, gucke ich noch einmal auf meinen Schreibtisch und gehe dann, sobald alles Wichtige erledigt ist.“ – „Kein Problem. Komm gesund wieder. Bis bald. Wo wollt ihr überhaupt hin?“ – „Wir werden ein paar alte Freunde besuchen, die etwas abseits gelegen wohnen und dann…mal sehen.“ – „Wenn ihr bei Angelikas Vetter, diesem Privatwinzer vorbeikommen solltet, bring mir doch ein paar Karton von seinem Weißburgunder mit.“ – „Ich glaube nicht, sein Wohnort liegt ein wenig außerhalb unserer Richtung.“ - „Dann alles Gute. Tschüß, “ rief er mir nach, als ich die Tür hinter mir schloss. Das können wir alle gebrauchen, schoss es mir durch den Kopf. Ein Gefühl des Ausgeliefertseins bemächtigte sich meiner. Tränen traten mir in die Augen. Einen Moment verharrte ich auf dem Flur, dann riss ich mich zusammen und ging in mein Büro. Innerhalb kurzer Zeit hatte ich meinen Schreibtisch