Ray Wilkins

Die Körperleserin


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      Joan ging über eine Lichtung, die teilweise mit umgestürzten Kiefern bedeckt war. Sie hatte ihre Schuhe ausgezogen und die Erde unter ihren Füßen war weich und porös. Wenn sie aufblickte, konnte sie den Abendhimmel sehen, der durch die Äste leuchtete. Sie fühlte sich großartig. Endlich hatte sie ein paar Tage frei. Die letzten Monate waren anstrengend gewesen. Sie hatte einen neuen Job als Oberschwester in der Chirurgie des Städtischen Krankenhauses von Canberra angenommen. Es war anstrengend, denn sie hatte lange Schichten und studierte gleichzeitig an der Universität im 4. Semester Medizin.

      Bald schon konnte sie den Rauch des Lagerfeuers riechen und sie hörte Stimmen. Sie konnte ihre besten Freundinnen reden hören, vermutlich über Männer oder die neueste Ausgabe der Cosmopolitan.

      „Hi, Mädels!”, rief sie, und ging dem Feuer entgegen. „Habt Ihr Fische gefangen?”

      Sie sprangen erschrocken auf. In ihren Augen lag Angst.

      „Joan!” Janet klang erleichtert. “Gott sei Dank, Du bist zurück! Wir haben gerade in den Nachrichten auf Carols neuem Transistorradio gehört, dass ein wilder Braunbär sich in der Gegend um Pine Island herumtreibt. Das sind weniger als 5 Meilen von hier.”

      „Janet!” Sie lachte. „Es gibt keine Bären im Australischen Busch. Geschweige denn Braunbären!”

      „Ich bin doch nicht blöd!”, rief Janet. „Das wissen wir doch! Er gehört zu einem Wanderzirkus bei Kambah Pool und ist aus seinem Käfig ausgebrochen. Himmel! Vielleicht sollten wir das Zelt abbauen und nach Hause zurückfahren?”

      „Kommt überhaupt nicht infrage, dass ich mir ein Wochenende weit weg vom Krankenhaus verderben lasse. Außerdem ist Pine Island auf der anderen Seite des Flusses.”

      „Vielleicht hast Du recht, Joan”, meinte Carol. „Wir waren nur ein bisschen übersensibel, weil wir auf dem Weg etwas auf der anderen Seite der Teebaumhecke gehört haben, aus der Du gerade gekommen bist. Wir dachten, Du wärst der Bär.”

      Joan setzte sich auf einen Campinghocker zwischen die beiden jungen Frauen. „Kommt, kochen wir was zum Abendessen, trinken ein paar Bier und haben einfach Spaß. Denkt nicht mehr an den Bären, hier wird uns schon nichts passieren.”

      Sie legten Holz nach, und sobald die Kohlen fertig waren, warfen sie die Forelle in die Bratpfanne und hängten einen Topf, der halb voll war mit kleinen, saftigen, frischen Kartoffeln, über das Feuer.

      Janet prüfte die Kartoffeln mit einer Gabel. „Meint Ihr, ein Bär kann so weit laufen?”

      „Pine Island ist auf der anderen Flussseite!”

      „Aber Bären können schwimmen, oder hast Du etwa vergessen, was Du in all den langweiligen Stunden im Naturkundeunterricht in der Schule gelernt hast?”

      „Warum kannst Du nicht einfach mal Spaß haben?”, wollte Carol wissen. „Du bist manchmal so negativ.” Sie blickte finster drein.

      „Warum haltet Ihr beide nicht einfach die Klappe und helft mir, die Kartoffeln aus dem Kessel zu holen? Ich bin am Verhungern!”, rief Joan.

      Bald schon hatten alle drei Fisch, Kartoffeln und Salat auf dem Teller. Joan ging ins Zelt zurück, um drei Flaschen XXXX-Bier aus der Kühlbox zu holen.

      4. Kapitel

       Ich kann sie spüren. Sie sind nur 200 Meter von mir entfernt Oh, sie werden so glücklich sein, wenn sie mich sehen. Sie werden sofort wissen, dass ich gekommen bin, um sie für immer von ihrem Schmerz und ihrer Schuld zu erlösen. Nur dann können sie in das Reich Gottes frei und in Unschuld eintreten. Sehr, sehr lange schon haben sie auf mich gewartet, mich angefleht, zu ihnen zu kommen, wenn sie allein sind, damit ich das geheime Ritual an ihnen vollziehe, das nur ich durchführen kann.

       Ich kenne sie gut. Ich kenne ihre Art, zu gehen und zu reden. Ich kenne ihren Geruch, und habe sogar gesehen, wie sie ihre liederlichen Körper unschuldigen Männern aufdrängten. Aber ich bin der heilige Rächer der Menschheit, und heute Nacht habe ich eine Menge Arbeit zu erledigen.

       Arbeit, die mir mein Herz bis auf den Grund erwärmt. Ich kann es kaum erwarten, ihre Augen zu sehen, wenn sie mich erkennen. Den magischen Moment zu erleben, wenn ihr Geist dem Körper entweicht und nur eine leere Hülle zurücklässt, die Gott mit himmlischem Licht erfüllen wird.

      5. Kapitel

      Er schwebt inmitten der Dunkelheit und wartet. Er wartet und wartet geduldig, oh, so geduldig. Im Hintergrund hört er das sanfte Rauschen des Flusses und das heitere Zirpen der Grillen im Dickicht. Als er auf seine Uhr schaut, steht der Zeiger auf drei. Angeblich ist das laut der biologischen Uhr die Zeit, zu der ein Mensch seine Tiefschlafphase hat. Zeit für eine Überraschung, Zeit für Freude, Zeit für einen Mord.

      Lautlos geht er über das stille Gras und seine Fußspuren hinterlassen schwarze, leere Abdrücke im leichten Nachtfrost, der das Gras in einen Teppich aus gespenstischem Weiß verwandelt. Schon bald erreicht er das Zelt und schaut durch den offenen Schlitz. Drei Körper liegen dort, völlig unbeweglich. Alle drei Frauen atmen langsam und tief. Zwei von ihnen schnarchen sogar leise. Er schiebt den kurzen, flexiblen Schlauch durch den schmalen Schlitz, zieht langsam den Reißverschluss der Tür zu und dreht mit Bedacht das Gas auf. Er wartet, gespannt, oh so gespannt. Er wartet 5 weitere Minuten, bis er keine Atemgeräusche mehr hören kann, und öffnet vorsichtig den Reißverschluss zum Zelt. Er hatte sich bereits entschieden, wen er sofort segnen und wen er mitnehmen würde.

      Er greift in seine Tasche und holt das Lederetui heraus, in dem er seine Werkzeuge aufbewahrt. Seine Bewegungen sind präzise und kontrolliert, wie ein Soldat, der darauf trainiert ist, auf dem Schlachtfeld zu kämpfen – ohne darüber nachzudenken und ohne jegliche Emotion. Seine Wahl fällt auf das große, orthopädische Seziermesser. Schließlich waren das auch große Mädchen. Er beugt sich zu der Dunklen auf seiner linken Seite und legt seine Hand sehr behutsam, beinahe schon zärtlich, auf ihre Stirn. Dann drückt er stetig nach unten, damit ihr lieblicher, langer Hals als sich nach oben streckt, bis er die Knorpel sehen kann, die ihre Luftröhre unter der Haut schützen. Das war der wichtigste Augenblick des Heiligen Rituals. Er wusste, dass sie für einen kurzen, süßen Moment die Augen öffnen und ihm ins Gesicht blicken würde. Exakt in diesem Augenblick musste er ihren Hals mit einer einzigen, flüssigen Bewegung aufschlitzen.

      Noch bevor die Fontäne aus leuchtend rotem Blut, das im Mondlicht schwarz schimmert, sich auf den Boden ergießt, schlitzt er der zweiten Frau die Luftröhre auf. Dann widmet er sich der dritten Frau. Rasch spritzt er ihr ein lang anhaltendes Beruhigungsmittel in die Oberarmvene, das er mit Atropin gemischt hat, um dem Effekt des Gases entgegenzuwirken. Und jetzt beginnt die wirklich schöne Arbeit. Es dauert nicht länger als fünf Minuten, dann blickt er erneut auf sein Meisterwerk, um sicherzustellen, dass er keine Fehler gemacht hat. Er hebt seine wertvolle Beute hoch, wirft sie über seine linke Schulter, verlässt das Zelt und geht in Richtung Fluss. In der Ferne glaubt er, das Brüllen eines Bären oder Löwen zu vernehmen, aber er beschließt, dass es sich nur um eine akustische Täuschung handeln kann, verursacht durch das Adrenalin, das nahezu ekstatisch durch seine Adern rauscht. Sanft legt er sie im Kanu ab und bindet ihre Hände und Füße an den Holzstreben fest. Er lacht. Schließlich sollte sie nicht gerade jetzt aus dem Boot fallen, nicht wahr? Er stößt das Kanu ins Wasser und paddelt flussabwärts zu der Stelle, wo er seinen Transporter geparkt hat, als die Sonne noch hoch am Himmel stand.

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