Axel Bruns

Die Geschichte der Physik


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und technische Entwicklung des 14. Jahrhunderts eine Quantifizierung der Natur und eine Kritik der aristotelischen Bewegungslehre, d. h. allgemein der Verursachungslehre.

      Dem widmen sich etwa Franciscus de Marchie († 1320) und Johannes Buridan, der Begründer der sog. Impetustheorie, den Pierre Duhem einen „Vorläufer Galileis“ nennt. Diese Theorie bleibt langezeit maßgeblich, bis sie durch die Trägheitstheorie abgelöst wird. Nikolaus von Oresme, Albert von Rickmersdorf und Marsilius von Inghen entwickeln sie weiter, nur in Oxford begegnet man ihnen mit Zurückhaltung (Thomas Bradwardine) oder Ablehnung (Richard Swineshead). Die beiden letztgenannten gehören mit Johannes Dumbleton und William Heytesbury zu den sog. „Oxford Calculators“ am Merton College, die eine allgemeine Mathematisierung der Naturbeschreibung versuchen.Nikolaus von Oresme nimmt auch sonst viele Anregungen Buridans auf und entwickelt sie z. B. unter Berufung auf das Prinzip der Denkökonomie zu der These weiter, dass die Annahme der Erdrotation ebenso durchführbar sei, wie die überkommene Vorstellung einer Rotation der Sonne um die Erde. Ebenso wird die aristotelische Zweiteilung der Physik in eine Welt über und unter dem Mond von ihm in Frage gestellt, die Relativität aller Bewegungszuschreibungen erkannt und ein Koordinatensystem eingeführt, das quantitativ genaue Beschreibungen qualitativer Veränderungen erlaubt. Im Gefolge dieser Ansätze steht zu Anfang des 15. Jahrhunderts z. B. Biagio Pelacani da Parma, zur Mitte des 15. Jahrhunderts beispielsweise Nikolaus von Kues, dessen Versuche mit der Waage quantitative Verfahren für die Medizin beschreiben und als exemplarisch für die Interessen der Frührenaissance gelten können.Unter den Naturforschern der Renaissance hat sich der wohl bekannteste unter ihnen, Leonardo da Vinci, vor allem aus praktischen Motiven als Maler und Ingenieur für Optik, Wasserbewegungen, Kraftübertragung und Vogelflug interessiert und dabei genaue Beobachtungen der Natur durchführt.William Gilbert begründete mit seinen Experimenten die Lehre des Magnetismus und der Elektrostatik und konnte als erster zeigen, dass es sich dabei um verschiedene Phänomene handelte.

      Außerdem war er der erste, der die Gestalt des Erdmagnetfeldes richtig erkannte.Die Überwindung von bisher vorherrschenden Vorstellungen begann in der Astronomie der Neuzeit mit Nikolaus Kopernikus (De revolutionibus orbium coelestium, 1543) und dem heliozentrischen Weltbild. Unterstützung fand dieses Modell, nachdem Johannes Kepler das Beobachtungsmaterial von Tycho Brahe ausgewertet hatte und insbesondere Galileo Galilei mit dem Fernrohr die beobachtende Astronomie revolutionierte.In der Mechanik war René Descartes einer der Ersten, die sich von aristotelischen Vorstellungen abwandten und versuchten, Bewegungen von Körpern allein mit der Kraft des Verstandes zu ergründen und rational zu beschreiben. Im Gegensatz zu ihm vertrat Galilei jedoch eine Schule, die ihre Schlussfolgerungen nicht nur auf logisches Schließen, sondern vor allem auch auf reproduzierbare Beobachtungen und Experimente aufbaut. Erst dadurch entwickelte sich die Physik von der Naturphilosophie zu einer modernen Naturwissenschaft. Galilei erkannte, dass sich alle Körper auf der Erde nach denselben Gesetzen bewegen, die mathematisch formuliert und experimentell überprüft werden können. Zu seinen Entdeckungen gehört das Gesetz des freien Falls, das im Widerspruch zur Lehre des Aristoteles stand, ebenso wie eine Formulierung des Trägheitsgesetzes, die Wurfparabel und das Pendelgesetz.

      Galilei wirkte mit seiner Vorstellung der Physik als experimenteller Wissenschaft schulbildend, so in der Erforschung des Luftdrucks und der Natur des Vakuums (von Evangelista Torricelli über Blaise Pascal zu Otto von Guericke). Robert Boyle erforschte im 17. Jahrhundert die Gasgesetze und Christiaan Huygens baute schon von Galilei vorgeschlagene Pendeluhren, fand die Zentrifugalkraft und verwendete bei Betrachtung des elastischen Stoßes ein Relativitätsprinzip.Die Grundlagen der klassischen Mechanik wurden 1688 im Wesentlichen von Isaac Newton in seinem Hauptwerk Philosophiae Naturalis Principia Mathematica begründet und formuliert (Newtonsche Gesetze). Hauptziel war zunächst die Erklärung der Keplerschen Gesetze der Himmelsmechanik aus einem universellen Gravitationsgesetz, das sowohl auf der Erde als auch für die Himmelskörper gilt. Eine experimentelle Bestätigung im Labor sowie eine Bestimmung der Gravitationskonstante gelang jedoch erst Henry Cavendish über 100 Jahre später. Newton wandte seine Gesetze der Mechanik aber auch schon zum Beispiel auf die Theorie der Flüssigkeiten an.Newton nimmt insgesamt eine überragende Stellung in der Geschichte der Physik und in der Mathematisierung der Naturwissenschaften ein. Er leistete auch wichtige Beiträge zur Optik (Spiegelteleskop, Prisma) und vertrat im Gegensatz zu Christiaan Huygens (Wellenoptik) eine Korpuskulartheorie des Lichts.Die in der Formulierung der Mechanik benutzte, von Newton und unabhängig von Gottfried Wilhelm Leibniz erfundene Infinitesimalrechnung wurde ebenso wie die Mechanik insbesondere auf dem europäischen Kontinent ausgebaut, nachdem sich die britischen Mathematiker unter anderem in Folge des Prioritätsstreits zwischen Newton und Leibniz isoliert hatten.

      Differentialgleichungen bildeten danach die Grundlage für die Formulierung vieler Naturgesetze.Mathematiker und Physiker wie Daniel Bernoulli, Jean-Baptiste le Rond d’Alembert, Leonhard Euler, Joseph-Louis Lagrange (Mécanique analytique 1788, Lagrange-Formalismus) und Pierre-Simon Laplace (dessen Werk als Höhepunkt der Entwicklung der Himmelsmechanik galt) entwickelten die Mechanik auf dem Kontinent wesentlich weiter unter anderem mit Verwendung von Variationsprinzipien (Prinzip der kleinsten Wirkung). Insbesondere Frankreich dominierte Ende des 18. Jahrhunderts auf dem Gebiet der theoretischen Physik, wobei die treibenden Kräfte vielfach noch in der theoretischen Astronomie (Himmelsmechanik) lagen und die Grenzen zwischen theoretischen Physikern und Mathematikern noch nicht so wie im späteren 20. Jahrhundert bestanden.Das 18. Jahrhundert sah auch eine vielfältige Beschäftigung mit dem Phänomenen der Elektrizität. Spannungsgeneratoren (Elektrisiermaschinen) und Kondensatoren in Form Leidener Flaschen fanden weite Verbreitung in den physikalischen Kabinetten des Barocks. Reproduzierbare quantitative Ergebnisse ergaben sich nach Einführung der Batterie durch Alessandro Volta (um 1800). Gegen Ende des Jahrhunderts formulierte Charles-Augustin de Coulomb die Gesetze der Elektrostatik.

      Das 19. Jahrhundert ist insbesondere durch die Entwicklung der Gesetze der Thermodynamik und die Entwicklung des Feldkonzepts auf dem Gebiet der Elektrodynamik, gipfelnd in den Maxwellschen Gleichungen, gekennzeichnet.Die Grundlagen der Thermodynamik wurden durch Sadi Carnot 1824 gelegt, der Kreisprozesse mit idealisierten Wärmekraftmaschinen betrachtete. Dabei wurde auch das Energiekonzept und das Konzept der Energieerhaltung herausgearbeitet, unter anderem in Arbeiten von Julius Robert von Mayer, den Experimenten von James Prescott Joule (experimentelle Messung des Wärmeäquivalents von Arbeit), durch Rudolf Clausius, von dem auch Entropie-Begriff und 2. Hauptsatz der Thermodynamik stammen, Lord Kelvin und Hermann von Helmholtz. Eine mikroskopische Interpretation der Thermodynamik als statistische Theorie von Ensembles, die Gesetzen der klassischen Mechanik gehorchen, erfuhr die Thermodynamik in der statistischen Mechanik, die insbesondere von James Clerk Maxwell, Josiah Willard Gibbs und Ludwig Boltzmann begründet wurde. Max Planck und Albert Einstein, die Anfang des 20. Jahrhunderts die moderne Physik wesentlich begründeten, waren noch als Spezialisten in der Thermodynamik und statistischen Mechanik ausgebildet und machten sich zunächst auf diesen Gebieten einen Namen.Aus Betrachtungen zur Wärmeleitung gewann Joseph Fourier die für die theoretische Physik grundlegende Methode der Fourieranalyse.

      Fortschritte in der Kontinuumsmechanik wurden in der Formulierung der Navier-Stokes-Gleichungen als Erweiterung der Eulergleichungen idealer Flüssigkeiten erbracht sowie in den Untersuchungen zur Turbulenz durch Osborne Reynolds. Das 19. Jahrhundert brachte auch wesentliche Fortschritte auf dem Gebiet der Technischen Mechanik, der Elastizitätstheorie und der Akustik (Wellenphänomene wie der Doppler-Effekt nach Christian Doppler).Die Grundlagen der Elektrodynamik legten Hans Christian Ørsted (Zusammenhang von Elektrizität (Strom) und Magnetismus), André-Marie Ampère und Michael Faraday (Elektromagnetische Induktion, Feldkonzepte). Zusammengefasst und in einer einheitlichen Nahwirkungstheorie wurde die Elektrodynamik von James Clerk Maxwell beschrieben. Er lieferte damit auch eine elektromagnetische Theorie des Lichts (die Wellennatur des Lichts hatte sich schon Anfang des Jahrhunderts mit Thomas Young und Augustin Jean Fresnel durchgesetzt). Wesentliche Anteile an der Ausarbeitung hatten danach Oliver Heaviside und Heinrich Hertz, der als Erster elektromagnetische Wellen nachwies. Maxwell ging – wie auch die meisten anderen Physiker seiner Zeit – davon aus, dass sich die elektromagnetischen Wellen in einem Medium ausbreiten, das den gesamten Raum ausfüllt, dem Äther. Alle Versuche, diesen Äther experimentell nachzuweisen, insbesondere das Michelson-Morley-Experiment, schlugen jedoch fehl, weshalb die