Renee Iseli - Smits

Ich bin Schwerhörig, na und? Teil 2


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zu erfahren was man am eigenen Körper spürt. Klar, es ist ja auch besonders schwierig sich in der Beeinträchtigung eines anderen zu versetzen, wenn man diese Beeinträchtigung selber nicht hat. Persönlich bin ich aber überzeugt von der Aussage: „Blindheit isoliert von Sachen, Taubheit isoliert von Menschen“.

      Mit diesem Beitrag möchte ich nicht negativ sein. Im Gegenteil, ich möchte nur kurz ihre Aufmerksamkeit für eine seltene Krankheit, der sowohl die Augen als die Ohren beeinträchtigt. Betroffene des sogenannten „Usher Syndrom“ werden oft schon in frühem Alter in Gehör und Sicht eingeschränkt und können komplett Taub und Blind werden. Die Krankheit ist genetisch bedingt und es gibt keine Medikamente. Nur ein Teil der Betroffene behält ein Restgehör und/oder Restsicht.

      Es ist keine Frage, dass die Kommunikation mit den Betroffenen oft stark eingeschränkt ist. Trotzdem schaffen viele Betroffene es, im Leben zu stehen. So gibt es Menschen mit Usher Syndrom die arbeiten und ein soziales Leben haben. Manchmal kann ein CI Operation ihr Gehör verbessern, damit sie wenigstens noch hören können, falls die Augen schlechter werden.

      Falls Sie mehr über diese Krankheit erfahren möchten, es gibt mehrere gute Websites mit Information, z.B. http://www.szb.ch/angebot/taubblindheit/usher-information.html

      Also, meiner Meinung nach, statt zu diskutieren über die Frage was schlimmer sei, kann man besser diskutieren über die Frage was wir, als Gesellschaft, tun können um Hör- und Sehbeeinträchtigte besser zu unterstützen ein so selbstständig mögliches Leben zu führen.

      Für mich gibt es in diese Diskussion drei Schlüsselworte: Verständnis, Aufklärung und (Hilfe zur) Selbsthilfe.

      Verständnis und Akzeptanz für Beeinträchtigte tönt ja logisch, ist es aber noch lange nicht. Solange zum Beispiel ein Guthörender sich bei einem Hörbeeinträchtigten nicht mal erkundigt, was es braucht um gut miteinander kommunizieren zu können, oder, der Hörbeeinträchtigte informiert der Guthörende nicht ausreichend, bleiben Missverständnisse bestehen.

      Für Verständnis braucht es also viel Aufklärung. Und damit meine ich ja Aufklärung an allen Fronten. Ohne Aufklärung ändert sich die Gesellschaft nicht und ohne Änderung der Gesellschaft ändert sich der Politik nicht, und so weiter.

      Die Betroffene selbst brauchen vor allem Hilfe sich selbst weiter zu helfen (insofern sie das nicht schon getan haben, natürlich). Das heisst, dass Erfahrungen vermehrt ausgetauscht werden, dass vermehrt nützliche Information freigeben wird und dass wiederum, führt ebenfalls zu mehr Verständnis und Aufklärung.

      So, hiermit lade ich Sie ganz herzlich zu dieser Diskussion ein. Aufbauende Diskussionsbeiträge sind erwünscht und sogar erforderlich.

      Gleichstellungstag

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      Quelle:Royalty Free Stock Photography: EqualityID 15466627 © Selvam Raghupathy | Dreamstime.com

      Gestern war ich an einem Gleichstellungstag, organisiert von Agile. An dieser Tag (oder lieber gesagt Mittag) stand das Recht auf Arbeit der behinderte (selbst bevorzuge ich Beeinträchtigte) Mitmensch im Vordergrund. Der Tag war gut besucht und das Thema war sozusagen „heiss“.

      Abgesehen von ein paar kleineren Schönheitsfehler, der T-Stand meines Hörgerätes funktionierten nicht mit der anwesende Ringleitung und ich konnte das Übersetzungsgerät für das Referat auf Französisch nicht benutzen weil ich das in meinen Ohren stecken musste, wo natürlich schon meine Hörgeräte sind, war der Tag sehr interessant. Zum Glück hatte ich meinen eigenen FM Anlage mitgebracht und das half mir besser beim Verstehen und ausserdem verstehe ich ein wenig Französisch und die Referentin hatte noch welche unterstützenden Powerpointbilder dabei.

      Hauptthema war natürlich „Wie steht es um das Recht auf Arbeit für Behinderten“. Die Antwort war, kurz gesagt, wir sind auf dem guten Weg, aber wir sind noch lange nicht da wo wir sein sollten. Und wo wir sein sollten, ist natürlich eine Gesellschaft wo Behinderten ungehindert Zugang zur Arbeitsmarkt und Arbeitsplatz haben sollten.

      Meiner Meinung nach ein schönes Streben, aber ein wenig idealistisch. Sicher, manchmal muss man einfach etwas idealistisch sein um etwas zu bewirken, aber an diesen Tag hörte ich sehr oft schöne Wörter, wie „Arbeitgeber sensibilisieren“ und „stimulierende Massnahmen“. Stimmt alles ja! Aber in meine Erfahrung als Arbeitsvermittlerin für Hör- und Sprachbeeinträchtigte, ist es auch sehr oft passiert das die erste Frage der potenzielle Arbeitgeber war „was kostet es mir?“ oder „wenn was am Arbeitsplatz passiert, wer zahlt das denn?“. Gefühlsmässig dreht am Schluss doch alles um Geld auch wenn man gute Willens ist … Diese Frage habe die Diskussionsteilnehmer auf dem Podium denn auch gestellt. Mann stimmte schon zu, dass diese Frage zwar berechtigt war, dass es aber viele Massnahmen gab um die Kosten der Einstellung eines Behinderten Person aufzufangen. Und nicht jede Behinderung ist natürlich gleich. Beides stimme ich zu, ich frage mich aber ob die Arbeitgeber und beeinträchtigte/behinderte Arbeitssuchenden genügend über diese Massnahmen Bescheid wissen. Und ich glaube die Antwort darauf ist „nein“. Da braucht es doch noch viel und viel mehr Aufklärung! Klar, nicht jede Beeinträchtigung/Behinderung ist gleich: es braucht schon andere Massnahmen, wenn man einen Rollstuhlfahrer einstellt oder einen Hörbeeinträchtigte. Aber für beides gilt: der Wille muss da sein. Und die meisten Arbeitgeber, auch die des guten Willens, haben oft noch Angst einen Beeinträchtigten/Behinderte Arbeitnehmer einzustellen oder zu behalten, weil sie meinen es kostet Ihnen zu viel Zeit und Geld. Und solange dieses Bild bestehen bleibt, wird sich, idealen hin und her, leider nicht viel ändern.

      Trotzdem sind solche Tage sehr gut und nützlich, weil es dieses Thema wieder Aufmerksamkeit widmet. Es war auch sehr herzerwärmend zu sehen, wie viele Rollstuhlfahrer und Menschen mit Geleite Hund anwesend waren. Schon deshalb würde ich sagen: es braucht mehr von solche Tage.

      Grenzen

      Bild85 Quelle: http://www.freestockphotos.biz/stockphoto/6405

      Die letzten Jahren denke ich, gezwungene Weise, viel nach über die Frage: „Wann bin ich an meiner Grenze, wann überschreite ich diese Grenze und wann nicht“.

      Mir ist schon klar, dass ich heutzutage schneller an meine persönliche Grenzen stosse als vor, sagen wir mal, 10 Jahren. Das hat einerseits natürlich mit meinem zunehmenden Alter zu tun, andererseits mit meinen Hörsturz in 2007. Der Hörsturz sorgte nicht nur dafür, dass ich weniger hörte, sondern sorgte ebenfalls dafür dass meiner Tinnitus (Ohrgeräusch) lauter wurde. Und Tinnitus hat die unangenehme Neigung sich zunehmend hören zu lassen, gerade wenn man Stress hat oder müde ist. Obwohl ich zum Glück nicht unter der Tinnitus leide, bin ich mir bewusst dass sie jedoch eine versteckte Rolle spielt wenn ich mich für längere Zeit zum Hören anstrenge.

      Nun habe ich mich schon längst angewöhnt so ab und zu mal das Wort „Nein“ zu benutzen, wenn zu viel auf mich zukommt und ich versuche anspruchsvolle Aktivitäten so viel wie möglich zu verteilen. Aber rein technisch betrachtet interessiert mich die Frage, ab wann stösst man auf seine/ihre Grenzen? Ständig lesen wir in den Medien, dass unsere Gesellschaft immer mehr „Burned out“ gefährdet ist. Man muss stets erreichbar sein, Überstunden sind mittlerweile normal. Und wehe derjenige der seinen Chef mal wagt ein Nein zu geben.

      Trotz die viele Informationen über dieses Phänomen, ist mir noch immer nicht klar, wo diese schädliche Tendenz herkommt.

      Meine eigene Spekulationen sind diese: Hat die veränderte Industrie und Ökonomie etwas damit zu tun? Oder hat es vielleicht etwas damit zu tun, dass vor Dezennien Eltern immer weniger ihre Kinder Grenzen gestellt haben und so