Heidi Christina Jaax

Lady, Tagebuch eines Findelhundes


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Das neue Zuhause

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      Meine Spielwiese

      Da ich keine Anstalten machte den Wagen wieder zu verlassen, beobachteten die beiden mich zunächst einmal. Dann warteten sie ob jemand auf dem Parkplatz einen Hund vermisste, was nicht der Fall war. Schließlich beschlossen sie angesichts meiner offensichtlich schlechten Verfassung den Tierarzt aufzusuchen. Dieser hatte zwar am Samstag keine Sprechstunde, öffnete jedoch nach mehrmaligem klingeln. Er führte eine erste Untersuchung durch, ich besaß ein schütteres Fell, kratzte mich unaufhörlich, war völlig abgemagert und hatte ein eingewachsenes Halsband. Dieses entfernte der Tierarzt vorsichtig und verabschiedete die zwei jungen Leute mit ein paar Ratschlägen und der Empfehlung mich in den nächsten Tagen wieder vorzustellen. Auch der Tierschutzverein wurde kontaktiert, da ich aber keinerlei Marke, Kennziffer oder Chip hatte, empfahl man mich zunächst zu behalten und aufzupäppeln. Da es mittlerweile Nachmittag war und alle Geschäfte geschlossen hatten, wurde ein Punkerhalsband mit Nieten umfunktioniert und eine Hundeleine ausgeborgt. So ausgestattet gab es erstmal Futter und Wasser, ich betrat zum ersten Mal eine Wohnung und fand alles ungewöhnlich und aufregend. Eine gemütliche Ecke wurde mit einer weichen, lila Decke für mich ausgestattet. Ich getraute mich zuerst gar nicht darauf Platz zu nehmen, solch einen kuscheligen Platz für mich alleine hatte ich noch nie besessen. Aber sehr bald bekam ich Gesellschaft, eine tierische Mitbewohnerin näherte sich zaghaft und gesellte sich schließlich zu mir. Ebenfalls in dieser Wohnung übernachtete die Katze des benachbarten Reitstalls, ich mochte sie sofort. Obwohl sie sich immer an meinem Futter bediente und mir auch manchmal einen Tatzenhieb versetzte, wurden wir ein gutes Team. Denn wenn die jungen Leute nach einer Party länger schliefen, öffnete sie mir die Tür und ich konnte im angrenzenden Wald meine Notdurft verrichten. Danach kam ich aber brav wieder zurück, ich wusste schließlich wo ich nun hin gehörte. Ebenfalls zum Haushalt gehörten zwei zahme Ratten im Käfig, auch mit ihnen wollte ich Freundschaft schließen. Als ich dem Käfig zu nahe kam, biss mich eine der beiden in die Nase. Autsch, das tat weh, in Zukunft machte ich einen großen Bogen um den Käfig. So verging mein ereignisreicher erster Tag im neuen Zuhause wie im Flug. Endlich gesättigt kuschelte ich mich auf mein neues Lager und schlief vor Erschöpfung augenblicklich ein. Da am nächsten Tag Muttertag war, wollte mein neues Herrchen seiner Mutter ein paar Blümchen bringen, da diese aber noch nicht von der Arbeit zurück war, besuchten wir zwischenzeitlich seine Großmutter. Obwohl diese in der Vergangenheit nicht unbedingt versessen auf haarige Tiere war, erregte mein Aussehen gleich Mitleid und sie brachte mir Kekse. Als sie die von mir verursachten Krümel auffegen wollte und mit einem Besen ins Zimmer kam, flüchtete ich voller Panik in die nächste Ecke. Dass man sich vor Stöcken in Acht nehmen muss, gehörte zu meinen leidvollen Erfahrungen aus der Vergangenheit. Schließlich gingen wir zur Mami von meinem Herrchen, welche mittlerweile zu Hause eingetroffen war. Wir sahen uns an, es war Liebe auf den ersten Blick, sie brachte mir Wasser und kleine Stückchen gekochten Schinken, Hundefutter war natürlich nicht vorhanden. Ich stürzte mich heißhungrig auf den Schinken und vertilgte in kurzer Zeit, das Gefühl immer hungrig zu sein begleitete mich noch sehr lange. Schließlich ließ ich mich von ihr streicheln und nach kurzer Zeit wollte sie versuchen mit mir Gassi zu gehen. Ich schaute mich zwar fragend nach meinem Herrchen um, folgte ihr jedoch brav nach draußen. Ich zerrte sie von rechts nach links und es kostete sie eine Menge Kraft, mich von den vorbeifahrenden Autos fernzuhalten. Ich war nun mal ein den Freilauf gewöhnter Hütehund mit großem Bewegungsdrang und ein braver Leinengänger wurde ich auch später leider nicht.

      chapter4Image2.jpeg Mein Bach

      5. Ferienwoche in der Eifel

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      Sechs Wochen später fand „Rock am Ring“ statt, welches ein jährliches Highlight für meine jungen Leute bedeutete und so kam ich zum ersten Mal für fast eine Woche zur Mami. Bei ihr durfte ich zwar nicht im Bett schlafen wie bei meinem Herrchen, aber ich konnte mich im ganzen Haus frei bewegen und sie ging dreimal am Tag mit mir Gassi. Ihr Mann, der Papi hielt zunächst noch Abstand von mir, er fürchtete sich vor Hunden und war zu Beginn auch ein wenig eifersüchtig auf mich. Also umgarnte ich ihn ganz sanft und ließ ihm Zeit und irgendwann nach ein paar Tagen begab er sich mit seinem Gesicht in meine Höhe und zog die Brille aus. Da wusste ich es ist soweit und schleckte ihm nach Herzenslust das Gesicht ab. Man hatte mir in einer ruhigen Ecke ein gemütliches Deckenlager bereitet, netterweise inmitten des Wohnraums, denn ich brauchte sehr viel Nähe und Zuwendung. Ein so großes Haus fand ich schon toll aber das coolste war der Balkon, so etwas hatte ich vorher noch nie gesehen. Deshalb rannte ich anfangs auch immer gegen die Glastür, aber als ich begriffen hatte, dass es da nach draußen ging, nutzte ich jede Gelegenheit dort hinaus zu kommen. Die dahinter liegende Fliegentür zu öffnen lernte ich allerdings erst Jahre später. Ich aalte mich unheimlich gerne in der Sonne, schaute über das Geländer, wenn Nachbars Katze um das Haus schlich und verbrachte an schönen Tagen viel Zeit mit meiner neuen Familie draußen. Da ich noch immer sehr leicht war und zudem Probleme mit der Haut hatte, welche den starken Juckreiz hervorriefen, erhielt ich in jede Hauptmahlzeit einen Esslöffel Raps- oder Distelöl, so dass ich nach kurzer Zeit dank Omega 3 Fettsäuren ein wunderschönes glänzendes Fell bekam. Außerdem war ich hinter allem Essbaren her, was eigentlich nicht für einen Hund geeignet ist besonders süße Plätzchen liebte ich sehr, aber Zucker ist Gift für einen Hund. Das führte dazu, dass der Papi seine Kekse heimlich auf dem Balkon naschte. Meinem Bettelblick konnte er nicht standhalten, wenn ich dann noch den Kopf schief legte und mein Knicköhrchen zeigte, war er verloren. Die Mami hatte ich schon lange um den Finger gewickelt, sie machte richtig lange Wanderungen mit mir und lies mir zu Liebe so manche Arbeit liegen. Als Rock am Ring vorbei war, gingen die Vorbereitungen für den Umzug los, meine jungen Leute wollten nach Holland übersiedeln. Mein Frauchen begann dort ein Studium für Pferdemanagement und Herrchen hatte einen Job auf dem Hof eines berühmten Springreiters gefunden. Vorher musste ich aber einen Haustierpass haben, das hieß im Klartext impfen und einen Chip benötigte ich auch. Die Injektionen steckte ich locker weg, aber der Chip hat mir echt weh getan, da habe ich gefiept. Da das alles viel Geld kostete, übernahm Mami die Patenschaft für mich, sie kaufte auch das Futter für mich ein. Schließlich war alles erledigt und wir fuhren zum Reiterhof nach Holland, auf dem wir auch wohnen sollten. Um es mit kurzen Worten zu sagen, es war das Paradies für einen Hütehund, ich durfte mich den ganzen Tag auf dem Hof frei bewegen. Auch beim Treiben der Pferde konnte ich mithelfen und da bellte ich zum ersten Mal seit einem halben Jahr, alle hatten mich für stumm gehalten. Auf dem Hof gab es schon drei Hunde, lauter Jungs und ich war der umworbene Mittelpunkt. Außerdem musste ich nicht mit den anderen im Stall schlafen, sondern ging mit Herrchen und Frauchen abends nach Hause in die Wohnung. - Mein Freund Klumpen, er hieß natürlich anders, denn er war schließlich ein reinrassiger Bullterrier. Er machte tolle Geräusche beim Fressen und als ich schließlich schwanger war, kam nur er in Frage. Am Ende meiner Schwangerschaft zu Silvester besuchten wir die Mami in der Eifel. Es fand eine Krisensitzung statt, wohin mit den Welpen? Als schließlich eine befriedigende Lösung gefunden worden war, ließ man bei mir zur Sicherheit einen Ultraschall machen. Dieser kostete fünfzig Euro und brachte eine Scheinschwangerschaft zu Tage. Da war ich sehr traurig, denn einen Welpen hätte ich behalten dürfen, einen zweiten hätte die Mami aufgenommen. Es war mir einfach nicht vergönnt meine Babys auch mal aufwachsen zu sehen. Weitere Schwangerschaften meinerseits waren nicht wünschenswert, da ich mich nach Schätzung des Tierarztes bereits im zehnten Lebensjahr befand. Ebenso sinnlos wäre es gewesen mich noch zu sterilisieren, also hieß es zweimal jährlich gut aufpassen! Das war jedoch nicht so einfach, wie sich später mehrfach heraus stellte. - Mein Freund Castor, er war als Dobermann der perfekte Wachhund, er sah auch noch sehr gefährlich aus, hatte aber fast keine Zähne mehr und konnte nicht mehr gut laufen weil er an Krebs erkrankt war. Aber wütend bellen machte ihm so schnell niemand nach, von ihm übernahm ich auch die Marotte jedem Auto und Motorrad hinterher zu kläffen. Das wurde mir so zur Gewohnheit, dass man später selbst in der Hundeschule das Handtuch warf. Ich verstand schon