Marion Hein

Als Granny-AuPair in San Francisco


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an. Ich schreibe Mails, blogge und lese.

      Nach dem Aufwachen gibt’s Mittagessen. Entweder hat Anke was vorbereitet oder es ist was vom Vorabend übrig oder ich finde was im Tiefkühlfach. Danach wieder Wickeln und dann geht’s raus - jeden Tag. Maia will rumfahren, aber auch laufen und klettern und rutschen und buddeln und rennen und fühlen und ganz viel schauen, gerne andere Kinder. Also gehen wir einmal die Woche nachmittags zu recess, sonst auf einen Outdoor-Spielplatz oder in einen Park. Manchmal gehe ich einen Kaffee trinken, Maia isst ihr Obst und wir schauen beide Leute an.

      Gegen 17.30 Uhr ist Übergabe an Anke. Wir schwätzen meist noch eine Runde, dann bin ich in meinem Zimmer und mache dasselbe wie mittags. Anke kocht jeden Abend ganz vorzüglich, wir essen alle zusammen und reden deutsch / englisch über den Tag. Danach bin ich wieder in meinem Zimmer und lese oder schaue mir einen Film in der Mediathek an. Ich war auch schon abends weg, aber ich habe keine Lust auf eine regelmäßige Abendveranstaltung.

      Ich bin soziale Fürsorge durch den Staat gewöhnt, hier ist viel mehr privat organisiert. Das kostet natürlich. Andere Länder, andere Lebensvorstellungen, andere Prinzipien.

      Ich gehe mit Maia regelmäßig zu recess, einem Indoor-Spielplatz. Es gibt natürlich auch Spielplätze im Freien, aber was tun bei schlechtem Wetter. Also ist hier eine Alternative, um Maia mit anderen Kindern in Kontakt zu bringen. Die Mitgliedschaft bei recess kostet 1000 Dollar im Jahr. Seit 2018 ist recess ein Non-profit Unternehmen, das Spenden sammelt. Die Mitgliedschaft kostet 950 Dollar pro Familie ab dem 6. Monat des Kindes. Der Kindergarten würde für 2 Tage die Woche 1200 Dollar im Monat kosten - wenn Maia denn überhaupt einen Platz bekäme. Die Betreuung ist dann aber auch top. Die Einrichtung verfügt über Kletterwand, Garten, Musik- und Computerzimmer. Dazu kommt sehr weit gefächerter, anspruchsvoller Unterricht, Sprachförderung und ein Betreuungsschlüssel von 1:3. Tägliche Berichte, Fotos und Updates werden per E-Mail an die Eltern gesandt. Hier sagt man You get what you pay for!

      Da bin ich als Granny ein echtes Schnäppchen - win win.

      Donnerstags ist für 1 Stunde eine Livesängerin vor Ort. Die ist peppig und singt Lieder von den Beatles oder von van Halen Jump. Das versteht kein Kind und Maia interessiert der Gesang nicht. Die Kinder sind alle noch sehr klein, keines ist älter als 2,5 Jahre. Die Sängerin ist deutlich frustriert, obwohl sie das nicht zum ersten Mal macht.

      Neben amerikanisch wird sehr viel asiatisch und spanisch gesprochen. Ein nettes Gemisch von engagierten Müttern, wenigen Vätern und einigen Nannies oder Grannies. Maia halten alle für einen Jungen, weil sie nicht in glitterrosa gekleidet ist wie die anderen Mädchen. Die Lieblingsfrage How old is he? beantworte ich mit SHE ist 20 month!

      Die obersten Regeln, die die Kinder ständig hören, heißen teilen, nicht wegnehmen und abwarten. Sogar die Sängerin gibt einen Share Song zum besten. Es ist sehr friedlich und ich habe weder Weinen noch Streitigkeiten erlebt. Wenn das die Werte sind, mit denen Kinder aufwachsen, sollte unsere Welt in 50 Jahren deutlich friedlicher sein, auch international.

      Maias Eltern

      Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich zwar was zustande bringe, aber zu meinen Lieblingsbeschäftigungen gehört Kochen nicht. Mir fehlt dabei eine gewisse Leichtigkeit. Andere entspannen beim Kochen, ich würde lieber eine Rede halten oder ein Buch schreiben.

      Anke kocht wunderbar. Nach ihrem Arbeitstag zaubert sie fast jeden Abend ein wundervolles Essen. Bislang war noch nichts dabei, was mir nicht geschmeckt hätte. Ich werde mit ganz neuen Gerichten verwöhnt und genieße das. Essen mag ich nämlich schon.

      James spielt nicht nur wunderbar Klavier und Gitarre, er kann auch richtig gut singen. So bekommen Anke, Maia und ich immer mal wieder eine private Vorstellung.

      Ich lebe bei zwei begabten Menschen, die ihre Kreativität der Softwareindustrie zur Verfügung stellen, wenn auch nicht als Köchin und Musiker.

      Ich

      Ein Lob der Schönheit

      Manchmal muss man weit reisen oder 60 Jahre alt werden, um zu einer Pediküre zu gehen. Ich habe das bisher noch nie gemacht. Gestern hat mich beim Spaziergang mit Maia das Schild pedicure angesprungen und schon war der Termin vereinbart. Keine Ahnung, was sowas in Deutschland kostet, ich habe inkl. Trinkgeld 32 Dollar bezahlt (ca. 28 Euro). Hat mit Kurzmassage und Eincremen fast 1 Stunde gedauert. Die Maniküre wird folgen. Ist eine feine Sache.

      Das Trinkgeld ist Pflicht, selbst wenn man unzufrieden ist. Bei Unzufriedenheit beschwert man sich beim Manager, aber das Trinkgeld gibt’s trotzdem. Es beträgt immer 15-20 % des Preises und wird oft in bar gegeben. Man kann es auch als Tip auf den Kreditkartenbeleg schreiben, wenn man kein Kleingeld hat. Der landesweite Mindestlohn liegt übrigens bei 7,25 Dollar/Stunde (zurzeit ca. 6,40 Euro). In New York erhalten Fast-Food-Mitarbeiter seit 1. Januar 2019 15 Dollar pro Stunde. Amazon zahlt das sogar landesweit. 19 Bundesstaaten und 21 Städte haben zu Jahresbeginn die Mindestverdienstgrenze erhöht. Ein Sieg der Bewegung Fight for $15.

      Buck Schmitz ist gerne Friseur. Die Schere wirkt zwar etwas stumpf, aber die Schneidefrequenz ist überirdisch. Ich will einen wilden Kurzhaarschnitt. Buck schaut sich das mitgebrachte Foto an, fragt, ob ich schon mal kurze Haare hatte und legt los. 3 Schnipp-Schnapp und die Länge ist weg. Je mehr er wie Edward mit den Scherenhänden an mir herumwirbelt, umso mehr ist mir klar, dass ich vermutlich genauso aussehen werde wie der Mann, den er vor mir behandelt hat. Es gibt kein Zurück. Er schneidet und schneidet und wir unterhalten uns ganz prima: über seine Vorfahren aus Köln (it was great, I was in Cologne 3 years ago and all the people looked like me), seine Schwester in Wisconsin, die 17(!) Kinder hat, seine Vorliebe für Regen und seine Abenteuer mit Marihuana-Keksen in Amsterdam (I laughed two days, it was so funny).

      Ich will mit Kreditkarte bezahlen, dem Standardzahlungsmittel in San Francisco. Buck nimmt nur Bargeld, aber so viel habe ich nicht dabei. Für Buck kein Problem. Ich kann irgendwann - wenn ich in der Nähe bin - vorbeikommen und ihm das Geld bringen. No Problem.

      Nachdem Buck Schmitz am 7. Februar ordentlich abgeschnitten hatte, war so schnell kein neuer Schnitt fällig. Aber eine Tönung sollte das Grau verbergen. Da ich bei Friseuren immer sehr spontan und mutig bin, suche ich vor meiner Wanderung im Presidio einen japanischen Friseur auf, der auf dem Weg liegt. Ich bin da wohl in so einen Schicki-Micki-Salon geraten. Es gibt nur das notwendigste Mobiliar, die Wände sind Betonkunst. Da ich nur Tönung will, haben sie Zeit. Um mich herum nur Japaner und meine Friseurin spricht auch nicht besser Englisch als ich. Am Ende sind einige Haare immer noch grau und es kostet 90 Dollar (ohne das Trinkgeld von 20 %).

      10 Wochen nach Buck Schmitz ist Zeit für einen kleinen Nachschnitt. Auf der Market Street gibt es eine Schule für angehende Friseure. Ein riesiger Salon voller junger Mädels in schwarzer Kleidung. Ich denke mir, dass beim Spitzen schneiden (heißt übrigens hair trimming) nicht viel passieren kann.

      Danesha ist 17 und seit 5 Monaten in der Ausbildung. Beim Haare waschen berührt sie meinen Kopf als wäre er aus Porzellan. Man muss Zeit mitbringen, ich bin ja ein Versuchsobjekt. Die Lehrerin macht vor und Danesha macht super vorsichtig nach. Sie ist echt süß, auch, weil sie aussieht wie eine Indianerin mit ihren langen Zöpfen. Erst wird meine rechte Kopfseite bearbeitet, dann die linke, dann oben. Am Ende schaut die Lehrerin nochmal drüber. Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis und dem Preis von 5 Dollar für Waschen und Schneiden. Danesha bekommt 5 Dollar Trinkgeld von mir und strahlt wie eine kleine Pocahontas.

      Mein Geburtstag

      Wenn ich daran denke, dass ich vor einem Jahr noch gearbeitet habe! Ich hatte damals einen Traum. Er sollte mich in die weite Welt führen, wohin auch immer. Dieser Traum hat mich hierher geleitet. Es ist schön, wenn Träume in Erfüllung gehen. Ich hatte ein wirklich gutes Lebensjahr und mit San Francisco habe ich es so phänomenal getroffen, dass ich es manchmal selber kaum glauben kann.

      Am Vorabend meines Geburtstages gehe ich raus in die nächtliche Stadt. Der Abend ist mild und die Menschen