Marcel Kircher

Der Drachenprinz


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Kräften im Kontakt mit dem weisen Zauberer in der Burg der Königin. Eigentlich war sie hundemüde, doch etwas raubte ihr den Schlaf. Es war ein Gefühl der Beklemmung, der ihr beim Versuch zu schlafen die Luft abschnürte. Plötzlich sah sie eine dunkle Gestalt vorbeireiten. Hatte ihr Gefühl sie doch nicht getäuscht, dachte sie bei sich. Ihr Blick veränderte sich. Von den Augen war nur noch das Weiße zu sehen. Reglos stand sie in ihrer Hexenküche, während aus einem benachbarten Baum eine Eule sich in die Lüfte schwang. Lautlos schwebte sie durch die Luft und heftete sich an die Fersen des dunklen Reiters. Der Vogel verfolgte den Unbekannten über mehrere Kilometer. An einer Weggablung gönnte der Reiter seinem Pferd eine Pause. Die Eule landete geräuschlos in einem Baum in ein paar Metern Entfernung. Sie beobachtete den Reiter, als plötzlich der Mond durch die Wolkendecke brach und den Fremden in ein fahles silbriges Licht hüllte. Die Eule fixierte ihn, blickte unter die Kapuze, die er sich tief ins Gesicht gezogen hatte. Fast hätte sie einen erschrockenen Laut ausgestoßen, doch sie hielt sich zurück. Der Reiter setzte seine Reise fort, während die Eule in die entgegengesetzte Richtung flog. Sie hatte genug gesehen und wusste, wie sie zu handeln hatte. Nach wenigen Minuten hatte sie den Ausgangspunkt erreicht. Der Greifvogel ließ sich auf einem großen Ast nieder und verfiel in den ruhigen Zustand vor dem Spionageflug. In der Hütte ein paar Meter weiter, erwachte Elea aus ihrer Trance. Es gab einen Verräter am königlichen Hof und sie hatte ihn erkannt. Auf einem einfachen Holztisch lagen verschiedene magische Utensilien, Bücher mit Zaubersprüchen und Rezepten für Zaubertränke, diverse Pergamentrollen, ein Tintenfass mit der Feder eines Adlers und eine grünlich schimmernde Glaskugel stand in der Mitte des Tisches. Elea zog die Kugel näher an sich heran und sprach eine Beschwörungsformel. Der Rauch in der Kugel fing an zu wabern. „Bitte, Octurian“, flüsterte sie. „Sei da.“ Sie wartete einige Minuten. Nichts geschah. Ist ja ganz toll, dachte Elea bei sich, wenn man den alten Meister braucht, dann ist er nicht da. Rasch nahm sie ein Blatt Pergament, tauchte die Feder in das Tintenfass und begann eilig eine Botschaft zu verfassen.

      Mächtiger Octurian, ich grüße Euch. Ein Verräter befindet sich am Hofe von Königin Aluanda. Er steht in Kontakt mit dem Fürsten der Orks und Trolle. Es handelt sich um den Soldaten Unwyn, aus Lord Harbors Heer. Bitte nehmt Euch der Sache an. In der Hoffnung, dass Ihr wohlauf seid. Elea Grünkralle

      Die Hexe las sich die Zeilen durch. Alles drin, dachte sie. Sie rollte das Pergament zusammen, zog sich einen Mantel über und ging nach draußen in ihren Stall. Im Stall schlief ihr Einhorn Gwynfor. Sie schlich leise vorbei, bis sie an einer Voliere mit weißen Raben stand. Elea öffnete die Tür, trat ein und weckte einen der Raben, der sofort loskrächzte.

      „Sei leise Kriemhild“, flüsterte sie der Rabendame zu. „Bitte überbringe diese Botschaft dem Magier Octurian am Hofe von Königin Aluanda auf Burg Karamurg. Du weißt, wo du den findest.“

      Freundlich krächzte der Vogel zurück, ließ sich geduldig die Botschaft ans Bein binden und erhob sich dann in die Lüfte. Elea blickte dem Raben eine Weile hinterher, bis er vom Dunkel der Nacht verschluckt wurde.

      Mittlerweile hatte der dunkle Reiter Burg Karamurg erreicht. Der leichtgläubige Grimphone hatte Tordienst und ließ seinen Kameraden passieren.

      „Warst wieder in den Wirtshäusern von Himsonia, alter Freund“, begrüßte er ihn, als Unwyn durch das Tor ritt.

      „Was?“, entgegnete Unwyn erstaunt. Er brauchte einen Moment, ehe die Frage Grimphones bei ihm ankam. „Oh ja, ich habe den Dirnen ein paar Geschichten aus dem Armeedienst erzählt und im Gegenzug waren sie dann ganz freundlich zu mir.“

      Grimphone schüttelte den Kopf. „Du verdienst wohl zu viel. Hier gibt’s doch auch nette Mädchen, die für einen Teil unseres Soldes mit uns alles anstellen, was wir von ihnen verlangen.“

      „Vielleicht möchte ich einfach nicht deine vorgerittenen Huren abgreifen“, giftete Unwyn. „Entschuldige mich, ich begebe mich nun zu Bett.“

      Unwyn stieg von seinem Pferd und führte es am Zügel in die Stallungen. Die Kapuze hatte er längst abgenommen. Das Mondlicht fiel auf den Hof der Burg, während Unwyn in seine Unterkunft ging und erschöpft auf sein Lager fiel. Mein Leben habe ich für diese Usurpatorin riskiert und mit so einem weiteren Leben wird es von ihr gedankt, dachte er bei sich und der Zorn steigerte sich ins Unermessliche. „Wenn nur die Königin nicht mehr wäre“, flüsterte er und strich über seinen Dolch, der an seinem Gürtel hing. Der Mond leuchtete strahlend weiß durch sein Fenster und blendete ihn leicht, sodass er sich zur anderen Seite drehte, um endlich die Augen schließen zu können. Dadurch entging ihm der weiße Rabe, der an seinem Fenster vorbei in Richtung des großen rotgoldenen Turmes flog.

      Das Hufgetrampel machte ihn stutzig. Mit müdem Blick trat Marcel an das Fenster seines Gemaches und blickte hinaus. Er sah, dass der Elf mit der dunklen Kapuze wieder zurückgekehrt war. Sein Gesicht war von Narben gezeichnet, das gab das schwache Mondlicht wieder. Seltsam, dass die Krieger von Königin Aluanda zu solch später Stunde zurückkehrten, dachte er. Er beobachtete die Szenerie, bis der Reiter mit seinem Pferd in den Stallungen verschwunden war, dann schenkte sich Marcel noch einen Schluck des Bieres ein und legte sich wieder schlafen. Er wollte fit sein, wenn er der Königin seine Treue schwor.

      Der Morgen war angebrochen und die ersten Strahlen der Sonne fielen in Marcels Schlafgemach. Müde rieb er sich die Augen, machte sich frisch und zog sich an. Da er nicht wusste, wo auf der Burg das Frühstück stattfand, aß er ein wenig von den Trauben und dem Apfel, die von gestern noch übrig geblieben waren und spülte das Ganze mit einem letzten Schluck des Bieres herunter. Er musste Harbor unbedingt nach dem Namen für dieses Getränk fragen. Sein Schwert nahm er in die rechte Hand. Er fand es merkwürdig, dass man ihm keinen Gürtel mit einer Schwertscheide dazugelegt hatte. Andererseits wäre ihm vielleicht dann auch nicht diese prächtige Waffe aufgefallen. Langsam schritt er zu seiner Tür, öffnete sie und trat auf den Gang. Marcel versuchte sich zu orientieren und zu erinnern, welchen Weg er gestern mit Harbor gegangen war. Er ging ein paar Schritte als er einem Höfling über den Weg lief. Dieser entschuldigte sich hektisch, dass er fast in den Auserwählten reingerannt war und Marcel hatte alle Mühe ihn zu beruhigen.

      „Ihr braucht Euch nicht zu entschuldigen. Genau genommen bin ich froh, dass wir uns über den Weg gelaufen sind. Ich möchte wissen, wie ich in den Thronsaal gelange, da ich der Königin etwas mitteilen möchte.“

      Der Höfling lächelte entschuldigend, ehe er antwortete: „Das tut mir leid. Die Königin ist aktuell noch beim Frühstück in ihren Gemächern. Wenn es Euch nichts ausmacht, dann würde ich Euch holen, sobald die Königin im Thronsaal ist. Es sollte nicht mehr so lange dauern.“

      „In Ordnung, Jüngling, dann warte ich auf meinem Zimmer und Ihr holt mich, sobald Ihre Majestät da ist.“

      Der Elf verbeugte sich tief und ließ Marcel zurück. Er befolgte den Rat und kehrte in sein Gemach zurück. Ein wenig Gesellschaft, jemanden zum Reden wäre nicht schlecht war sein Gedanke. Die Warterei weckte Unruhe in ihm. Das miese Gefühl sollte ihn nicht täuschen.

      Im rotgoldenen Turm der Burg war Magier Octurian so sehr in seine Wissenschaften und Magie vertieft, dass er über seinen Büchern eingeschlafen war und nichts bemerkte. Noch nicht einmal das ständige Klopfen am Fenster hatte ihn erwachen lassen. Die zarten Strahlen der Sonne weckten ihn aus seinen Träumen. Hektisch griff er seinen umgefallenen Spitzhut und setzte ihn sich auf sein kahles Haupt, welches von einem weißen Haarkranz umrahmt wurde. Octurian rückte seine Brille gerade und blickte sich um. Auf der Fensterbank saß ein weißer Rabe, der ihm bekannt vorkam. Er eilte zum Fenster öffnete es vorsichtig. Der Vogel wachte aus seinem Schlaf und flatterte zornig in den Raum. Octurian hatte alle Mühe den Botenvogel zu beruhigen. Nachdem er sich ausgetobt hatte, setzte sich der weiße Rabe auf den Schreibtisch und hielt den Fuß mit der Botschaft in die Höhe. Der Magier verstand und band vorsichtig die Rolle vom Bein des Raben und streichelte ihm sanft über den Kopf.

      „Tut mir leid, dass ich dich heute Nacht nicht bemerkt habe. Irgendwie muss ich über meinen Büchern eingenickt sein“, entschuldigte er sich bei dem Tier, das ein sanftes Krächzen von sich gab. Um sich zu entschuldigen kramte der Magier in den Taschen seines Mantels und wurde schließlich fündig.

      „Hier“, sagte