Christoph Wagner

Metastasen eines Verbrechens


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um „sein Gehirn zu reinigen“.

      Das Ermittlerteam wird bei seiner Arbeit auch immer wieder zu den markanten Plätzen Heidelbergs geführt. Dabei sind die Texte so konzipiert, dass sie nicht nur für Einheimische, sondern gerade auch für Menschen interessant sind, die Heidelberg gar nicht oder nur wenig kennen. Hauptkommissar Travniczek war, bevor er vor drei Jahren seinen Dienst bei der Heidelberger Kripo antrat, noch nie in dieser Stadt. Der Leser wird Zeuge, wie er sich die Stadt allmählich aneignet und sie kennen und lieben lernt. Darüber hinaus gibt es über alle mit *) bezeichneten Orte und Sehenswürdigkeiten im Heidelberg-Glossar auf der Internetseite www.heidelbergkrimi.de Erläuterungen, Bilder und oft auch weiterführende Links.

      Diese Serie will nicht nur spannende und aufwühlende Kriminalgeschichten bieten, sondern ausdrücklich auch Lust auf Heidelberg machen.

      Impressum

      Alle Rechte vorbehalten

      Copyright©2014 Christoph Wagner

      Coverbild: Ausschnitt aus

       Arnold Böcklins „Die Pest“

      Der Autor

      Christoph Wagner wurde 1953 in Jever (Norddeutschland) geboren. Er lebte von 1959 bis 1983 in Heidelberg, besuchte dort die Grundschule, von 1964 bis 1972 das Kurfürst-Friedrich-Gymnasium und studierte danach Musik und Mathematik. Seit 1983 arbeitete er bis Ende des Schuljahrs 2015/16 als Musik- und Mathematiklehrer in Frankfurt am Main. Der Kontakt zu Heidelberg blieb immer bestehen.

      Zu der Reihe „Heidelbergkrimi“ sagt er:

      Ich will hier meine Liebe zu Heidelberg, das ich für eine der schönsten und interessantesten Städte überhaupt halte, verbinden mit der Frage nach der Psychologie des Bösen. Im ersten Roman habe ich meine Grundfrage Hauptkommissar Joseph Travniczek in den Mund gelegt. Angesichts eines brutal erschlagenen Mannes sagt er: "Wie unendlich viel muss in der Seele eines Menschen zerstört worden sein, damit er zu so einer Tat fähig wird? ... Kein Kind wird als Mörder geboren."

      Dabei interessieren mich vor allem Menschen, die nicht einfach nach den Kategorien Gut und Böse eingeordnet werden können, und Themen, die politische, gesellschaftliche oder ethische Bedeutung haben.

      Als Motto über die ganze Reihe diene ein Ausspruch von Robert Louis Stevenson:

      „Im Schlechtesten der Menschen steckt noch so viel Gutes

      und im Besten noch so viel Böses,

      dass keiner befugt ist zu urteilen und zu verurteilen.“

      Da ist etwas passiert,

      womit wir alle nicht fertig werden.

      Hannah Arendt

      Prolog

      „Was ist Wahnsinn? Wenn du die Bullenhitze hier meinst, stimme ich dir sofort zu. Aber sag mal: Was liest du da eigentlich?“

      „Aha. Du bereitest dich schon auf dein Studium vor. Das ist löblich. Aber was empört dich da so?“

      „Was ich hier lese.“

      Bernhard schlug das Buch wieder auf und blätterte aufgeregt, um die entscheidende Stelle zu finden.

      „Das ist einfach nicht zu fassen: Da erschießt ein wild gewordener Student den österreichischen Thronfolger, und kurz darauf gehen alle angeblich zivilisierten Nationen Europas aufeinander los, ohne Sinn und Verstand. Am Ende sind neun Millionen Soldaten und sechs Millionen Zivilisten tot. Und was das Verrückteste ist: In allen beteiligten Ländern wurde erst lange nach Kriegsbeginn darüber nachgedacht, welche Ziele man in diesem Krieg eigentlich verfolgt, also, warum man diesen Krieg überhaupt führtAugust 1938

      Warum muss ich ausgerechnet jetzt krank werden, bei dieser Affenhitze? Wegen der paar Windpocken noch eine Woche im Bett bleiben? Das halt ich nie aus!

      Hannah Rosenbaum lag in ihrem Zimmer in der Villa am Graimbergweg. Es war das schönste Zimmer im Haus, in einer Art Turm gelegen. Sie hatte Fieber, fast 39°. Wegen der Hitze hatte sie nur ihren Schlüpfer anbehalten und auch die Bettdecke weggeworfen. Aber es schien ihr immer noch unerträglich. Doch sie wusste, dass das ganze Haus leer war und niemand kommen würde, um ihr zu sagen, sie müsse unter die Bettdecke kriechen, weil sie sonst noch eine Lungenentzündung bekäme.

      Außerdem hab ich Wichtigeres zu tun. Was ist nur mit Fritz los? Ich muss es endlich rausfinden. Er redet kaum noch mit mir. Hat er plötzlich Angst vor mir? Warum bloß? Das Vertrauen ist weg.

      Hat das mit der HJ zu tun? Er geht da jetzt mit Begeisterung hin … hat wohl sogar irgendeine Führungsaufgabe übernommen. Schuld an allem ist nur dieser blöde Noll. Wie ich den hasse!

      Aber zugegeben: Wenn die andern Fritz nicht immer so geärgert hätten, wär es nicht so weit gekommen. Auch die sind schuld.

      Fritz hat sich aber auch sehr verändert. Er sieht jetzt richtig toll aus … muss unheimlich viel trainiert haben … sieht jetzt jedem gerade in die Augen … und strahlt Kraft aus.

      Hat ihm das dieser Noll beigebracht? Oder hat er das in der HJ gelernt?

      Dann ist vielleicht alles ganz anders, als Papa sagt. Vielleicht sind die Nazis gar nicht so schlecht. Wir Juden sind doch einfach nur minderwertig.

      Warum musste ich auch ausgerechnet als Jüdin geboren werden?

      Nein, so was darfst du nicht einmal denken!!

      Immer hab ich mich um Fritz gekümmert. Schon komisch – ich, das ein Jahr jüngere Mädchen.

      Doch jetzt ist alles anders. Was ist eigentlich los? Natürlich will ich ihn immer noch beschützen. Aber das reicht nicht. Ich will ihm einfach nah sein, immer – ganz nah.

      Aber er schneidet mich plötzlich … Hat wohl vergessen, was ich alles für ihn getan habe … Oder ist es einfach nur Angst, weil ich ein Mädchen bin?

      Wenn ich nichts verpasst habe, ist er noch nie einem Mädchen nahegekommen. Außer mir. Aber ich bin ja eigentlich nur so eine Art Schwester für ihn.

      Oder will er einfach überhaupt nichts von Mädchen wissen? … Sollte etwa dieser Noll …? Nein, das ist Blödsinn! Das kann überhaupt nicht sein!

      Fritz braucht mich einfach nicht mehr. Er ist selbst stark genug. … Ich bin überflüssig, zu nichts mehr nütze … abgelegt wie ein altes Kleidungsstück …

      Sie warf sich auf das Bett, verbarg ihr Gesicht im Kissen und fing heftig zu weinen an. Es fröstelte sie. Sie zog jetzt doch die Bettdecke über den Kopf. Sie wollte nichts mehr sehen und hören. Nie mehr!

      Wär alles leichter, wenn ich keine Jüdin wär? Was wär dann? Ich wär sicher beim BDM.

      Will ich das? Nein, nein und abermals nein!! Ich müsste dann ja diese blöde Uniform tragen. Da wird mir doch schon vom Hingucken schlecht. Was Scheußlicheres kann man doch gar nicht anziehen.

      Und dann erst das idiotische Gequatsche von diesen BDM-Tanten: „Wir wollen möglichst schnell dem Führer Söhne schenken!“ …

      Ich weine ja gar nicht mehr.