Ann Bexhill

Lucullus muss sterben


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bis Herculaneum. Rom ist eine ungeheure dunkelgraue und stinkende Ebene, soweit du siehst, mit Häusern bedeckt. Rom ist die allergrößte Stadt der Welt, etwas Größeres kann es wegen der Physik und der Statik nicht geben, weil es in sich zusammenfallen müsste, wie die traurigen Insulas. Die Wohnungen in den bis zu 14 Etagen hohen Mietskasernen sind instabile, beengte und dunkle Löcher. Noch schlechter belüftet, als eine seit Generationen verschlossene Grabkammer. Die billigen und in einer Woche Arbeit hochgezogenen Insulae besitzen nur im ersten Stockwerk fließend Wasser oder Latrinen. Den Inhalt des Nachttopfs und sonstigen Dreck entsorgt man mit großer Begeisterung durchs Fenster. Am liebsten, wenn unter dem Fenster einer steht. In Rom das sind auch keine Straßen, sondern Pfade durch Schluchten. 30 Meter und höher bauen die Wahnsinnigen bis zum Dach. Oben stellen die Holzschuppen und Bretterbuden drauf und vermieten die an Lebensmüde ohne Geld. Dass Rom noch größer als der Boden ist, auf dem es steht ist logisch. Ausdehnung multipliziert mit der Höhe. Das Rom zuerst schön aussieht, liegt an der optischen Täuschung. Es liegt daran, dass man der Via Appia folgt und die Königin der Straßen ist gesäumt von malerischen Ortschaften. Dann steht der Wanderer auf dem Hügel vor der Porta Flumentana, dem Stadttor und denkt sich – aber nein, dass Rom gleich solche Dimension hat? Man kann nicht begreifen, wo diese Stadt endet, wo beginnt. Und jetzt kommt auch noch die optische Illusion ins Spiel. Denn diese Marmorpaläste, Tempel, Foren und Denkmäler stehen auf den Hügeln. Was dazwischen ist, streift dein Auge am Rande. Weißer Marmor und Säulen blenden dich, da würde jeder Bildhauer mit der Zunge schnalzen. Hinzu kommt noch das über Rom eine graue Dunstwolke steht, die bei einem ganz bestimmten Winkel des Sonnenstandes in lichten Farben schimmert. Der hochgiftige Qualm der Garküchen, Bäckereien, Unternehmen und Schmieden liegt über den Hügeln, weil es windstill ist und der Qualm irgendwohin muss.

      Also deswegen: Scheiße, wieder in Rom! Der Ausschank befindet sich in einer Seitengasse der Clivus Subura, gegenüber dem Circus maximus und dem kleineren Theater des Pompejus. Nicht sein gigantisches Bauwerk vom Marsfeld mit seinen 40000 Sitzen, wo alles hingebaut wird, das in der Stadt keinen Platz findet, sondern das direkt am zentralen Schweinemarkt. Da wo die verrufensten Lokale und Bordelle des Imperiums, Kunden verlocken ihr Geld auszugeben. Senatorenlatrine wird die krumme Straße, mitten im Herzen des großen Amüsierviertels im Volksmund genannt. Der bekannte Circus maximus, der für seine Gladiatorenspiele und Tierhatzen berühmt ist, gehört den Unternehmern Lucius Lucullus und Scipio Crassus. Die die öffentlichen Latrinen vom Senat pachten und aus dem Urin Roms Gold machen. Die ganze Welt färbt mit römischem Harn ihre Stoffe und Tücher. Die Subura gehört in die IV. Region der Stadt. Sie liegt zwischen den Hügeln Quirinal, Cispius, Viminal und Esquilin. Durch das Viertel verläuft der Clivus Suburanus, eine bunte und übervölkerte Verbindung durch Argentum dem Buchhändlerviertel ins feine Esquilin. Subura ist die Wohngegend der Armen und unbedeutenden Plebejer und als ein einziges Rotlichtviertel berüchtigt. Der römische Normalbürger wohnt nicht in der Atriumsvilla mit Blick auf den blühenden Olivenhain. Nein wir leben in der Subura in einer dunklen und stinkenden 14-stöckigen Insulae, Hochhäusern mit dem Charme eines Kerkers die ihren Besitzern einen unglaublichen Profit einbringen. Mit Insulas genannten Ungeheuerlichkeiten, in, die man seinen schlimmsten Feind nicht einsperren täte, ist Rom übersät. 40000 Wohnblocks und in denen mehrere hunderttausend Menschen leben. Rom ist eine einzige von Platz zu Platz wandernde Baustelle, auf der rund um die Zeit gearbeitet wird.

      Im Steinherzen, der Stadt befindet sich das Forum Romanum mit seinen Triumphbögen, Statuen und den Tempeln aus poliertem Marmor. Doch verbunden wird diese ganze Herrlichkeit durch verwinkelte und dreckige Gassen. Wohnviertel aus Bretterbuden und schimmligen Mietskasernen, mit Gerümpelbergen bedeckten Gassen bieten Gaunern ungezählte Verstecke. 1000 Legionäre nehmen einen absolut hoffnungslosen Kampf in der Millionenstadt gegen ein Herr von Kriminellen auf. Und das verarmte Volk strömt ohne unterlass vom Land in die Stadt. Während ich hier bei meinem Bier in Gedanken versunken sitze, hat Rom 500 neue Bewohner bekommen. Angelockt werden sie alle, von der Aussicht 5 Sesterzen am Tag auf dem Bau, als Tagelöhner zu verdienen. Rom ist eine Stadt, die keine von Menschen geschaffene Mauer zu begrenzen vermag. Alte Gebäude bricht man man ab, parzelliert das Land und baut Atriumshäusern auf den guten Hügeln und die elenden Mietskasernen für die Hoffnungslosen dazwischen.

       Ich warte hier darauf, dass Iulia die Tochter Gaius Iulius Caesars und meine Besitzerin ihre Einkäufe in den Luxusgeschäften auf dem Forum Romanum beendet, und betrinke mich derweil. Die Spelunke, in der ich trinke, ist beliebt bei den Männern der Cohorten des praefectus vigilu, die in Rom Sicherheit verbreiten. Die Caupona wirkt, seit einem Besitzerwechsel moderner und schicker. Das ganze Blut auf dem Steinboden und an den Wänden, von Prügeleien und Messerstechereien ist geistreich, mit roter Farbe übertüncht. Die Gesetzeshüter vom Schweinemarkt an der clivus Subura trinken am liebsten dort, wo sie nicht durch Hilfeschreie daran erinnert werden, dass sie im Dienst sind. Weshalb in den nach saurer Pisse stinkenden Säulengängen Schilder angebracht sind, die es nur römischen Bürgern gestatten nach Hilfe zu schreien. Woran sich kein Opfer hält und sauer reagiert, wenn man das offizielle Bußgeld verlangt. Einer der Vorteile sich im zerbrochenen Becher zu betrinken liegt darin, dass kaltblütige Verbrecher darauf verzichten, den Ort auszurauben. Weil Legionäre eben ihre Ruhe wollen, was die Menschen die den Versuch unternehmen schnell merken. Aller Spätestens, wenn ihm sämtliche Gäste, verärgert die schartigen Schwerter entgegenstrecken, sollte auch der größte Dummkopf mitbekommen haben, nanu ein Raub sollte anders ablaufen. Es gibt keinen niveauloseren Haufen von Kriminellen, als jene die angeblich den Frieden bewahren. Männer für die eine Aufnahme in die Cohorte urbane eine Altersvorsorge ist, in Form von Bestechungen und Schweigegeld. Männer, die den Krieg in all seinen Facetten lieben und, deshalb um eine Versetzung nach Rom gebettelt haben. In der Taverne hängen die Schwerter und Messer nicht zur Zierde an den Gürteln der saufenden Wächter, die erst am Abend hier aufschlagen werden. Auf den Hockern neben mir sitzen besoffene römische Buchmacher, denen der Schlaf des Babys scheißegal ist. Sie schreien ihre Fragen zum Trainer der Gladiatorenschule Ludus. »Ey Marcus wie hat der Minosius heute gegessen?«, will einer wissen. »Marcus was ist mit dem Thraker wo ist er? Warum war er heute nicht beim Training«, will ein anderer wissen. Jeder hat seinen Favoriten für die bevorstehenden Spiele. Der Trainer, ein Typ, dessen gesamter Körper und breites Gesicht von Narben seiner Ringkarriere gezeichnet ist, beantwortet gelangweilt die Fragen. Er weiß Kommunikation ist eben ein Teil seiner Arbeit. Links von mir betrinkt sich ein im Gesicht blau tätowierter Kelte mit zottigem Vollbart, in dem er einen Teil seines letzten Essens spazieren trägt. Barbaren vor den Toren des Imperium Romanum, das Krieg um Krieg seine Grenzen erweitert und uns unbekannte Nachbarn beschert. Die es kurz später in die Stadt Rom verschlägt. Als wären unsere Eroberungskriege eine Einladung auf Gegenbesuch zu kommen. Sollen sie, wenn sie sich die Jahresmieten ab 2000 Sesterzen für ein Loch in einer Insulae leisten können. Zum Verständnis, man verdient als Tagelöhner 5 Sesterzen am Tag. Rom ist besser als sein Ruf wiederholte der Censor regelmäßig im Senat. Er verkündet es im Forum, als habe er ein persönliches Interesse daran, was der Rest der Welt von der Stadt hält. Wenn er das tut, ist er umgeben von Liktoren und Leibwächtern, ich finde seine Vorsicht spricht für sich! Ich finde zudem, jeder Ort bekommt die Regierung, die er verdient. Die Situation ist kritisch geworden, in der dicht besiedelten Stadt, mit den höchsten, teuersten und einsturzgefährdetsten Gebäuden der Welt, die man aus fauligen Baumaterialien, wässrigen opus cementium und mit Schlamperei gebaut bekommt. Aber die Stadt ist bei ihrer Gründung schon gefährlich gewesen, hat nicht Romulus den Remus ermordet, und was ist mit dem Raub der Sabinerinnen? Man kann nur sagen: Kriminell bis auf die Knochen der Urahnen, speziell da, wo man die Stadtcohorte abzieht, um die feinen Viertel zu schützen. Vor den prächtigen Villen der Patrizier der Fabiolas, Catos und Iuliuer auf dem Esquilin kann man einen Beutel Gold auf dem Gehweg liegenlassen, ohne das man ihn anders, als mit hochgezogener Augenbraue ansehen würde. Im überbevölkerten Stadtteil Subura zwischen Aventin und Forum wird einem die älteste Tunika geraubt, wenn in Rom irgendwer bezahlt. Ich hasse die Hektik der Feiertage nach mir sollte Weingott Dionysos gestohlen werden nur nicht das Rezept für den Wein! Die Gäste kommen und die Sklaven müssen die Villa putzen und streichen. Man schindet uns Sklaven als würden wir bezahlt. Und jeder Gast erwartet Geschenke. Man trinkt und isst bis man platzt und feiert hemmungslose Fressorgien und tut, als hat man die Streitereien des vergangenen Jahres vergessen. Die Bacchanalien sind der Feiertag, dem jeder außer