Carsten Both

Redewendungen: Episoden 2004


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2004

      Redewendungen – Oft verwendet, Ursprung unbekannt?! – EPISODE 45 bis 50 (Ente, Blaues und Eisenstart)

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Episode 45: Quak!

       Episode 46: Die montägliche Fahrt ins Blaue

       Episode 47: Blauer Look

       Episode 48: Blauer Wunderplanet

       Episode 49: Blaue Konflikte

       Episode 50: Ferrum I

       Episode 51

       Impressum neobooks

      Episode 45: Quak!

      Behaupten Enten hin und wieder. Gebildete Kreise rufen die in Schwimm- und Tauchenten gruppierbaren Vögel (Aves), welche DIE Chinesen (also alle 1,3 Milliarden) so hervorragend zubereiten können, Anatinae. Die Unterfamilie der Enten(verwandten) gehört zur Familie der Entenvögel (Anatidae), der artenreichsten Familie aus der Ordnung der Gänsevögel (Anseriformes); es ist also so ähnlich wie bei den Käuzen, Eulen und Eulenvögeln [vgl. Episode 34]. Die Familie der Entenvögel umfasst etwa 150 verschiedene Enten- und Gänsearten.

      Aber vermutlich berührt Sie die taxonomische Einteilung in Klasse/Ordnung/Familie/Gattung/Art nicht sonderlich, und selbst die wichtig klingenden wissenschaftlichen Tiernamen lassen Sie unbeeindruckt, alles bisher Dozierte läuft an Ihnen folglich ab wie das Wasser am Entenflügel.

      Der in dieser Wendung geborgte (industriell bereits lukrativ nachgeahmte) Abperleffekt, der u.a. am Flügel von Enten bewundert werden kann, entsteht durch fleißiges Imprägnieren des Gefieders. Die Ente trägt dabei selbst produziertes öliges Sekret aus der Bürzeldrüse am Schwanzansatz mit Schnabel und Kopf auf die Deckfedern auf, ein „Putzvorgang“, den man an jedem Ententeich beobachten kann. Und das aufgetragene Bürzelfett zum Abdichten der Ente ist wichtig, denn sonst wäre sie nicht vor Wasser- und Kälteeinbruch geschützt, was sich negativ auf Schwimmleistung und Überlebensfähigkeit auswirken würde.

      Vermutlich wird eine Ente ohne ausreichende Imprägnierung unverzüglich, als wäre sie aus Blei, von der Schwimm- zur ewigen Tauchente. Schlechte bis nicht vorhandene menschliche Schwimmleistungen werden ebenfalls mit Plumbum umschrieben, dem chemischen Element, das für „Schwere“ schlechthin steht. Schwimmt jemand wie eine bleierne Ente, dann kann sich der Quietscheentchenbesitzer im Planschbecken schlecht über Wasser halten, eventuell geht der Schwimmflügelverweigerer gar unter und der aufmerksame Bademeister muss eingreifen – wenn nicht schon von der Kommune wegrationalisiert.

      Aber solange es noch in privilegierten Großstädten einen Bademeister gibt, da die kommunalen Politiker dem Volke dort gnädigerweise ein einziges Schwimmbad gelassen haben, darf der Trillerpfeifen-bewaffnete Aufpasser in Weiß – selbst mit Badelatschen – keine lahme Ente sein. Diese, einen langsamen, schwunglosen, schlaffen Menschen bezeichnende Wendung stammt aus dem Englischen: Der Titel „lame duck“ ist besonders in den Vereinigten Staaten beliebt; er wurde und wird gerne an handlungsunfähige Personen verliehen, insbesondere Politiker und Manager sind bedauernswerte Opfer dieser Auszeichnung.

      Opfer der Anrede als lahme Ente kann neben behäbigen oder unfähigen Menschen ferner ein langsames Fahrzeug sein, das es vielleicht noch nicht mal auf 200 bringt und innerhalb geschlossener Ortschaften mit lediglich 55 km/h über den Asphalt kriecht (natürlich sitzt in einem so krassen Fall immer eine Frau oder „Opa mit Hut“ hinterm Steuer).

      Neben dem Karosseriedesign soll mutmaßlich gerade die Höchstgeschwindigkeit eines gemütlichen Watschelgangs zur alternativen Namensfindung des Citroën 2 CV beigetragen haben. Sicherlich war auch die „Federung“ Schuld, dass die Klapperkiste, die schon lange nicht mehr gebaut wird und kaum noch auf den Straßen bewundert werden kann, an eine dahinwatschelnde Ente erinnert(e).

      Auch der moderne (Boulevard-)Journalist muss flink am Unfallort sein, am besten sogar vor den Rettern und Helfern, die nur die (Foto-)Berichterstattung stören. Wichtiger sind dagegen Passanten, die Augenzeugen, die ALLES gesehen haben (wollen) und so geschwätzig wie ein Entenbürzel sind. Da macht es gar nichts, dass deren oraler Output mit dem des Unterbürzelbereichs identisch ist.

      Die meisten Medienvertreter bleiben aber in der warmen Stube und pfuschen ihre Artikelchen aus geklauten Textbausteinen zusammen; und wenn sie tatsächlich mal kreativ sind, dann denken sie sich einfach etwas aus. Das journalistische Produkt wird Zeitungsente genannt. Da die Redakteure heutzutage ihre „Recherchen“ in sämtlichen Medien (gleichzeitig) verbreiten, bietet sich der allgemeine Ausdruck Presseente oder nur Ente an.

      Wo dieser Ausdruck für eine Falschmeldung, eine erstunken und erlogene – aber veröffentlichte – Nachricht herkommt, darüber gibt es mehrere Theorien:

      Ein phonetischer Ansatz basiert auf der Abkürzung „n.t.“ für das lateinische „non testatum“ (<dt.> „nicht bezeugt“), die sich deutsch „En-te“ spricht. Mit diesem Vermerk pflegen manche Zeitungsredaktionen unverbürgte Meldungen zu versehen, die gleichwohl gedruckt werden. Für Redaktionen, die das Recherchieren schon aufgegeben haben, eine praktische Einrichtung.

      Übrigens: Die manchmal auftauchenden Übersetzungen „not testified“ oder gar „not true“ können als moderne – weil englische – Verhunzungen des lateinischen Kürzels abgetan werden.

      Insgesamt ist die n.t.-Theorie sehr interessant und einleuchtend, aber höchstwahrscheinlich falsch.

      Ebenfalls nett, aber leider genauso dürftig belegt, ist die These, das unzuverlässige Brutverhalten der Enten hätte etwas mit der Zeitungsente zu tun. Die in etlichen Fabeln aufgegriffene Flatterhaftigkeit der Ente hätte letztendlich bewirkt, dass sie ihren Name für unzuverlässige Nachrichten hergeben musste.

      Die allseits favorisierte Herkunftsdeutung geht davon aus, dass die Zeitungsente um 1850 aus Frankreich in den deutschen Wortschatz eingewandert ist: Das französische Wort „canard“ heißt grundsätzlich Ente, zusätzlich aber auch Flugblatt, Schnurre und schließlich Falschmeldung. Im frühen 18. Jh. wurde der französische Ausdruck „donner des canards“ (<dt.> „Enten geben“) im Sinne von „einem etwas vorlügen“/„täuschen“/„jemandem etwas weismachen“ gebraucht. Diese Kurzform entstand aus „vendre (oder: donner) un canard à (la) moitié“ (<dt.> „eine Ente zur Hälfte verkaufen“), einer im 16. und 17. Jh. üblichen Redensart, die einen Betrug kennzeichnete. Im Laufe des 17. Jahrhunderts wurde die Wendung immer kürzer und die Bedeutung „Lüge“/„Betrug“/„Täuschung“ allein auf die Ente übertragen.

      Und schließlich gibt es da noch die Theorie der „blauen Ente“, die ihre Wurzeln in der Reformationszeit hat und damit älter ist als der canard-Ansatz: In jenen bewegten Zeiten stand die „blaue Ente“ für einen Schwindel, eine Lüge, eine Irrlehre. Die Redewendung „von blauen Enten predigen“ war weit verbreitet und etwa Martin Luther (1483-1546) wird im Deutschen Wörterbuch der Grimms folgendermaßen zitiert: „So kömpts doch endlich dahin, das an stat des evangelii und seiner auslegung wiederumb von blaw enten gepredigt wird.“

      Daneben