Annegret Achner

Omas und ihre Enkel


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und wohnt mit Mann und zwei Söhnen Thorben (3) und Tobias (1) in Stuttgart.

       Bitte, beschreiben Sie Ihr Verhältnis zu den beiden kleinen Jungen.

      Zu Thorben habe ich ein ganz anderes Verhältnis als zu Tobias, vielleicht weil er der Ältere ist. Thorben mag mich und ich mag Thorben. Wir kennen uns mittlerweile gut. Ich habe immer viel mit ihm gespielt, wenn ich in Stuttgart war. Und er hat viel Zutrauen gewonnen. Manchmal, wenn ich komme, dann höre ich ihn schon auf der Treppe jauchzen. Dann geht mir schon das Herz auf. Nur wenn er müde ist oder es ihm schlecht geht, dann will er von Papa und Mama ins Bett gebracht werden.

      Bei dem kleinen Tobi, da muss ich diese Beziehung erst aufbauen. Seit Dezember fahre ich öfter nach Stuttgart, weil Magdalena eine Ausbildung macht. Tobi erkennt mich jetzt wieder. Er freut sich, wenn ich komme. Wenn ich mit ihm allein bin, beschäftige ich mich ausschließlich mit ihm und lasse alles andere liegen.

       Wie viel Zeit investieren Sie in die junge Familie?

      Schwierige Frage. Wenn ich komme, dann werde ich ja dringend gebraucht. Magdalena muss arbeiten oder eine Fortbildung machen oder die Kinder sind krank. Dann komm ich natürlich und helfe. Im normalen Alltag ist Thorben von 9 - 15 Uhr im Kindergarten. Ich hole ihn dann ab, spiele mit ihm bis zum Abendbrot. Der Kleine geht noch nicht in den Kindergarten. Den hüte ich den ganzen Tag. Manchmal, wenn Thorben krank ist oder die Kita zu ist, muss ich beide Kinder den ganzen Tag betreuen. Das ist sehr anstrengend.

       Wie oft fahren Sie nach Stuttgart?

      Auch das ist unterschiedlich. Magdalena macht zurzeit eine Zusatzqualifikation als Fachanwältin. Und dafür muss sie sechs Wochenenden investieren. Das heißt für mich: sechs Wochenenden plus eine ganze Woche vor jedem zweiten Wochenende, da sie für die Klausuren lernen muss. Außerdem bin ich zu den Feiertagen da und natürlich in Notsituationen, wenn die Kinder krank sind.

       Würden Sie gern nach Stuttgart ziehen?

      Nie! Ich finde, Enkelkinder zu haben ist wunderschön. Aber sie sind nicht mein Lebensinhalt. Ich habe hier in Mainz alle meine Freunde. Mir ist mein Leben hier sehr wichtig. Ich kenne in Stuttgart niemanden außer Magdalena und ihre Familie. Ich möchte hier sein in Mainz, weil ich hier meine Freunde, Bekannte und alte Kollegen habe. Weil ich hier das Leben führen kann, das ich mir in den Jahren aufgebaut habe. Ich singe aktiv im Chor. Ich mache Schreibkurse. Ich habe meine Konzertabonnements. Ich würde den Deuvel tun, nach Stuttgart zu ziehen, weil ich dort viel einsamer wäre. Ich würde Gefahr laufen, mich immer nach den Kindern richten zu müssen. Mehr als ich will. Ich müsste mich heftig abgrenzen, sonst würde ich von Magdalena ununterbrochen eingesetzt. Und außerdem muss ich ja damit rechnen, dass sie irgendwann sagen, sie müssten aus beruflichen Gründen in eine andere Stadt. Ich kann ja schlecht meinen Kindern hinterherziehen.

       Fühlen Sie sich manchmal ausgebeutet?

      Ja, wenn es zu viel wird, muss ich «stopp» sagen. Da es mir schwer fällt, «stopp» zu sagen, komme ich manchmal nach so einer Woche auch an meine Grenzen. Also, wenn ich da von morgens bis abends da bin, dann bin ich ziemlich geschafft.

      Es ist natürlich ganz unterschiedlich. Wenn ich nur ein Kind habe, ist es was anderes, als wenn ich alle beide habe. Wenn beide brüllen und ich sitze dann mit zwei brüllenden Kindern da, fällt mir manchmal auch gar nichts ein, um sie abzulenken. Ich hab dann manchmal keine Kraft mehr oder nicht mehr die Nerven wie früher.

       Haben Sie ein pädagogisches Mitspracherecht?

      Also, ich kann was sagen, wenn ich gefragt werde, dann können wir offen miteinander reden. Magdalena ist meine Tochter. Ich frage mich manchmal, wie junge Frauen mit ihren Schwiegermüttern klarkommen, wenn diese anfangen zu kritisieren.

      Wenn ich nicht gefragt werde, ist es besser, wenn ich nichts sage. Weil Magdalena - das ist unsere Kiste - immer das Gefühl hat, da ist wieder die Mutter, die es besser weiß. Und wenn ich irgendwas sage, dann reagiert sie sehr bestimmt und sagt «Du mischt dich ein!»

      Ansonsten finde ich, dass die jungen Eltern ihre Sache gut machen. Was mir unglaublich gefällt, ist, dass sie sehr konsequent sind, sehr lieb, ganz viel mit den Kindern reden, dass sie sie viel loben.

      Die Offenheit, die die Eltern den Kindern gegenüber haben, merkt man besonders bei Thorben.

       Was würden Sie sich für die Zukunft wünschen?

      Ich wünsche mir, dass das gute Verhältnis bestehen bleibt, ein guter Kontakt zu den Kindern und zu den Enkelkindern. Ich möchte aber mein eigenes Leben selbstständig leben. Einen ganzen Tag Oma zu sein, strengt mich zunehmend an. Und das in einem fremden Haushalt. Trotzdem ist es besser, die Kinder in Stuttgart zu betreuen. In ihrer vertrauten Umgebung, bei ihren Spielsachen. Meine Wohnung hier wäre auch zu klein. Doch ich lerne meine Grenzen kennen. Und das ist auch gut so. Auch ich muss lernen, mich abzugrenzen.

      Für mich ist es wichtig, gebraucht zu werden. Das ist ein schönes Gefühl. Ich brauche eine soziale Aufgabe. Ich lebe allein, habe keinen Partner, der mich braucht. Ich muss noch nicht einmal für jemanden Mittagessen kochen.

      Ich genieße es, gebraucht zu werden. Das gibt dem Leben einen Sinn. Schrecklich, wenn niemand einen braucht.

      Interview 2

       Julia W. (67), verheiratet, war Grundschullehrerin. Sie hat zwei Söhne Jan (39), Ulrich (36). Jan ist noch Single, aber Ulrich hat mit Marlene zwei Kinder: Nils (6) und Flynn (3). Alle wohnen in Hamburg.

       Als Sie Nils zum ersten Mal im Arm hatten, was haben Sie da gefühlt?

      Das war ein emotionaler Überfall. Ich muss auch sagen, ich habe geweint vor Freude. Und mächtig geknuddelt, soweit ich das durfte. Denn wir durften Nils nur in Anwesenheit der Eltern in den Arm nehmen.

       Hatten Sie das Gefühl, dieses Baby gehört auch Ihnen?

      Ja, ich denke schon. Ich merke auch heute oft, dass ich «Sohn» und «Enkel» verwechsle. Ja, ganz eindeutig. Ist auch egal, wie die Natur das geplant hat. Die Haut vom Baby ist so weich und so zart. Wenn man ein so ganz Kleines im Arm hält, da ist man hin.

      Ein Verhältnis zu Flynn aufzubauen, war wesentlich schwieriger, weil die Mutter-Kind-Beziehung im emotionalen Bereich sehr, sehr eng war. Flynn wurde fast zwei Jahre gestillt. Es war wahnsinnig schwierig, ihn mal ohne die Mutter zu erleben. Oder mit ihm von einem Zimmer zum andern zu gehen. Nach wenigen Minuten wollte er wieder zu seiner Mutter. Und das wirkte sich natürlich auch auf unsere Beziehung zu ihm aus, während uns der Ältere schon früh als zusätzliche Bezugspersonen akzeptiert hat. Beim Jüngeren mussten wir uns einen Platz erkämpfen in seinem Herzen.

       Was haben Sie für ein Verhältnis zu Ihrer Schwiegertochter?

      Ich schätze sie an vielen Stellen sehr. Ich finde, wie sie mit meinem Sohn umgeht und wie sie ihn zum Teil beeinflusst, imponiert mir schon sehr. Weil das Dinge sind, die wir nicht geschafft haben. Aber es gibt auch bestimmte Eigenschaften, die ich überhaupt nicht mag, nicht so gern mag. Aber ich halt mich da sehr zurück, weil ich fürchterliche Geschichten zwischen Schwiegertöchtern und Schwiegermütter kenne. Und die Rolle der bösen Schwiegermutter will ich nicht spielen.

       Wie sieht denn Ihr Einsatz für die Enkelkinder aus?

      Als Nils noch nicht zur Schule gegangen ist und Einzelkind war, da haben wir ihn vom Kindergarten abgeholt. Der Weg war sehr weit. Eine gute Stunde sind wir mit dem Auto gefahren. Wir mussten dann natürlich Kaspertheater spielen an den Ampeln. Am Wochenende haben wir den Spaziergang so gelegt, dass wir bei den Kindern vorbeigehen konnten. Wir haben den Kinderwagen geschnappt und sind mit dem Baby noch ein wenig spazieren gegangen. Einen Tag in der Woche haben wir uns immer gegönnt mit dem Kind. Und den haben wir sehr genossen.

      Ulrich und Marlene wohnen mittlerweile in der Nähe, und so können wir die Kleinen abends