Mag. Abdel Rahman Al Machtouly

Der Fundamentalismus seine Entstehung und Gefahren.


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europäischen Kultur mehr Toleranz und Verständnis zu erreichen.

      1.1. Bedeutung und Ziele des sogenannten islamischen Fundamentalismus

      Der Begriff „Fundamentalismus“ bedeutet im allgemeinen ein Zurückgreifen auf die Fundamente, die bei vielen Menschen durch unterschiedliche Lebensstile und Entwürfe, eigene Ideen, weltanschauliche, politische oder religiöse Systeme erprobt und auf ihre Brauchbarkeit für das eigene Leben überprüft worden sind.

      Das zeigt uns, wie wichtig es ist, ein Fundament zu haben, etwas Festes, an das man sich halten, auf das man bauen kann. Die Suche nach alten Fundamenten, die nicht menschenfeindlich sind, ist etwas Positives, denn solange ich suche, bin ich offen für Neues.( Hubertus Mynarek: Denkverbot „Fundamentalismus in Christentum und Islam“; München 1992; S. 22)

      Dieses Suchen ist für die Menschen sinnvoll, weil es zu einer Erweiterung ihrer Lebensanschauung und Vertiefung ihres Bewußtseins führt.

      Der Fundamentalismus im engeren Sinn beginnt dann, wenn man vorschnell bei einer Einsicht, einer Überzeugung oder einem Weltbild stehenbleibt und dieses für ewig unerschütterlich und unveränderlich hält.( Ebenda)

      Der Begriff Fundamentalismus stammt aus der innerchristlichen Auseinandersetzung in den USA im 19. und 20. Jahrhundert.( Jäggi, Christian / Krieger, David: Fundamentalismus, ein Phänomen der Gegenwart; Zürich 1991; S. 19)

      Am Beginn des 20. Jahrhunderts kam es in den protestantischen Kirchen der USA zu einer evangeliaren Erweck-

      ungsbewegung, mit dem Versuch, eine Theologie und Lebensführung zu praktizieren, die sich streng an die empfundenen Fundamente der christlich-protestantischen Religion halten wollte, ebenfalls in der Hoffnung und subjektiven Gewißheit, daß eine solche Lebensführung das Heil für den einzelnen und seine Gemeinschaft bringe.(Ebenda)

      Der Fundamentalismus existiert in allen monotheistischen Religionen, wie z.B. die Heile-Welt-Ideologie der neuen christlichen Fundamentalisten der USA, welche den Patriotismus, die strenge Moral, den Antikommunismus, das Schulgebet, die Ablehnung von Verfassungsbestimmungen über die Gleichberechtigung von Mann und Frau, das Verbot des Schwangerschaftsabbruchs und die Abschaffung der sexuellen Aufklärung in der Schule propagieren.( Vgl. Jäggi, Christian / Krieger, David; Fundamentalismus, ein Phäno-men der Gegenwart; Zürich 1991; S. 10)

      Die Ähnlichkeit zwischen dem christlichen und islamischen Fundamentalismus liegt darin, daß beide ihre Ideologie darauf aufbauen, daß sie sich an die als solche verstandenen Fundamente ihrer Religion halten wollen und den Glauben hegen, die genaue Befolgung der in diesen Fundamenten enthaltenen Vorschriften sowie der wortwörtlich exakte Glaube an die in ihnen gegebenen Glaubenssätze würden das Heil bringen.( Hottinger, Arnold: a.a.O.; S. 7)

      Genauso agieren die jüdisch-fundamentalistischen Gruppen wie z.B. die „Gush Emunim – Aktivisten“ und „Rabbi Kahane“, der bei einer Beerdigung von Opfern eines palästinensischen Terroranschlages öffentliche Rache predigte. Er sagte dabei wörtlich, daß „alle Nicht-Juden in Israel mit dem berühmten biblischen Feind, den Amalekiten, gleichzusetzen und durch die von Gott Erwählten zu dezimieren seien“.( Jäggi, Christian / Krieger, David; a.a.O.; S. 13)

      Weiters möchte ich den Begriff Fundamentalismus aus den unterschiedlichen islamischen und europäischen Perspektiven darstellen, wie etwa aus der Sicht des ägyptischen Politologen Refat el Said der meint, daß jede Art von Fundamentalismus eine radikale Antwort auf eine als bedrohlich empfundene, existentielle Verunsicherung ist.( ASFUR, Mohammas: al-Islam assiyasi wa al-Irhab; Kairo 1995; S. 23-28) Diese resultiert aus der Unfähigkeit eines bestehenden sozialpoliti-

      schen Systems, Sinn, Identität, Motivation, Orientierung, Geborgenheit, Lebenswärme und Heimat zu vermitteln. Deshalb ist die Fundamentalismusfrage primär eine Systemfrage.(Ebenda) Und jeder Fundamentalismus ist radikal, insofern er sich vermeintlich zu den Wurzeln hinabgräbt, zu einem theoretischen Anfang, den er verabsolutiert und als einzig tragfähiges Fundament menschlicher Existenz anbietet. Diese Verabsolutierung, die von einer Erlösungshoffnung geleitet ist und die Condition humaine aufheben möchte, hat auch die Funktion einer Immunisierung des Ursprung-Fundaments gegen jedes kritische Denken.(Ebenda)

      Aus der Sicht des Politologen Tibi ist der islamische Fundamentalismus nicht homo religiosus, sondern politische

      Ideologie und eine Aktivität, der durch den Rückgriff auf die Religion Millionen von verzweifelten Menschen in einer desperaten Situation mobilisieren kann.( Bassam, Tibi: Der Islam und die Weltpolitik; München 1992; S. 11)

      Tibi meint, daß der Islam die Zivilisation einer monotheistischen Religion und zugleich das kulturelle System von 1,2 Milliarden Menschen ist. Es besteht kein Widerspruch darin, für einen Dialog mit dem Islam einzutreten und gleichzeitig vor den Bestrebungen der Fundamentalisten zu warnen. Denn es sind unterschiedliche Gegenstände, die nicht miteinander identisch sind.

      In der arabischen Literatur wird der Begriff „Alusuliyya“ mit dem westlichen Begriff Fundamentalismus gleichgesetzt. Alusuliyya ist für die Muslime im allgemeinen die Sprache des Islam, damit ist gemeint, daß die islamischen Vorschriften beachtet und angewendet werden, aber die spezifi-

      sche Bedeutung dieses Wortes im Islam wird als „din wa daula“ (Religion und Staat) definiert. Damit ist gemeint, daß alle Lebensbereiche politisch, sozial und wirtschaftlich für die Muslime im absoluten Einklang mit den religiösen Vorschriften des Islam stehen.(Ebenda)

      In der vorliegenden Arbeit wird sehr häufig der Begriff Islamischer Fundamentalismus verwendet und an wenigen Stellen der Ausdruck Islamismus eingesetzt. Obwohl in der Realität Islamischer Fundamentalismus oder Islamismus das gleiche Ziel haben, nämlich die Umwandlung der Religion in eine Ideologie nur mit dem Unterschied, daß der Fundamentalismus bei der Umsetzung seiner Ziele Gewalt und Terrorismus anwendet.

      Denn Religion betrifft in erster Linie das Verhältnis des Einzelnen oder der Gemeinschaft zu Gott.(Hottinger, Arnold: Islamischer Fundamentalismus; München 1993; S. 7)

      Eine Ideologie ist ein Ideengebäude, von dem seine Propagatoren erwarten, daß ihre Anhänger glauben, daß diese Ideologie ihrer Gemeinschaft zum besseren und erfolgreicheren Leben auf dieser Erde verhelfe.(Ebenda) ABDEL HADI BOUTALEB meint, Moslems of course are conscious of their religion´s tolerance. They know that certain negative manifestations are not imputable to Islam but only to certain Moslems.(In Publications de l’Academie du Royanne du Maroc; 11-1994; S. 104)

      Ist der Fundamentalismus nun der Glaube an die absolute Autorität eines Textes? Das ist eine plausible Definition, da die Muslime an die absolute Wahrheit ihrer Schriftenoffenbarung glauben.(Ebenda)

      Das ist kein Hindernis, das Problem liegt vielmehr darin, daß die Vertreter der fundamentalistischen Bewegung eigene Interpretationen der islamischen Offenbarung dahin entwickelt haben, daß sie ihre politischen Forderungen und persönlichen Machtziele erreichen können.

      Eine dieser politischen Forderungen ist die Entwicklung des al- Nizam al islami (islamisches System). Das zeigt uns, daß die politische Entwicklung der fundamentalistischen Bewegung seit den 70er Jahren eine völlig neue Erscheinung ist, nämlich das aus der islamischen Religion versucht wird, ein islamisches System zu entwickeln. Somit ist ein Charakteristikum des Fundamentalismus im Islam deutlich geworden. Ich kann dieses Charakteristikum durch die Gedanken und Äußerungen bestimmter Gruppierungen auf folgende Weise verdeutlichen. Die Gruppe „Takfir wa Hidjra“ in Ägypten versucht die Menschen in Schrecken zu versetzen, um ihre latenten Machtziele und ihr eigenes, angeblich islamisches, System zu realisieren. Dieser Typus von Menschen versucht durch eigene Interpretationen aus dem heiligen Text ihre Forderungen und ihre Ziele glaubwürdig zu machen, damit sie sich politisch effizient durchsetzen können. Es ist ihnen wahrscheinlich nicht klar, daß sie