Klaus Perschke

Seefahrt in den 1960-70er Jahren auf Bananenjägern und anderen Schiffen


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gebracht. Anschließend löste er einen Kameraden mit Nervenzusammenbruch ab, der ähnliches wie er durchlebt hatte. Natürlich bekam er eine neue Crew. Sein nächstes Boot lag in der Nähe von Bremen in einen U-Boots-Bunker, wo es überholt und repariert worden war. Nachdem sein neues Boot wieder einsatzbereit, also mit Brennstoff, Proviant, Torpedos und Besatzung ausgerüstet, war, ging es bei Nacht und Nebel aus dem Bunker Weser abwärts an Bremerhaven vorbei, im getauchten Zustand außerhalb der Minenfelder hindurch in die Deutsche Bucht und nordwärts durch die Nordsee. Vorbei an „Merry Old Englands“ Ostküste, weiter nordwärts vorbei an den Orkney-Islands, vorbei an den Shetlands, und nördlich von diesen umrundete er mit seinem Boot in sicherem Abstand die Shetlands mit Westkurs hinein in den Atlantischen Ozean. Von hier aus wieder mit weiten Abstand zu Irland auf Süd-Süd-West-Kurs in Richtung Cabo de Sao Vincente, und von dort ein zweites Mal zur Einfahrt der Straße von Gibraltar. Dieses Mal sollte der Durchbruch unter allen Umständen gelingen, denn sein Halbgott, Admiral Dönitz, bestand immer noch auf dem heimtückischen Einsatz im Mittelmeer, um den Feind, also die britischen Zerstörer, welche die deutschen Nachschubschiffe für Rommel von Italien nach Nordafrika empfindlich störten, abzulenken, anzugreifen und zu versenken.

      Wieder gelang es Kapitän Melzer unbemerkt, wie er irrtümlicherweise annahm, unter Ausnutzung der Nähe zur marokkanischen Küste, im getauchten Zustand die Einfahrt der Straße von Gibraltar zu erreichen. Aber im entscheidenden Moment wurde der Durchbruch von den Briten doch noch entdeckt. Kapitän Melzers Boot wurde wieder wie beim ersten Durchbruchversuch von den Zerstörern geortet und unbarmherzig mit Wasserbomben eingedeckt. Er konnte ihnen nicht mehr ausweichen, der Wassereinbruch war nicht zu verhindern, Kapitän Melzer steuerte das Boot auch diese Mal verzweifelt mit voller Kraft der E-Motoren auf die marokkanische Küste zu, wo er es auch dieses Mal bei knapp 12 Metern Tiefe aufsetzen konnte und er und seine ganze Besatzung wieder mit Hilfe von Rettungstauchern aussteigen und auftauchen musste. Er hatte großes Glück und auch dieses Mal keinen Mann verloren.

      Sie wurden wieder von den Spaniern an Land eingesammelt und nach Tanger gebracht. Ich nehme an, dass Admiral Dönitz auch dieses Mal laut geflucht hatte, als sich Kapitän Melzer telefonisch aus Tanger über Madrid in Berlin meldete und er ihm seine Versenkung meldete. Die Rückführung erfolgte per Flugzeug über Madrid nach Berlin, alle wurden sie wie klägliche Versager empfangen und mussten vor einen Kriegsmarine-Untersuchungsausschuss Bericht erstatten. Kapitän Melzer wurde als unfähiger Kommandant disqualifiziert und verschwand zu seinem Glück als Hafenkommandant in einem kleinen Hafen an der französischen Kanalküste. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits „die Schnauze gestrichen voll von der glorreichen U-Boot-Waffe der deutschen Kriegsmarine und ihrem obersten Chef Admiral Dönitz!

      Das hatte mir Kapitän Melzer persönlich anvertraut. Der Auslöser dieses Gesprächs war meinerseits die Erwähnung, dass auch mein Vater damals in der Reichsmarine diente, allerdings nur als „Oberzahlmeister“, und er während des Krieges in „Boulogne-sur-Mer“ (französische Kanalküste gegenüber von Dover) in der Marineverwaltung als „Silberling“ seinen „Dienst für den Führer“ ableistete. Kapitän Melzer lachte verächtlich, denn er hasste alle „Silberlinge“ der Kriegsmarine. „Alles Drückeberger, keiner von ihnen war je an der Front in einen Kampf mit dem Feind verwickelt, alles Schlawiner, deshalb trugen sie ja auch „Silber“ statt „Gold“, die Herren „Überlebenskünstler!“ Ich musste ihm voll recht geben, daraufhin erzählte er mir oben auf der Brücke unter vier Augen seine Geschichte über seine erlebten Kriegserfahrungen. Er hasste den Krieg, er hasste Dönitz und seinen Stab in Berlin und alle Dönitzlakaien, die nur stramm standen und „Heil mein Führer“ stammeln konnten. Trotzdem, Herr Dönitz hatte ihn nie vergessen: Als die Bundesmarine in den 1950ziger Jahren wieder gegründet wurde, und die ersten U-Boote in Dienst gestellt wurden, meldete sich Herr Dönitz persönlich bei ihm und bot ihm eine Stelle als Kapitän zur See an. Kapitän Melzer lehnte das Angebot empört ab.

      Unsere restliche Brückencrew

      Entschuldigen Sie meinen Exkurs, lieber Leser, ich wollte Ihnen auf jeden Fall zunächst nur Kapitän Melzer vorstellen. Ein weißhaariger Mann, seine schneeweißen Haare hatte er wahrscheinlich den hautnahen Erlebnissen durch die Versenkung seiner U-Boote zu verdan-ken. Kapitän Melzer war ansonsten ein schweigsamer Mensch, er gab seine Befehle in ruhiger Tonlage. Er war der King, und er war ein entschlossener Navigator, was ich Ihnen noch beweisen werde. Übrigens, die Reederei Willi Bruns hatte 1964 vier ehemalige U-Boots-Kommandanten im festen Angestelltenverhältnis. Je drei waren an Bord eines neuen Kühlschiffes untergekommen, der vierte war der Reedereiinspektor Kapitän Körner. Alle vier kannten sich von den Kriegsjahren her. Offenbar hatte Willi Bruns ein Faible für ehemalige U-Boots-Kommandanten, die den U-Bootskrieg heil überlebt hatten.

      Entschuldigen Sie meinen Exkurs, lieber Leser, ich wollte Ihnen auf jeden Fall zunächst nur Kapitän Melzer vorstellen. Ein weißhaariger Mann, seine schneeweißen Haare hatte er wahrscheinlich den hautnahen Erlebnissen durch die Versenkung seiner U-Boote zu verdanken. Kapitän Melzer war ansonsten ein schweigsamer Mensch, er gab seine Befehle in ruhiger Tonlage. Er war der King, und er war ein entschlossener Navigator, was ich Ihnen noch beweisen werde. Übrigens, die Reederei Willi Bruns hatte 1964 vier ehemalige U-Boots-Kommandanten im festen Angestelltenverhältnis. Je drei waren an Bord eines neuen Kühlschiffes untergekommen, der vierte war der Reedereiinspektor Kapitän Körner. Alle vier kannten sich von den Kriegsjahren her. Offenbar hatte Willi Bruns ein Faible für ehemalige U-Boots-Kommandanten, die den U-Bootskrieg heil überlebt hatten.

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      Die Brückenoffiziere auf „BRUNSKOOG“

      Als vorletzter ist noch der Dritte Offizier Hagenah aus Otterndorf bei Cuxhaven zu erwähnen. Ein lustiger Kerl, der gerade sein nautisches Patent „Seesteuermann auf Großer Fahrt“ (A5) gemacht hatte. Ein sehr sympathischer Mitstreiter, er war natürlich ein paar Jahre jünger als ich. Er passte gut in unsere Brückencrew. Er kam aus einer „Klütenewer“-Familie, seine Eltern hatten ein eigenes älteres Küstenmotorschiff von ca. 200 BRT von Anno Tobak. Weiterhin war er der jüngste von sechs Kindern, er hatte noch fünf ältere Schwestern, die alle Lehrerinnen geworden waren! Er hatte als Jüngster keinen guten Stand im Weiberhaushalt seiner Eltern, weil er ewig von seinen Schwestern eins auf die Mütze bekam.

      Der letzte unserer Brückencrew war der Funkoffizier. Name leider vergessen. Wir nannten ihn alle nur „Sparkie“. Bevor Sparkie zu uns kam, war er bei der Bundesmarine, wo man ihn zum Funker ausgebildet hatte. Offenbar war er ein guter „Tastenfunker“, denn er konnte wie im Schlaf 150 Funksignale pro Minute senden und desgleichen aufnehmen. Was er aber leider nicht wusste, war, dass Kapitän Melzer zum Zeitpunkt unseres Zusammenseins an Bord der „BRUNSKOOG“ auch die Fähigkeit besaß, sowohl 150 Funksignale aufzunehmen als auch zu senden. Das hatte man ihm damals bei der Kriegsmarine beigebracht, und mit dieser Fähigkeit überwachte er unter anderen „Sparkies“ Funkverkehr. Der Grund war, wie sich später herausstellte, dass Sparkie nebenbei per Funkverkehr „sein Abitur über ein Fernstudium nachmachen wollte“ und dabei öfters diverse Aufnahmen von Wetterberichten von Norddeich Radio verpasste. Ich werde Ihnen, lieber Leser, noch eine passende Story zu diesen Thema nachtragen.

      Über unsere Maschinencrew weiß ich heute nicht mehr viel. Ich weiß nur, dass der Chiefingenieur ein ziemlich korpulenter und hochintelligenter Mann war, der seinen Maschinenbetrieb und seine Kellerkinder voll im Griff hatte.

      In der Zeit vom 1. bis zum 10. März waren wir an Land in einer werfteigenen Pension untergebracht, da die Kabinen noch nicht bezugsfertig waren. In der Nacht vom 10. auf den 11. März übernachteten wir das erste Mal an Bord, eigentlich war das eine Zumutung von Seiten der Reederei. Die Kabinen wurden tagsüber durch die Klimaanlage ohne Luftbefeuchtung beheizt. Dagegen war nichts einzuwenden. Doch über Nacht wurde die Klimaanlage werftseitig abgeschaltet, und es wurde sehr, sehr kalt in allen Kabinen. Alle Kollegen und ich hatten die ganze Nacht wie Espenlaub geklappert. Morgens am 11. März um 06:00 Uhr mussten wir aufstehen, denn um 07:00 Uhr fand bereits die Werftprobefahrt der „BRUNSKOOG“ seitens der Werftleitung statt. Wir, die Besatzung, hatten noch nichts zu melden an Bord.

      Es