näherkommend, bis sie endlich ihren Lebensretter sah. Die Biene kreiste über der vor Aufregung zitternden Blume. Ihr verführerischer Duft wehte dem Bienchen aber schon um die Nase herum und sie hielt nur noch Ausschau nach eventuell vorhandenen Feinden.
Endlich, nach fast einer Ewigkeit begab sie sich in das Innere der Blüte und begann das süße, köstlich schmeckende Fruchtfleisch zu sammeln, aus dem dann irgendwann Honig entstehen würde.
Die Tulpe war im siebenten Himmel und hatte vor Glück und Geborgenheit alle Blütenblätter leicht geschlossen, damit dem kleinen Bienchen auch ja nichts geschehen konnte. Die wiederum tobte in der Blüte umher und summte und pumpte und zirpte, daß man es wohl noch in einiger Entfernung hören mußte. Mit einem ungeheueren Kraftakt gelang es der Tulpe die Blüte gerade auf dem Stiel zu halten, auch wenn sie sich, hervorgerufen durch das wilde Treiben in ihrem Inneren, fast den Hals gebrochen hätte.
Aber es ging alles gut und nach ein paar Minuten war die kleine Biene so groß und stark, dass ihr Abflug erst beim zweiten Anlauf gelang. Die Tulpe aber vergaß diesen Tag nie und verbrachte noch viele schöne Tage auf der Wiese, bis zu dem Tag, als sie ein kleiner Junge abpflückte und zu Hause in eine Vase stellte. Das war zwar schön anzuschauen, aber nur wenige Tage und die herrliche Blütenpracht näherte sich dem Ende.
Die Tulpe verschwand zwar auf dem Müll, aber ihre Seele lebte weiter unter der saftig grünen Wiese und ein Jahr später, wieder zur Frühlingszeit, erstrahlte sie erneut im schönsten Gelb und erfreute viele Tausend Menschen die vorbeizogen, um sich an ihr zu erfreuen und ganze Bienenschwärme besuchten sie und verkrochen sich in ihrem Inneren.
Die Eisblumen
Draußen war es bitterkalt. Der Wind heulte durch die stockdunkle Nacht und schüttelte am Haus, dass die Fensterscheiben zu zittern und vibrieren begannen. Ich drückte mein kleines Näschen ganz dicht an die eiskalte Scheibe und versuchte in der unendlich weiten Dunkelheit etwas zu erkennen.
Ich erreichte aber genau das Gegenteil. Je dichter ich mich der Scheibe näherte, umso verschwommener wurden die Umrisse. Ich versuchte mit meiner kleinen Hand die beschlagene Scheibe zu reinigen. Sie war so kalt, dass ich für Sekunden glaubte, daran festzukleben.
Je mehr ich an der Scheibe rieb, desto weniger war zu erkennen! Ich bemerkte ganz erschrocken, dass mein heißer Atem an der eiskalten Scheibe sofort zu Eis erstarrte. Ich konnte mir das Phänomen nicht erklären und versuchte immer von neuem das Eis zu entfernen, das aber offensichtlich durch meine Bemühungen immer dicker wurde.
Ich trat einen Schritt zurück und erblickte die tollsten bizarren Gemälde an der Fensterscheibe. Ich glaubte in den Eisgemälden bekannte Gesichter und wilde Tiere zu erkennen. Ich versuchte ein Bärengesicht noch mit Augen, Mund und Nase zu vervollkommnen. Dabei stellte ich mit Entsetzen fest, dass durch derartige Bemühungen aus meinem Eisbär eine neue Figur entstand, die eher Ähnlichkeit mit einem Affen besaß.
Ich hauchte und malte immer neue Eisfiguren auf die Fensterscheibe und merkte dabei gar nicht wie die Zeit verging. Meine Händchen waren vor Kälte fast erstarrt.
Erst der Ruf meiner Mutter riß mich aus allen Träumen. Es war Abendessenszeit.
Ich saß ziemlich still am Tisch und versuchte nur von Zeit zu Zeit meine fast erfrorenen Fingerchen durch Aneinanderreiben wieder zu erwärmen und gefügig zu machen.
Nach dem Essen schlich ich mich wieder an mein Fenster, zog die Gardine beiseite und sah... nichts!
Meine wunderschönen Gemälde ... wie von Geisterhand verschwunden! Das konnte doch nicht mit rechten Dingen zugegangen sein! Ich hauchte an der Scheibe und rieb wie ein Besessener, aber die Scheibe beschlug zwar kurz, aber erstarrte trotz intensivster Bemühungen nicht zu Eis.
„Ich habe die Heizung etwas höher gestellt“, hörte ich meinen Vater in der Tür lachen, „damit du nicht erfrierst!“
Ich fühlte mich ertappt und wußte nicht ob ich nun weinen oder lachen sollte? Ich entschied mich für Letzteres!
Damit wußte ich nun zwar, daß mit wärmer gestellter Heizung keine Eisfiguren mehr entstehen, aber ich hatte dadurch eine Beschäftigung verloren, die schöner war als puzzeln oder Bilder angucken. Dafür war ich aber nun um ein Vielfaches schlauer und imponierte mit meinem neuen Wissen sogar meiner Oma,
als ich ihr völlig unerwartet auf einer Geburtstagsfeier entgegenschleuderte:
„Oma du mußt die Heizung höherstellen, an deinen Fenstern kann man Eisblumen malen.“ Mit dieser vorlauten Bemerkung hatte ich nicht nur alle Lacher auf meiner Seite, ich vernahm darüber hinaus sehr viel Lob aus der Runde, wie klug ich doch sei. Trotz all des Lobes sah ich noch das Augenzwinkern
eines Vaters und lachte einfach mit.
Weihnachtszeit
Auf dem großen, bunten Kalender meiner Eltern stand Dezember! Dieses Wort konnte ich, obwohl ich noch nicht in die Schule ging, schon einwandfrei lesen. Daneben hing, für mich ohne fremde Hilfe nicht erreichbar, ein weiterer Kalender, der nur im Dezember dort hing. Er hatte 24 Türen und hinter jeder dieser Türen verbarg sich eine köstliche Süßigkeit. Morgens, unmittelbar nach dem aufwachen, führte mich mein erster Weg dorthin und mit vor Aufregung weit geöffneten Augen wartete ich darauf, daß meine Mutter den Kalender vom Haken nahm und ich das nächste Fensterchen öffnen konnte. Mit zitternden Händen nahm ich dann die leckere Schokolade heraus und wie von Geisterhand geführt verschwand das Stückchen in meinem Mund. Danach mußte ich einen ganzen, langen und trostlosen Tag warten bis das nächste Fenster geöffnet werden durfte. Dieser Vorgang wiederholte sich Tag für Tag, bis die 24 an der Reihe war! Dieses Fenster war etwas Besonderes! Nicht nur das die Schokolade übermäßig groß und lecker war, es begann ein riesig aufregender Tag mit vielen Überraschungen und prickelnder Spannung! Die Erwachsenen nannten diesen Tag Heiligabend, obwohl es nicht nur Abend war! Wie alle Tage zuvor teilten sich die nächsten Stunden in Morgen, Mittag und Abend. Dennoch hieß der Tag Heiligabend! Mir bedeutete der heilige Abend noch nichts, weil ich noch zu klein war und die Geschichte von der Geburt des Jesuskindchens erst viel später begriff. Für mich war dieser Tag trotzdem etwas ganz Besonderes. Obwohl ich gar keinen Geburtstag hatte, erhielt ich an diesem Tag immer eine Unmenge von Geschenken, und was das Tolle daran war, es handelte sich immer um Dinge, die ich mir im Laufe des Jahres gewünscht hatte! Das war aber noch nicht alles! Die Geschenke brachte ein fremder Mann, der sich Weihnachtsmann nannte. Er trug einen langen roten, mit Pelz abgesetzten Mantel und eine lustige rote Zipfelmütze. Sein Gesicht konnte man auch nicht richtig erkennen, denn das wurde von einem riesigen weißen Rauschebart verdeckt! Über die eine Schulter hatte er lässig einen prall gefüllten Sack gehängt, den er mit einer Hand krampfhaft festhielt. In der anderen Hand trug er meistens eine Rute, für die unartigen Kinder, die er aber bei mir nie benötigte.
Dann kam das für mich Unglaubliche! Er wußte alles was ich im Laufe des Jahres getan hatte! Ob Gutes oder Böses, er wußte es! Es stand in einem großen goldenen Buch, das er dem großen Sack entnahm. Er wußte meinen Namen und zählte mit erhobenem Zeigefinger alle meine Schandtaten auf!
Er wußte, daß ich manchmal nichts essen wollte, zuviel Süßigkeiten naschte, abends oft nicht ins Bettchen wollte, manchmal, wie er sagte, ohne Grund mit meinen Eltern schmollte und manchmal gar meine Freunde schlug, wenn es nicht nach meinem Köpfchen ging.
Ich folgte seinen Ausführungen mit hochrotem Kopf, eingezogenen Schultern und vor Aufregung glühenden Wangen!
Doch dann, für mich kleinen Pimpf nach einer Ewigkeit, kam das Gute. Er wußte genau, daß ich ganz lieb mit meinem kleinen Bruder war und ihn gegen alle Angriffe von Fremden verteidigte, daß ich Schokolade mit ihm teilte, daß ich meinen Eltern beim Aufräumen, Saubermachen und Kochen half, daß ich meine Anziehsachen schön und ordentlich über einen Stuhl hing, bevor ich das Nachtgewand anzog, daß ich das Kinderzimmer immer, manchmal auch mit murren und schmollen, aufräumte und daß ich immer mit großer Aufmerksamkeit zuhörte wenn meine Eltern mir etwas erklärten.
Schließlich