Angelika Nickel

Rück


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Sternschnuppe schwebte ein unsichtbarer Regenschirm, der den Dreien Schutz vor dem Regen bot, so dass sie nicht nass wurden, noch Gefahr liefen, sich zu erkälten.

      Ihr Flug dauerte an, zumal sie auch noch Zwischenstation machen mussten, da der Ort, zu welchem sie mussten, weit weg lag.

      Als sie die Hälfte des Flugs zurückgelegt hatten, steuerte Sternschnuppe zur Himmelspforte hin.

      »Musst du pausieren, Sternchen?«, fragte Tannbaum, wobei er sich zurücklehnte, mit dem Rücken an einen ihrer schützenden Sterne angelehnt.

      »Es ist besser, wenn wir Rast machen«, antwortete sie. »Außerdem ist es sicherer, wenn Rück sich noch etwas stärkt.«

      Der alte Mann nickte. »Die Liebe und Wärme, die hinter der Himmelspforte vorherrschen, Rück, Sternchen hat völlig Recht, du musst davon einsaugen und so viel als möglich, zur dir nehmen. Unsere Mission wird schwierig werden, dieses Mal«, sagte er zu dem Hund, der vor ihm auf dem Rücken Sternschnuppes kauerte.

      Das Tier hob den Kopf. Es wusste, dass die Himmelspforte ein wichtiger Platz für ihn war. Immer dann, wenn sie sich einer schwierigen Aufgabe gegenübersahen.

      »Hallo, Rübe«, rief das Mädchen dem Elf zu, der gelangweilt an die Mauer der Himmelspforte gelehnt stand, und noch gelangweilter an seiner Zuckerstange leckte.

      Der Elf schaute auf, und hob die Hand zum Gruß. »Ihr Drei, auch schon wieder da. Und das zur Weihnachtszeit«, wunderte er sich.

      Sternschnuppe nickte. »Du weißt doch, dass selbst Weihnachten, nicht davor schützt, gequält zu werden«, antwortete sie traurig.

      »Ja, ja, ich weiß.« Der Elf machte sich an dem großen Tor zu schaffen. »Geht nur rein. Müsst nur aufpassen, die Wichtel sind noch damit beschäftigt, dem Weihnachtsmann die Geschenke auf den Schlitten zu packen«, warnte er sie, bevor er das Tor weit öffnete.

      »Dich hat es dieses Jahr wieder zur Torwache getroffen, was Rübe«, sprach Tannbaum das Kerlchen an, als sie durchs Tor hindurchflogen.

      Der Elf nickte, dabei schaute er traurig zu Tannbaum hin. »Leider«, antwortete er mit tränenerstickter Stimme. Er zog die Nase hoch, und wischte sie sich mit der Mützentrottel ab. »Dabei hätte ich viel lieber den anderen beim Geschenkerichten geholfen.«

      Der alte Mann lächelte nachsichtig. »Lass den Kopf nicht hängen. Vielleicht bist du das nächste Jahr beim Richten mit dabei.«

      Doch der Elf schüttelte ungläubig den Kopf. »Nein, das glaube ich nicht. Seit ich vor einigen Jahren ein Geschenk verloren habe, das dann irgendwo bei den Menschen in einem verwilderten Vorgarten gelandet und zudem auch noch abhanden gekommen ist, seit der Zeit lässt mich Santa Claus keine Geschenke mehr verteilen helfen. Er meint, dass ich noch nicht reif genug für solch eine verantwortungsbewusste Aufgabe bin.«

      »Was soll das denn. Willst du mir weismachen, dass das, was du jetzt machst, etwa nicht verantwortungsvoll ist?«, fragte das Mädchen dazwischen. »Immerhin bewachst du die Himmelspforte. Und hier darf nicht jeder rein!«

      »Klar«, sagte der Elf, »aber es wissen ja auch nicht viele von diesem Ort«, seufzte er.

      »Sicher nicht. Trotzdem musst du aufpassen, dass du niemanden Falschen durchs Tor lässt.« Sternchen beugte sich zu einem ihrer Füße und zog einen winzigen Stern von ihrer Ferse und hielt sie dem Elf hin. »Nimm, Rübe. Frohe Weihnachten, und dass deine Wünsche in Erfüllung gehen mögen.«

      In die Augen des Elfs zog ein Strahlen ein. »Für mich?«, fragte er erstaunt. »Vielen Dank, Sternschnuppe«, freute er sich, wusste er doch, dass ein Stern von einer Sternschnuppe, und mochte, er auch noch so winzig sein, Wünsche in Erfüllung gehen ließ. In Gedanken sah er sich schon in der darauffolgenden Weihnachtszeit, und wie er damit beschäftigt war, dem Weihnachtsmann seinen Schlitten mit den tollen Geschenken zu bepacken. Und er sah all die kleinen Wichtelmädchen, die damit beschäftigt waren, immer weiter neue Geschenke einzupacken, und sie ihm über die Geschenkerutsche zuzuwerfen.

      Sternschnuppe winkte dem Elf nochmals zu. Zusammen flogen die Drei zur Himmelschenke hin, während Rübe damit beschäftigt war, das schwere Tor hinter ihnen, wieder zu schließen. Dabei quietschte es verdächtig laut, und unten auf der Erde, bei den Menschen, hörte es sich danach an, als würde Donner durch die weihnachtlichen Nachtwolken grollen.

      4 – Hinter der Himmelspforte

      Rück sprang von Sternschnuppes Rücken. Auch der alte Mann stieg ab. Gemeinsam liefen die Drei auf eine dicke Wolke zu, die nahe vor ihnen hin und her schwebte.

      »Hallo, Wölkchen. Bist du so lieb und schwebst uns zur Himmelsschenke hin?«, bat das Mädchen und tapste mit ihren nackten Füßen auf die dichte Wolke zu.

      Die Wolke ließ sich vor ihnen ab, so dass alle drei auf ihr Platz nehmen konnten.

      Tannbaum hielt Rück mit den Händen fest, während Sternschnuppe ihre Hände in der Wolke vergrub. Kaum dass sie sicher aufsaßen, schwebte die Wolke auch schon mit ihnen davon. Vor ihr öffnete der Boden sich. Lautes Lachen und Gekicher drang zu ihnen herauf, während die Wolke nach unten sauste und der Boden sich über ihnen wieder verschloss.

      Der Weg nach unten ging steil bergab, doch das wussten die Drei. Immerhin war es nicht das erste Mal, dass sie bei der Himmelsschenke einkehrten, um sich für ihre Mission zu stärken.

      Das Licht wurde immer heller. Weihnachtlicher Glanz umgab sie.

      Die Wolke ließ sie nahe dem Tresen ab, vor dem bereits einige Wichtel auf hohen Hockern saßen und sich mit Weihnachtsbrei vollstopften. Einigen von ihnen tropfte der Brei am Kinn entlang. Wieder andere schoben sich den Brei mit den Fingern in den Mund.

      »Wie oft, muss ich euch noch sagen, dass ihr manierlich essen sollt?«, donnerte die Stimme einer dicken Wichtelfrau den Kleinen entgegen.

      Verschreckt senkten sie den Blick, dennoch hörten sie nicht damit auf, sich den Brei mit den Fingern weiter in den Mund zu schieben.

      »Wichtel sind das. Keine Manieren haben die mehr, heutzutage! Und das auch noch im Weihnachtsland. Schlimm, schlimm ist das«, schimpfte die Frau. Als sie Tannbaum am Tresen gelehnt sah, kam sie zu ihm herüber. »Du schon wieder? Sag nicht, dass ihr auch an Weihnachten ein Kind zu erlösen habt«, wunderte sie sich, die Drei in der Himmelsschenke zu sehen.

      »Du weißt doch, dass die Zeit vor nichts Halt macht«, antwortete der alte Mann, und zeigte auf Rück. »Es ist wichtig für ihn, dass er seine Reserven nochmals mit Liebe und Frieden auftankt.«

      Die Wichtelfrau quetschte sich über den Tresen und schaute zu dem Tier hinunter. »Meine Güte, wie sieht der denn aus!«, erschrak sie sich, als sie das Tier betrachtete. »Das muss aber ein schlimmer Fall sein, den ihr dieses Mal zu lösen habt.« Sie wusste, da sie die Drei schon oft in der Himmelsschenke bewirtet hatte, dass das Leid ihrer Aufgabe, sich am Körper des Tieres zeigte. Und heute sah Rück schlimm aus. Richtig mitleiderregend.

      Eilig hetzte sie um den Tresen herum und beugte sich zu dem Tier hinunter. »Rück, alter Knabe, du brauchst viel Kraft, so wie du heute aussiehst«, sagte sie und legte beide Hände um den Hals des Hundes.

      Tannbaum freute sich, dass alleine ihre Berührung schon half, Rück besser aussehen zu lassen; auch wenn er wusste, dass dies nur von kurzer Dauer sein würde, verfügte er aber auch über das Wissen, dass diese kurzweilige Veränderung im Innern des Seelen-Heilers, ihm Kraft spendete. Rück stark sein ließ.

      Polternd ging die Tür zur Himmelsschenke auf und der Weihnachtsmann kam herein; umringt von lachenden und tollenden Wichteln.

      Zielstrebig lief er auf Tannbaum zu. »Hab schon gehört, dass ihr wieder einmal da seid«, begrüßte er die Drei. Sternschnuppe hielt er einen neuen Stern hin, den ihm einer seiner Wichtel gereicht hatte. Für Tannbaum zog er einen Tabakbeutel aus seiner Manteltasche; nur für das Tier hatte er nichts.

      Verwundert schickte die Wichtelfrau einen bösen Blick zum Weihnachtsmann hinüber.